Die Spur der sogenannten "Döner-Morde" führt gleich mehrfach nach Nordrhein-Westfalen: zweimal nach Köln, einmal nach Dortmund. Zusätzlich rückte ein Anschlag auf eine Gruppe jüdischer Einwanderer in Düsseldorf neu ins Blickfeld der Ermittler. Die Polizei prüft, ob der Bombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn ebenfalls auf das Konto der Zwickauer Terror-Zelle geht. Dagegen spreche einiges, heißt es allerdings schon jetzt aus Justizkreisen. In dem gefundenen Bekennervideo der Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" fehlten Hinweise auf den Düsseldorfer Anschlag im Juli 2000. Außerdem passe die Tat wegen der komplizierten Vorbereitung nicht zu den sonst begangenen Taten.
Welche Fälle darüber hinaus auf Zusammenhänge mit dem rechten Terror überprüft werden, bleibt vorerst geheim. "Wir geben keine Auskünfte über Raster und Parameter", sagt Michaela Heyer, stellvertretende Sprecherin des Landeskriminalamtes in Düsseldorf. Bereits am Wochenende hatte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) eine neue Reihe intensiver Ermittlungen in alten Fällen angekündigt. Das LKA koordiniert dabei den Informationsaustausch mit den einzelnen Polizeibehörden im Land und den Sicherheitsbehörden auf Landes- und Bundesebene.
Komplexe Sachverhalte prüfen
"An erster Stelle steht die Frage, ob eine Tat vor Ort als politisch motivierte Kriminalität erkannt wurde", erklärt dazu Matthias Zeiser, Leiter des Fachbereichs Phänomenbezogene Kriminalstrategie an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Darüber hinaus müssten komplexe Sachverhalte überprüft werden, mit sehr hohem Aufwand. Dazu setze üblicherweise eine Sonderkommission Schwerpunkte und ziehe Personal zusammen. Ein Problem könnte sein, dass Kriminalakten je nach Bundesland unterschiedlich lang gespeichert werden. "Bei Tötungsdelikten sollten die Unterlagen aber noch zugänglich sein", schätzt Zeiser.
Kein klares Muster möglicher Taten
Wie viele ungeklärte Gewalttaten nun neu bewertet werden müssen, dazu gibt es weder von der Polizei noch von Forschern eine Einschätzung. Klar ist bloß, es gibt keine schnell nutzbare Übersicht, keine Sammlung von Fällen, bei denen ein rechtsextremistischer Hintergrund vermutet, aber nicht bestätigt wurde. "Ich gehe davon aus, dass diverse Gewalttaten der üblichen Kriminalität zugeordnet wurden. Zum Beispiel dem Bereich der Schutzgeld-Erpressung", sagt der Sozialwissenschaftler Jan Schedler, Dozent an der Bochumer Ruhr-Universität.
Schedler befasst sich schwerpunktmäßig mit rechtem Terrorismus und kritisiert die bisherige Arbeit der Sicherheitsbehörden: "Gerade wegen der Struktur der kleinen Zellen ist der Terror mit rechtsextremem Hintergrund unterschätzt worden." Wenn es um das Identifizieren möglicher weiterer Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" geht, hofft er, dass die Ermittler nun Gewalt gegen Migranten genauer untersuchen: "Möglicherweise haben die aktuellen Erkenntnisse die Sicherheitsbehörden wachgerüttelt."
In der akademischen Ausbildung künftiger Polizeichefs nehme die politisch motivierte Kriminalität schon länger den höchsten Stundenanteil ein, verteidigt Dozent Zeiser die Arbeit an der Deutschen Hochschule der Polizei. "Dabei macht es für die Terror-Definition keinen Unterschied, ob es sich um eine Terror-Zelle oder ein Netzwerk handelt. Im Fall des 'Nationalsozialistischen Untergrunds' fehlten bislang allerdings typische Bekennerschreiben."
Zentralrat der Muslime beklagt lange Kette von Gewalt
"Offensichtlich konnte der Rechtsterrorismus in Deutschland unbehelligt grassieren, weil die Behörden zu sehr in Richtung religiös motivierter Täter geblickt haben", kritisierte Aiman Mazyek, Vorsitzender der Zentralrats der Muslime in der Montagsausgabe der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Allein in diesem Jahr habe es bereits 20 Anschläge auf Moscheen gegeben, außerdem auf muslimische Gemeindehäuser und Wohnhäuser von Migranten, sagte Mazyek. Die Vorfälle reichten von Farbschmierereien über Sachbeschädigungen bis zu Körperverletzungen und Morden.