Schon vor Wochen war den einzelnen Kommunen mitgeteilt worden, wer wie viel aus dem großen Konjunkturpaket bekommt. Der größte Teil des Geldes soll in die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude fließen - Wärmedämmung hauptsächlich in Schulen und Kindergärten. Doch wer glaubt, dass mit dem Startschuss auch die wirtschaftliche Hilfe für Betriebe unmittelbar anrollt, der irrt. Zum einen wissen viele Städte noch gar nicht genau, was sie eigentlich sanieren wollen. Aber auch die, die ihre Projekte schon parat haben, müssen jetzt erstmal den Amtsweg antreten.
Ladbergen: Schulen müssen warten
So wird sich beispielsweise im kleinen Ladbergen, der NRW-Gemeinde mit der geringsten Investitionshilfe (406.363 Euro), am Stichtag wenig tun. Zwar steht hier schon ganz klar fest, dass es die zwei örtlichen Turnhallen sind, die saniert werden sollen - in diesem Jahr die eine, im nächsten die andere - aber auch in Ladbergen rechnet man mit einer Auftragsvergabe frühestens im Mai. "Bevor wir nicht den Bewilligungsbescheid vom Land haben, werden wir keinen Auftrag vergeben", sagt Bürgermeister Wolfgang Menebröcker. Mit dem Bewilligungsbescheid bekommen die Kommunen die ihnen zugeteilte Summe vom NRW-Innenministerium noch mal bestätigt.
Ohne Bewilligungsbescheid geht gar nichts
Tatsächlich müssen die Gemeinden diesen Bescheid abwarten, bevor sie ihr Geld abrufen, bestätigt Anette Henneböhle, Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Die Schreiben würden in den nächsten Tagen an die Kommunen verschickt. Und sie wundert sich: "Die Kommunen wissen, dass sie laut Bundesgesetz schon seit dem 27. Januar 2009 ihre Aufträge vergeben können, unabhängig davon, dass erst seit heute das Geld abgerufen werden kann." Die Kommunen, so Henneböhle, hätten "frühzeitig Planungssicherheit gehabt". Dass es dennoch bisher offenbar keine Kommune NRWs gewagt hat, Aufträge im Rahmen des Konjunkturpakets zu vergeben, könne sie nicht nachvollziehen.
Ärger bei den Kommunen
"Solche Feststellungen sind eine Unverschämtheit", empört sich Ladbergens Bürgermeister Menebröcker, "solange ich nicht die klare Zusage vom Land habe, werde ich den Teufel tun, auch nur einen Euro auszugeben." Allein die Verwendung der Gelder sei so lange strittig gewesen, dass wohl kein Verwaltungschef schon im Januar Firmen beauftragt hätte. Über den gesamten Ablauf ist der Münsterländer empört: "In 32 Verwaltungsjahren habe ich nicht solch ein Durcheinander erlebt wie jetzt zum Thema Konjunkturpaket."
Dass viele Kommunen bisher abgewartet haben, hat noch einen weiteren Grund: Erst jetzt ist beim NRW-Innenministerium die Datenbank eröffnet, in die die Kommunen eintragen müssen, wo sie investieren möchten und was das kosten wird. Das benötigte Geld werde dann beim Bund eingefordert, erklärt Sprecherin Henneböhle. Ist es schließlich überwiesen, müsse die Summe allerdings auch innerhalb von acht Wochen ausgegeben werden.
Köln: Vorschläge erst in die Ratssitzung
Doch der Zeitverlust wird dadurch noch größer, dass einige Städte sich noch gar nicht einig sind darüber, welche Projekte sie realisieren wollen. In Köln beispielsweise, der Stadt, die mit 100 Millionen Euro den größten Batzen aus dem Konjunkturpaket bekommt, gibt es zwar schon eine Liste der Bauten, die saniert werden sollen. "Diese Maßnahmen müssen aber in der nächsten Ratssitzung am 5. Mai erst vorgelegt werden", sagt Stadtsprecherin Simone Winkelhog. Wann dann die ersten Aufträge vergeben werden, könne man jetzt noch nicht sagen.
"Vor Juli keine neuen Aufträge"
Bei den Baugewerblichen Verbänden NRW, einem Zusammenschluss aus Handwerkerverbänden aller Bereiche, sieht man diesen Realitäten gefasst ins Auge. "Vor Juli", sagt Hauptgeschäftsführer Lutz Pollmann, "rechnen wir nicht mit neuen Aufträgen für das Handwerk". Positiv sei auf jeden Fall, dass die strengen Vorschriften für die Ausschreibung öffentlicher Arbeiten für das Konjunkturpaket II gelockert worden sind. So muss eine Kommune die anstehenden Arbeiten bis zu einer Million Euro ausnahmsweise nicht europaweit ausschreiben, sondern kann Unternehmen aus der Region beauftragen. In einem Präqualifikationsverfahren konnten sich Handwerksbetriebe vorab bewerben, indem sie ihre Qualifikation, ihre Ausstattung und Seriosität nachwiesen. Kommunen können aus diesen Bewerbern nun gezielt eine Auswahl für ihre Ausschreibungen treffen.
"Für manchen Betrieb wird es verdammt eng"
"Von den 5.000 Mitgliedsbetrieben unseres Verbands ist mir keiner bekannt, der schon mit einem Auftrag rechnet", sagt Pollmann. Dass viele Kommunen jetzt offenbar noch reichlich Zeit brauchen, um konkrete Projekte an den Start zu bringen, sei "bedauerlich". Die meisten Handwerksbetriebe hätten seit Januar kaum noch Aufträge, laufende Projekte seien inzwischen abgearbeitet. "Wenn der Anschub erst im Juni, Juli kommt, ist das viel zu spät. Für viele wird es dann verdammt eng." Andererseits zeigt Pollmann Verständnis dafür, dass der Amtsweg insgesamt offenbar nicht im Hauruck-Verfahren zu nehmen ist. Er zählt auf: Zuerst die Bestandsaufnahme der kommunalen Gebäude, dann die Beschlussfassung, das Ausschreibungsverfahren, eventuell sogar Baugenehmigungen, die abgewartet werden müssen - "das alles dauert nun mal länger, als wir es uns wünschen."
Verband sieht Mittelstand ausgeschlossen
Bittere Kritik am Konjunkturpaket II kommt vom Bauindustrieverband NRW. "Ausgerechnet das Rückgrat unserer Wirtschaft, nämlich die mittelständischen Unternehmen, profitieren kaum von dieser Unterstützung", sagt Verbandssprecher Jürgen Michels: Die meisten Städte hätten angekündigt, das Geld in die energetische Sanierung ihrer Schulen und öffentlichen Gebäude zu investieren. "Das bedeutet Aufträge für kleine bis kleinste Handwerkerbetriebe." Für mittelständische Betriebe, laut Definition Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern, würden sich nur Neubauten lohnen. "Wenn in einer Schule eine Toilette erneuert werden muss, macht das ein Kleinbetrieb. Für einen mittelständischen Betrieb müssten es schon 50 Toiletten sein, damit sich der Auftrag lohnt." Der Mittelstand, fasst Michels zusammen, sei damit vom Konjunkturpaket ausgeschlossen.