Bürgermeister Magnus Staehler (CDU) ist bester Laune. Die Stadt feiert ihren 60. Geburtstag und macht sich selbst das größte Geschenk. Um 20:21 Uhr schlägt die "Stunde Null" - dann nämlich ist Schluss mit dem unerbittlichen Zählen und auf der Schuldenuhr leuchtet nur noch die Null. "Es ist der Schlusspunkt einer sehr langen Reise mit allen Höhen und Tiefen", freut sich der Bürgermeister über eine schuldenfreie Stadt.
20 Jahre eisern gespart
Das war nicht immer so. Bis Mitte der achtziger Jahre wuchs der Schuldenberg auf über 38 Millionen Euro an. Während andere Städte und Gemeinden noch über ihre Verhältnisse Geld ausgaben, zog die Stadt Langenfeld 1986 die Notbremse. Seither werden keine Schulden mehr gemacht und es gilt die alte Hausfrauen-Weisheit: Gibt nicht mehr aus, als du einnimmst! Das Prinzip hat funktioniert. "Langenfeld ist das Erfolgsmodell, besser als Düsseldorf", lobt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler.
In Düsseldorf schreibt man ebenfalls seit dem vergangenen Jahr schwarze Zahlen. Die Landeshauptstadt war nach Dresden die zweite schuldenfreie Großstadt in Deutschland, aber nur, weil sie sich von der Mehrheit ihrer RWE-Aktien, der Mehrheit an ihren Stadtwerken und vom Stadtbahn-Schienennetz trennte. In Langenfeld dagegen wird nicht verkauft, sondern gespart: "Die Stadt hat sich verhalten wie ein Häuslebauer, der irgendwann mal einen Kredit aufnimmt und dann anfängt zu tilgen", lobt der Experte für kommunale Haushalte vom Bund der Steuerzahler.
Vereine kaputtgespart?
Mehr als 20 Jahre sparte sich die Stadt gesund. Zum Teil mit ungewöhnlichen Mitteln. So greifen die Einwohner selbst zum Besen und fegen die Straßen. Die Stadt spart dadurch die Gebühr für die Straßenreinigung. Jeder zweite Bürger ist zudem Mitglied in einem Verein. Und auch das hilft sparen: Ehrenamtliche Helfer betreuen die Sportanlage und das Stadtmuseum in Eigenregie.
Doch Sparen bedeutet natürlich auch Unangenehmes: Die Nutzung der Sporthalle kostet Gebühren und auch die freiwilligen Leistungen wurden von der Stadt um 25 Prozent gekürzt. "Am Anfang bekam ich zu hören, dass mache den Verein kaputt. Aber ich sehe das nicht als Nachteil, sondern als Solidaritätsbeitrag. Wir müssen uns von der Vollkasko- und Füllhornmentalität verabschieden. Die Stadt gehört keiner Partei, sondern alle sitzen in einem Boot", sagt der CDU-Bürgermeister, der seit 1994 im Amt ist. Gespart wird auch im Rathaus: Die Verwaltung ist um ein Drittel kleiner als in anderen Städten. Dafür werden die Mitarbeiter aber auch besser bezahlt.
SPD: Kinder und Bildung kommen zu kurz
Doch sparen alleine reicht nicht, auch die Einnahmen müssen stimmen. Statt auf Großunternehmen setzt man auf mittelständische Betriebe. Unter allen 58 Großstädten in NRW hat Langenfeld die niedrigsten Steuersätze. "Langenfeld hat die niedrigsten Gewerbesteuern und die zweitniedrigsten Grundsteuern. Zudem garantieren wir eine Gebührenstabilität", unterstreicht der Bürgermeister. Rund 1.800 Betriebe siedelten sich am einstigen Stahl- und Textilstandort an. Die Branchenvielfalt ist so ausgewogen wie nie und die Arbeitslosenquote liegt bei fünf Prozent.
"Wir haben uns nicht kaputt gespart. Alle nötigen Investitionen in die Infrastruktur wurden vorgenommen", betont Magnus Staehler. Dennoch gibt es deutliche Kritik aus der Opposition. Besonders im Sozialbereich sieht der Fraktionsvorsitzende der SPD Gerd-Peter Heinrichs deutliche Mängel. Er hätte die Stadt lieber langsamer entschuldet: "Manchmal wurde am falschen Ende gespart". An den Schulen fehle es an Sozialarbeitern und ein warmes Essen für Schulkinder müsste ebenfalls angesichts der Ressourcen drin sein. Auch gingen viele Städte in Sachen Beitragsgebühren für Kindertagesstätten andere Wege und hätten Eltern entlastet, statt belastet, kritisiert Heinrichs.
Schuldenfrei: Die glorreichen Sieben
Neben Langenfeld und Düsseldorf schreiben in NRW nur fünf Gemeinden schwarze Zahlen: Raesfeld und Reken im Kreis Borken, das niederrheinische Issum, Roettgen in der Eifel und Niederzier im Kreis Düren. Ansonsten sehen die Zahlen von Aachen bis Zülpich dunkelrot aus: Zusammen bringen es die Kommunen im Land auf fast 50 Milliarden Euro Schulden. Ganz oben auf der Schuldenskala: Köln, Oberhausen, Duisburg und Essen. Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler wird Essen im Jahr 2008 jede Sekunde 8,89 Euro Schulden machen. Das sind 533 Euro in der Minute, fast 32.000 Euro pro Stunde und 770.000 Euro am Tag.
Doch für die Schuldenuhr in Langenfeld hat am Freitagabend die letzte Stunde geschlagen. Ihr Platz am Rathaus wird durch eine normale Uhr ersetzt. Der Blick nach oben, so der Bürgermeister, werde ihm tatsächlich fehlen. Doch das kann er sich jetzt leisten.