WDR: Eva Müller, Sie konnten während eines der wichtigsten Prozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte hinter den Kulissen filmen. Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?
Eva Müller: Im NSU-Prozess sind sehr unterschiedliche Interessen aufeinander geprallt. Auf der einen Seite hatten die Hinterbliebenen der Mordopfer die Hoffnung, in diesem Verfahren endlich zu erfahren, weshalb ihre Angehörigen getötet wurden.
Auf der anderen Seite haben die drei Anwälte von Beate Zschäpe allein die Interessen ihrer Mandantin verteidigt und ihr geraten zu schweigen. Dieser Konflikt hat in der Öffentlichkeit einen enormen Druck entfaltet und die Anwälte entsprechend gefordert.
Die Filmemacherin Eva Müller arbeitet seit 2005 als freie Journalistin für die WDR/ARD-Redaktionen "Die Story" und "Aktuelle Dokumentation" sowie das ARD-Politikmagazin "Monitor".
WDR: Wie haben die Anwälte darauf reagiert?
Müller: Am Anfang haben alle drei Verteidiger gesagt, der Prozess sei eine berufliche Herausforderung. Dass das Verfahren eine besondere politische und emotionale Dimension haben wird, war allen klar.
Aber wie groß das tatsächlich wird und wie sehr es das eigene Leben aufwühlt, das hat sich erst mit der Zeit herausgestellt.
WDR: Welchen Herausforderungen mussten sich die Anwälte stellen?
Müller: Sie waren sich von Anfang an einig in der Auffassung, dass der Rechtsstaat nur dann stark ist, wenn auch ein Mensch wie Beate Zschäpe, die solchen Vorwürfen ausgesetzt ist, die bestmögliche Verteidigung bekommt.
Das stieß teilweise auf heftigen Widerspruch. Kollegen gaben ihnen mit, dass sie sich "für die falsche Seite entschieden" hätten. Sie wurden angefeindet und bedroht. Hinzu kam der Streit mit der Mandantin. Das macht natürlich etwas mit einem.
WDR: Sie haben den NSU aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. 2011 war es Ihr preisgekrönter Film über die Opfer. Jetzt ist es ein Porträt der Pflichtverteidiger. Was ist Ihr Fazit?
Müller: Ein solch fürchterliches Verbrechen wirft alle Betroffenen zurück auf die Prinzipien unseres Rechtsstaates. Die Frage ist: Was ist die beste Reaktion? Wie schwer fällt es, Beate Zschäpe alle Rechte zu gewähren, die unser Rechtssystem hergibt?
Rechtlich ist die Antwort eindeutig: Niemand muss an seiner eigenen Strafverfolgung mitwirken. Dass dort im selben Raum Frauen, Söhne, Töchter von Ermordeten und Verletzten über Jahre auf Wahrheit und Wiedergutmachung hoffen und auch ein Recht darauf haben sollten, ist ein kaum zu überwindender Widerspruch.
Und wenn die Mandantin schweigt, stehen schnell ihre Verteidiger im Mittelpunkt dieses Konfliktes. Sie über fünf Jahre dabei zu begleiten und zu beobachten, ermöglicht einen Blick hinter den Vorhang, den man sonst eher selten bekommt.
Das Interview führte Dominik Reinle.