Im Streit um das Datum für den Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau hat Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) davor gewarnt, "organisiert Ängste zu schüren". Die Landesregierung wolle eine sozialverträgliche Lösung "so früh und so schnell wie möglich", sagte sie am Donnerstag (01.02.2007). Es müsse aber ein Verhandlungsergebnis geben, das die Belastungen für die Landeskasse und die Bürger "so gering wie möglich hält".
Angeheizt durch Rüttgers Vorstoß, die Kohle-Förderung bereits 2014 auslaufen zu lassen, zogen am Donnerstagnachmittag mehr als 10.000 Bergleute zum Düsseldorfer Landtag, um dort in einer spontanen Protestaktion gegen den Kurs des Ministerpräsidenten zu demonstrieren. "Bergleute verraten und verkauft von unserem Landesvater" und "sozialverträglich = arbeitslos" stand auf Transparenten. Die Demonstranten ließen hunderte schwarze Luftballons mit der Aufschrift "Ich bin ein Arbeitsplatz" in den Himmel steigen.
RAG pocht auf Kompromiss
Hintergrund der ganzen Aufregung: Der gerade erst beschlossene Kohle-Ausstieg steht seit der Nacht zum Donnerstag (01.02.2007) wieder auf der Kippe. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) weigerte sich, dem ursprünglich angepeilten Ausstieg im Jahr 2018 zuzustimmen. Er forderte, die Subventionen bereits 2014 auslaufen zu lassen. "Man kann ein Datum erst festsetzen, wenn man die Preise kennt", sagte sein Sprecher Andreas Krautscheid, nachdem Gespräche des Kohlegipfels in Berlin über finanzielle Details nach vier Stunden Beratung vertagt wurden.
Mit dem ergebnislosen Verlauf des Spitzentreffens bleibt offen, ob der Zeitplan für den Börsengang der RAG noch eingehalten werden kann. "Die Zukunft des Konzerns ist gefährdet", sagte eine Sprecherin des Unternehmens am Donnerstag zu WDR.de. Man hoffe darauf, dass die Landesregierung einlenke. Die RAG werde alles dafür tun, damit der am Montag ausgehandelte Kompromiss auch umgesetzt werde. "Wir verlassen uns auf die Beschlüsse der Bundesregierung."
Schwerpunkt
Tausende Bergleute demonstrieren
Auch der Gesamtbetriebsrat der Deutschen Steinkohle pocht auf die Einhaltung des Kohle-Kompromisses. "Rüttgers macht die Belegschaft zum Spielball der Politik", sagte der Vorsitzende Ludwig Ladzinski. Der Ministerpräsident setzte in unverantwortlicher Weise 100.000 Arbeitsplätze aufs Spiel. "Wir werden das nicht so hinnehmen." Die Stimmung in der Belegschaft beschrieb Ladzinski als "äußerst gereizt". Die Ungewissheit habe die Grenzen des Erträglichen überschritten.
FDP: "Nötig und überfällig"
Mit seinem Widerstand gegen einen Steinkohle-Ausstieg im Jahr 2018 stößt Rüttgers auf Zustimmung, aber auch breite Kritik. Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Düsseldorfer Landtag, Gerhard Papke, bezeichnete Rüttgers Forderung als "nötig und überfällig". Es sei "nicht im Interesse Nordrhein-Westfalens, wenn der Bund weitere Steuermilliarden unter Tage vergraben will, anstatt mit dem Geld den Strukturwandel in den Bergbaurevieren zu unterstützen".
Für die Grünen in NRW ist es wichtig und richtig, dass der Kohle-Ausstieg überhaupt stattfindet. "Wir halten ihn ab 2015 für möglich, und zwar sozialverträglich", sagte Sprecherin Andrea Rupprath. Dass Rüttgers aber jetzt mit "Spielereien" anfange und damit den Ausstieg an sich gefährden könnte, sei jedoch bedenklich.
SPD: Kanzlerin soll Rüttgers zur Ordnung rufen
Mit scharfer Kritik reagierte die SPD in NRW auf Rüttgers Vorstoß. Er widerspräche der Vereinbarung, die die Koalition in Berlin unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Nacht zum Dienstag (30.01.2007) getroffen hatte, sagte die Landesvorsitzende der Partei, Hannelore Kraft: "Die Kohle-Vereinbarung steht und ist nicht nachverhandelbar. Ein Rütteln an dem Kohle-Kompromiss ist mit der SPD nicht zu machen." Rüttgers müsse seine Forderung zurückziehen, oder die Kanzlerin den NRW-Regierungschef zur Ordnung rufen.