Wir besuchen das Baumhausdorf "Winkel". Es steht in Sichtweite zum Tagebau. Der Waldrand ist nur 100 Meter entfernt, die Abbruchkante rückte bis vor dem Rodungsstopp 2019 immer näher. Nach der Räumung des Waldes im Herbst 2018 war der "Winkel" neu aufgebaut worden. Mehrere Baumhäuser befinden sich hier in unterschiedlicher Höhe. An einem der Bäume üben mehrere Aktivisten das sichere Klettern mit Seil.
Baumhaus-Bewohner müssen gut klettern können
Man muss sehr gut am Seil klettern können, wenn man in einem Baumhaus wohnen will. Manche Baumhäuser sind in über 20 Metern Höhe in die Kronen der Bäume gebaut - und das heißt für die Aktivistinnen und Aktivisten, die dort oben wohnen: morgens runter, abends rauf. Das Wissen, was man zum Leben im Wald braucht, geben sie sich untereinander weiter. Es finden sogar regelmäßig Workshops statt, die für alle Interessierten offen sind.
Kochen in der Gemeinschaftsküche des Baumhausdorfs
In einem niedrigeren Baumhaus - die Plattform befindet sich nur etwa drei Meter über dem Boden und ist über eine Treppe erreichbar - treffen wir Aktivistinnen und Aktivisten beim Kochen an. Hier befindet sich die Gemeinschaftsküche, die gleichzeitig Treffpunkt ist für die Baumhausdorf-Gemeinschaft.
So funktioniert das Leben im Wald
Gemeinsames Kochen gehört hier zum Alltag. Die Lebensmittel kommen als Spenden von Unterstützern in den Wald. Oder die Aktivisten gehen containern. Das heißt: Sie durchsuchen die Müllcontainer von Supermärkten nach essbaren Abfällen. Wasser holen die Aktivisten aus dem sogenannten Hambi-Camp, das liegt wenige Kilometer entfernt im Dorf Morschenich auf dem Grundstück einer Dorfbewohnerin. Für das Leben im Wald brauchen die Aktivistinnen und Aktivisten kaum Geld. Aber über ein Spendenkonto kommt etwas finanzielle Unterstützung. Davon werden Anwalts- und Gerichtskosten gezahlt und Baumaterialien oder auch Kletterausrüstung gekauft.
Baumhausbewohner sind vermummt
Was überall auffällt: Die Aktivistinnen und Aktivisten sind vermummt. Warum eigentlich? Damit die Behörden sie nicht identifizieren, sagen sie selbst. Außerdem wollen sie als Kollektiv wahrgenommen werden; nicht als Einzelkämpfer. Auf der anderen Seite sagen die Behörden: Bei uns gibt es keinen Grund, sein Gesicht zu vermummen - es sei denn, man hätte etwas zu verbergen.
Sperrmüll-Spende als Baumaterial
Die meisten Baumhäuser und Konstruktionen im Hambacher Wald sind aus Holz gebaut. Viel Baumaterial wird als Sperrmüll-Spende am Waldrand abgestellt. Aber auch Bäume werden zum Bauen genutzt. Nach eigenen Aussagen benutzen die Waldbewohnerinnen und Waldbewohner dafür nur kranke, von Borkenkäfern befallene, oder tote Bäume. Die Aktivistinnen und Aktivisten versuchen, den Wald so wenig wie möglich zu belasten, sagen sie.
Sie benutzen Komposttoiletten, Küchenabfälle werden auch kompostiert. Verpackungsmüll wird nach Möglichkeit erst gar nicht mit in den Wald genommen. Die Aktivistinnen und Aktivisten sagen, der Wald wäre längst gerodet worden, wenn sie nicht seit Jahren die Bäume schützen würden.
Einblick in ein Baumhaus
Ein Aktivist, sein Name ist Gonzo, gewährt uns einen Einblick in sein selbst gebautes Baumhaus, das er sich mit einer Mitbewohnerin teilt. Zunächst befinden wir uns auf einer schmalen Plattform in luftiger Höhe. Gonzo erklärt, dass es sich um "Robert, die Chill- und Kack-Plattform" handelt.
Und in der Tat erkennt man am Rand eine spartanische Komposttoilette, daneben steht eine Couch. Eine kleine Leiter führt zur nächsten Ebene des Baumhauses. Es handelt sich um eine kleine Küche samt Kachelofen zum Heizen im Winter. Viel Platz gibt es nicht, trotzdem haben viele Gegenstände ihren Weg in das Baumhaus gefunden - unter anderem Essensvorräte und Kleidung.
Die letzte Etage ist über eine Leiter von der Küche aus erreichbar - das Schlafzimmer. Ein großes Fenster gibt den Blick auf die Baumkronen frei. Gonzo erzählt, dass es ein unbeschreiblich tolles Gefühl sei, hier oben aufzuwachen, aus dem Fenster zu schauen und zu frühstücken.