Am AIST (National Institute of Advanced Industrial Science and Technology), einer staatlichen Forschungsstelle für Technologien mit Sitz in Tokio, wird vor allem auch der Einsatz von erneuerbaren Energien untersucht. Als stellvertretender Direktor der Abteilung für Energie und Umwelt kam Yoshiro Owadano in dieser Woche nach Düsseldorf, um dort einen Vortrag über die Möglichkeiten und den Markt für erneuerbare Energien in Japan zu halten. Als der 61-Jährige vergangenen Samstag (12.03.2011) Tokio Richtung Düsseldorf verließ, hatte das Land gerade das Beben hinter sich.
WDR.de: Herr Owanado, wie haben Sie den Tag nach dem Beben erlebt?
Yoshiro Owadano: Der Flughafen war überfüllt, weil vorher viele Flüge ausgefallen waren. Viele Menschen hatten Schwierigkeiten, den Flughafen überhaupt zu erreichen, weil die Züge dorthin auch ausgefallen waren. Von Unruhe war allerdings nicht viel zu spüren, die meisten waren mehr mit praktischen Problemen beschäftigt.
WDR.de: Atomkraft ist bisher die wichtigste Energiequelle in Japan. Welche Rolle spielen in der öffentlichen Diskussion die erneuerbaren Energien?
Owadano: Grundsätzlich wird das Thema Atomenergie in Japan nicht mit der Frage nach erneuerbaren Energien in Verbindung gebracht. Auch umgekehrt gelten erneuerbare Energien nicht als Alternative zur Atomenergie. Mehr als 30 Prozent der Energie kommt aus Atomkraftwerken. Neue Energietechniken wie Photovoltaik machen da nur 0,1 Prozent aus. Vielleicht gegen Ende dieses Jahrhunderts werden die Erneuerbaren eine größere Rolle spielen, zurzeit ist Atomenergie die Nummer eins. Ohne geht es nicht.
WDR.de: Auch Japan muss aber zusätzliche Energie in Form von Gas und Öl aus anderen Ländern kaufen. Gibt es keine Bestrebungen, unabhängig davon zu werden?
Owadano: Doch: Vor vier, fünf Jahren ließ die Regierung verlauten, dass die heimische Atomenergie ausgebaut werden müsse, um unabhängiger zu werden. Doch die lokalen Stadtverwaltungen wehrten sich dagegen, auf ihren Gebieten neue Atomkraftwerke bauen zu lassen.
WDR.de: Also ist den Menschen die Gefahr von Atomkraftwerken schon bewusst?
Owadano: Seit Jahrzehnten ist das allen bewusst. Vor einigen Jahren gab es auf der anderen Seite der Insel bereits ein Erdbeben, bei dem mehrere Atomkraftwerke vom Netz genommen werden mussten.
WDR.de: Gibt es Bewegungen gegen Atomkraft, für erneuerbare Energien als Alternative?
Owadano: Erneuerbare Energien sind keine Alternative in Japan. Wir brauchen beides. Gleichwohl gibt es ein hohes Interesse an erneuerbaren Energien. Bevor Deutschland weltweit führend in Solarenergietechnik wurde, waren wir das fortschrittlichste Land der Welt in diesem Bereich. Es gibt aber keine große, offene Diskussion darüber oder gar eine Partei, die das Thema unterstützt. Es sind eher kleine Bürgerinitiativen oder akademische Kreise. Die Regierung und auch die lokalen Stadtverwaltungen versuchen zwar, für erneuerbare Energien zu werben. Die Regierung investiert einiges an Geld in die Entwicklung, auch die Ausbildung widmet sich dem Thema. Es gibt viele Diskussionen im kleinen Rahmen. Aber in Japan geht das langsam und leise vor sich, ohne laute Stimmen.
WDR.de: Wenn selbst die Regierung für erneuerbare Energien wirbt, wer sind die Blockierer?
Owadano: Es ist ein sehr politisches Thema. Stromlieferanten sind auch in Japan sehr mächtig. Aber sie werden jetzt, nach dem großen Unfall, ihre Haltung überdenken müssen. Zumindest richtet die Regierung inzwischen mehr Aufmerksamkeit auf die Sicherheit von Atomkraftanlagen. Die Unternehmen hatten gerade damit begonnen, ihre Anlagen zu überprüfen.
WDR.de: Glauben Sie, dass die Regierung nach der jetzigen Atomkatastrophe konsequenter durchgreifen wird?
Owadano: Ich glaube nicht, dass sich viel ändern wird. Natürlich werden die Unterstützer erneuerbarer Energien mehr Rückhalt bekommen, aber wir wissen trotzdem, dass wir zurzeit nicht ausschließlich mit erneuerbaren Energien auskommen. Bis dahin ist es ein langer Prozess, mit vielen, kleinen Schritten.
WDR.de: Investieren große Energiekonzerne wie Tepco auch in Erneuerbare Energien?
Owadano: Sehr zögerlich. Sie testen wohl, legen aber ihre Forschungsergebnisse nicht offen. Zwar entgeht ihnen die allgemeine Trendwende auch nicht, aber sie geben das nicht offiziell zu.
WDR.de: Welche neuen Techniken würden sich in Japan anbieten?
Owadano: Die klimatischen und geografischen Bedingungen in Japan sind nicht so ideal wie in Europa: Windkraft zum Beispiel ist technisch problematisch. In Japan gibt es häufig Taifune, die Windrichtung ist nie so konstant wie in Europa. Für Off-Shore-Windkraftanlagen fehlen uns seichtere Küstenbereiche. Im Moment gibt es etwa gleich viel Windkraftanlagen, Solartechnik und Photovoltaikanlagen in Japan. Als vielversprechend sehen wir die Energiegewinnung durch Erdwärme - es gibt viele Vulkane in Japan. Leider befinden sie sich fast alle in Nationalparks, dort darf also nicht gebaut werden. Aber vielleicht wird die Politik die Gesetze dazu künftig ändern, nach den Unfällen.
WDR.de: Was versprechen Sie sich von der Kooperation zwischen NRW und Japan?
Owadano: Japan und Deutschland haben ein hohes Potential an technologischem Wissen, wir bewundern uns gegenseitig. Wenn wir mit diesem Wissen zusammenarbeiten, kann das der Stärke und Stabilität der internationalen Wirtschaft sehr förderlich sein, viel mehr als irgendwelche Geldgeschäfte.
Das Gespräch führte Nina Magoley.