Der 25-jährige Jurastudent war Anfang September nach New York gekommen. Dort sollte er ein Praktikum bei einer deutschen Investmentbank absolvieren. Doch nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center kam alles anders. Das Büro der Investmentgesellschaft, gut 50 Straßen vom Ort der Katastrophe entfernt, blieb geschlossen. Der Horrorcrash ins World Trade Center hatte sich schnell auch auf andere Wirtschaftsbereiche ausgewirkt.
11. September 2001, morgens um neun: Sebastian Voigt nimmt in Midtown Manhattan, 30. Stock, an einem Einführungsseminar für ein neues Computersystem teil. "Es war alles perfekt organisiert", erinnert sich der Hannoveraner, der in Osnabrück Jura studiert. Umso mehr war er erstaunt, als die Seminarleiterin ohne Vorankündigung den Saal verließ. Wenig später kam sie mit der Nachricht vom WTC-Crash zurück. Das Seminar wurde aufgelöst.
"Ich wollte helfen - aber wie?"
Vom Bürofenster aus sah Sebastian Voigt den Rauchpilz über Manhattan aufsteigen. Panik habe er dabei nicht verspürt, sagt der Student, und auch keine Angst. Aber: "Ich hatte das Bedürfnis, nach Deutschland anzurufen und zu sagen: Freunde, ich lebe noch!" Doch die Telefonleitungen waren entweder tot oder überlastet. Erst am Nachmittag konnte er bei seinen besorgten Eltern und bei der Freundin in Deutschland Entwarnung geben. Durch die Ereignisse im World Trade Center hat Sebastian Voigt mehr Freizeit als ihm recht ist. "Irgendwie", sagt er, "hatte ich das Gefühl, helfen zu müssen." Er wollte Blut spenden, aber seine Blutgruppe wurde nicht mehr gebraucht. Da spendete er eben Lebensmittel für die Rettungstrupps. Auf dem Union Square legte er für die Vermissten einen Blumenstrauß nieder.
Der Schock über den Anschlag auf das World Trade Center sitzt Sebastian Voigt auch eine Woche später noch immer tief in den Knochen. Noch am Abend vor der Katastrophe hatte er im 107. Stock des WTC eine Stehparty besucht. Er mag gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn...
Katastrophen-Alarm in der U-Bahn
Auch Rupert Hofmann treffe ich im Speisesaal des deutschen Kolpinghauses an der 88. Straße. Junge Männer können dort preisgünstig übernachten. Zu essen gibt es Hausmannskost. Rupert ist 24 und kommt aus München. Er absolviert ein Praktikum bei der "Americas Society", einer kulturpolitischen Gesellschaft mit transamerikanischen Verbindungen. Rupert Hofman war in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, als am 11. September Katastrophen-Alarm gegeben wurde. Die Subway wurde sofort geräumt. Am Union Square versuchte der Student, nach Deutschland zu telefonieren. Es ist ihm erst nach zahlreichen Versuchen gelungen.
Inzwischen geht Rupert Hofmann, wie geplant, seinem Praktikum nach. Noch bis zum 26. November wird er in New York bleiben. Sein USA-Bild habe sich nach den Terrorakten in New York, Washington und Pittsburgh geändert, sagt Rupert. Er habe "die negativste Seite Amerikas" kennengelernt. Die oft einseitige Berichterstattung der Medien, die Cold-War-Rethorik aus dem Weißen Haus - das alles mache ihm Angst. "In der U-Bahn fürchte ich mich vor einem Angriff mit biologischen Waffen." Die Katastrophe hätte seiner Meinung nach unter keiner ungünstigeren Regierungs-Konstellation passieren können, glaubt Rupert Hofmann: "Barak in Israel, Gore in Washington, da würde ich mich sicherer fühlen."
Mit der Subway fährt Axel nicht mehr
Auch Axel Makil (24) hat den Luftangriff auf das World Trade Center in der U-Bahn erlebt. Seither vermeidet er die Subway. Aus Sicherheitsgründen. Axel studiert in Frankfurt am Main Betriebswirtschaftslehre. Mitte August war er nach New York gekommen, um bei einer Investment-Bank ein zweimonatiges Praktikum zu machen. Axels Eltern stammen aus Indien. Er selbst ist drei Jahre lang in Kerala zur Schule gegangen. Jetzt sitzt auch Axel im Kolpinghaus bei Braten und Rotkohl. Er habe von jungen Deutschen gehört, die nach dem Angriff nach Kanada gereist seien, sagt Axel. Dort fühlten sie sich sicherer. Er habe jedoch keine Angst. Dabei schließt er nicht aus, "dass es eskalieren könnte". Von den Angriffen auf Menschen orientalischer Abstammung in anderen Teilen der USA hat auch Axel gehört. Er selbst, sagt er, habe wegen seiner dunklen Hautfarbe in New York keinerlei Ressentiments verspürt. Im Gegenteil: Die Menschen hier seien überaus freundlich. Und: "Der Zusammenhalt unter den New Yorkern ist einfach phänomenal."