Zwei Garagen und ein Auto verschwanden im Januar 2000 in dem bisher größten Tagesbruch in NRW. Als "Wattenscheider Loch" ist der riesige Krater, der sich damals in einem Wohngebiet um einen stillgelegten Förderschacht gebildet hatte, in die Geschichte des Landes eingegangen. Etliche Häuser mussten evakuiert werden. Ähnlich im Jahr 2004 in Siegen, als das Eckstück eines Hauses und zwei Fahrräder in einen Tagesbruch stürzten. Auch an dem so genannten "Siegener Loch" am Rosterberg mussten einige Dutzend Menschen in Sicherheit gebracht werden.
Spuren des Bergbaus im ganzen Land
Ob Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet und im Aachener Raum oder Erzbergbau im Sauer- und Siegerland: "Zwei Drittel aller Kommunen im Land haben Berührungspunkte mit dem Bergbau," sagt Andreas Nörthen von der Bergbau-Abteilung der Bezirksregierung Arnsberg, die landesweit für den Bergbau zuständig ist. Seine Behörde habe Unterlagen über rund 30.000 Schächte und Stollen. Aber es gebe sicherlich weitere 30.000, über die aus unterschiedlichen Gründen keine Unterlagen vorliegen.
Es sind vor allem die älteren oder unbekannten Abbaugebiete, die Probleme verursachen, meint Axel Preuße, Leiter des Instituts für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik im Bergbau an der RWTH Aachen. "Die großen Schächte sind alle bekannt und die sind auch größtenteils, wenn sie in den letzten 30, 40 Jahren verfüllt worden sind, so verfüllt worden, dass sie keine Sorge auslösen." Anders da, wo die Leute zum Beispiel in den Nachkriegswirren nah an der Oberfläche illegal nach Kohle gruben. "So etwas ist natürlich nie richtig lokalisiert oder kartiert worden."
Pro Jahr bis zu 80 bergbaubedingte Tagesbrüche
Bei einem Tagesbruch senkt sich die Erdoberfläche ab, die im Fachjargon "Tagesoberfläche" genannt wird. Pro Jahr treten etwa 130 solcher Brüche in NRW auf; 70 bis 80 sind auf den Bergbau zurückzuführen. "Bei den anderen sind es Abwasserkanäle oder alte Luftschutzstollen, die einstürzen", erzählt Nörthen.
Die Tagesbrüche, die durch den Bergbau entstehen, können sowohl da auftreten, wo Kohle oder Eisenerz vergleichsweise nah unter der Erdoberfläche abgebaut wurde, als auch da, wo in größerer Tiefe abgebaut wurde. Im ersten Fall können unterirdische Gänge einstürzen, die früher zu den bis zu 35 Meter tief gelegenen Kohleflözen oder dem Eisenerz geführt haben. Im anderen Fall können Stollen oder Schächte, die in größere Tiefe geführt haben, einstürzen, weil sie nur unzureichend z.B. mit Schotter gefüllt worden sind.
Sperrung der A45 verursacht viele Staus
Ein Tagesbruch kann über Jahrzehnte hinweg entstehen – der eigentliche Bruch an der Erdoberfläche kann dann aber ganz plötzlich auftreten. "Wir erleben aber auch, dass uns Betroffene anrufen die wissen, dass sie in einem Bergbaugebiet wohnen, die in ihrem Garten oder in der Einfahrt feststellen, dass sich eine Mulde gebildet hat. Für uns ist so ein Anruf das Startzeichen, einen Termin vor Ort zu machen, alte Unterlagen zu prüfen oder auch direkt mit den Sicherungsarbeiten zu beginnen." Genau solche Sicherungsarbeiten finden zurzeit unter der A45 statt: Die Hohlräume, die hier in nur vier Meter Tiefe unter den Fahrstreifen entdeckt wurden, werden mit Beton gefüllt.
Wegen der Sperrung der A45 zwischen dem Kreuz Dortmund-Witten und dem Kreuz Dortmund-Süd rechnet das WDR-Verkehrsinformationszentrum damit, dass die Ausweichstrecken, die B1 und die B54, in den nächsten Tagen besonders während des Berufsverkehrs sehr voll sein werden.
Solche Beeinträchtigungen, sagt Andreas Nörthen, hätte auch das Land gerne vermieden. "Wenn man die Information über diesen Hohlraum damals beim Bau der A45 gehabt hätte, hätte man vorbeugend abbohren und den Baugrund stabilisieren können. Aber es gibt eben Bereiche, wo wir nicht genügend Informationen haben und dann können wir auch nicht präventiv tätig werden."
Unzureichende Informationen machen die Einschätzung schwierig
Das sieht Axel Preuße von der RWTH Aachen genauso: "Wenn heute Bergbau betrieben wird, und eine Planung gemacht wird, dann gehen diese Informationen an die Kommunen und alle Träger öffentlicher Belange. Aber früher hat man Abbau betrieben, und dann etwas stillgelegt, ohne dass diese Informationen an die Kommunen geflossen sind." Erschwerend komme außerdem hinzu, dass selbst da wo es altes Kartenmaterial über den Bergbau in einem Gebiet gebe, dieses nur bedingt etwas nutze: "Bis im 18. Jahrhundert hat man örtliche Koordinatensysteme verwendet, die mit den heutigen topografischen Karten nicht mehr übereinstimmen." Bevor die Bergbehörde also die Information aus diesem Kartenmaterial nutzen könne, müssten die Karten gewissermaßen übersetzt werden.
Mittlerweile, meint Preuße, sei das größtenteils geschehen: "Wattenscheid war in der Hinsicht ein Augenöffner." Auch Andreas Nörthen vom Bergbauamt der Bezirksregierung Arnsberg meint, das Land sei nach dem Wattenscheider Loch sensibler für Bergbauschäden geworden. "Trotzdem ist es schlechterdings unmöglich, Tagesbruch in NRW zu vermeiden. Dafür hat es hier einfach zu viel Bergbau gegeben."