WDR.de: Vor zehn Jahren ging es los: Was ist aus dem Baby Funkhaus Europa geworden?
Jona Teichmann: Ein erwachsenes, aber dennoch junges, modernes Radioprogramm. Wir sind keine Experimentierstube mehr, sondern ein professionelles Programm - wie die anderen fünf Radiowellen des WDR auch.
WDR.de: Sie waren von Anfang an dabei und haben Funkhaus Europa mit aufgebaut. Wie war das damals?
Teichmann: Es gab ein Vorläuferprogramm. Wir hatten zunächst eine Stunde Sendezeit am Nachmittag. Dann fiel der Beschluss, daraus ein 24-Stundenprogramm zu machen. Dafür wurden Leute aus verschiedenen Bereichen zusammengezogen. Wir haben damals viel über Programmideen debattiert. Es sollte anders sein, den internationaler werdenden Alltag abbilden, sich kritisch mit der Einwanderungsgesellschaft auseinandersetzen. Wir wollten wie ein Soundtrack sein zu diesem neuen Lebensgefühl der globalisierten Welt. Wir hatten aber auch Befürchtungen, dass es sich anhört wie gut gemeintes Multikulti-Rosa-Brille-Programm. Ich weiß noch genau, dass wir vorher nicht nur aufgeregt waren, ob das alles klappt. Wir waren auch neugierig auf unser eigenes Programm. Als es dann ab dem 5. Mai 1999 lief, waren wir sehr zufrieden: Das hört sich ja an wie ein richtiges Radioprogramm!
WDR.de: Welche Schwierigkeiten gab es?
Teichmann: Wir hatten von Anfang an das Ziel, in der Redaktion sehr unterschiedlich zu sein: verschiedene Herkünfte, verschiedene Altersstufen. Das ist für ein solches Programm essenziell. Aber das war anfangs teilweise auch anstrengend, weil wir aus unterschiedlichen Bereichen kamen. Manche hatten zum Beispiel noch nie tagesaktuell gearbeitet. Wir wollten uns als eine ernstzunehmende WDR-Redaktion etablieren, die ein vernünftiges Programm macht und die als Fachredaktion für die anderen Wellen arbeitet. Das hat sich erst mit den Jahren entwickelt. Wir sind alle miteinander professioneller geworden.
WDR.de: Funkhaus Europa sendet außer in Deutsch noch in 14 weiteren Sprachen. Wie passen Integration und Mehrsprachigkeit zusammen?
Teichmann: Sehr gut. Dass wir in anderen Sprachen senden, heißt nicht, dass wir Deutsch nicht ganz wichtig nehmen. Deutsch ist die gemeinsame Sprache aller, die in Deutschland leben - egal, welche Herkunft sie haben. Deshalb wird der überwiegende Teil des Programms auf Deutsch gesendet. Wir setzen uns dafür ein, dass Einwanderer ihre Kinder gutes Deutsch lernen lassen. Das ist auch in unseren muttersprachigen Sendungen ein großes Thema. Wir senden nicht in anderen Sprachen, weil wir glauben, dass hier so viele Menschen leben, die hilflos wären ohne die Information in ihrer Muttersprache. Wir verstehen unsere muttersprachigen Sendungen als ein Angebot, das Sprache pflegt und fördert.
Aus Sicht der Einwanderer sind Muttersprachen-Programme ein emotionales Moment - Wertschätzung ihrer Herkunftskultur. Für viele von ihnen ist es einfach toll, wenn sie in ihrer Muttersprache Musik oder Wortbeiträge im Radio hören können. So wie es beim WDR spezielle Musiksendungen für Jazz oder alte Musik gibt, so haben wir Sendungen in verschiedenen Sprachen.