Frühstück mit Jezabel im Park. Hört sich gut an, ist aber eher traurig. Während 30 Straßen weiter südlich, an Ground Zero, der Präsident über Freiheit und Helden spricht, erzählt mir Jezabel bei Hörnchen und Kaffee aus dem Pappbecher die Geschichte ihres Lebens. In Puerto Rico geboren, aufgewachsen in der Bronx. Eltern Säufer, Bruder im Knast. Sie selbst landete irgendwo auf der Straße und lebt jetzt im Park. So gesehen bin ich zu Gast bei Jezabel: Am 11. September 2002, um 8:50 Uhr, mitten in Manhattan.
"Der einzig wahre Held ist Gott"
Rings um uns herum herrscht Schweigen. Ich frage Jezabel, ob sie in Ruhe gelassen werden möchte. Aber sie möchte lieber reden. Über Gott ("der einzig wahre Held, den ich kenne") und die Welt ("ein trauriger Platz") Jezabel sagt, der 11. September 2001 habe ihr Leben nicht verändert: "Bei mir tut sich nichts mehr, immer derselbe Trott."
9/11 hat ihre Welt nicht verändert
Klar, sie sei schockiert gewesen und traurig, als die Türme einstürzten. Aber ihre Welt sei deshalb nicht mehr aus den Fugen geraten als sie es ohnehin schon war. Sie saß damals auf einer Parkbank in Manhattan und tut es jetzt wieder. Sie hatte damals keine Wohnung und hat immer noch keine. Und das Wort Geld kennt sie ohnehin nur vom Hörensagen. Damals und heute.
Jezabel ist obdachlos und wird es wohl auch bleiben. Die Hoffnung, irgendwann, irgendwo wieder ein normales Leben führen zu können, hat sie begraben. Aber was ist schon ein "normales Leben"? Erst recht in New York.
Sie lächelt - und schweigt
"Warum kommst du extra nach New York?", will Jezabel von mir wissen. "Weil ich unbedingt mit Dir frühstücken wollte", antworte ich. Jezabel lächelt. Jetzt schweigt sie auch. So wie die anderen um uns herum.