"Wir werfen nicht mit Obst, keine Sorge", ruft Rainer Einenkel. "Wir brauchen keine Wurfgeschosse, wir haben Argumente", fügt der Betriebratsvorsitzende von Opel Bochum hinzu und erntet trotz des ernsten Anlasses einige Lacher von seinen rund 3.500 Zuhörern. Zu sehen ist er bei seiner Begrüßungsrede nicht. Die außerordentliche Betriebsversammlung findet zumindestens optisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Unternehmensleitung hat den Versammlungsort mit schwarzen Vorhängen blickdicht abgeschirmt. Für alle ohne Werksausweis bleibt die mit Spannung erwartete Veranstaltung ein reines Hörspiel. Auch Einenkels Ankündigung, dass die gesamte deutsche Opel-Belegschaft gegen den Mutterkonzern General Motors aufstehen werde, wenn sich die Gerüchte bestätigen und tatsächlich das Bochumer Werk geschlossen und die Produktion nach Rüsselsheim verlegt wird. "Wir werden zusammenhalten! Wir werden dieses schmutzige Spiel niemals mitmachen!"
Eisiges Schweigen bei der Belegschaft
Dann tritt Opel-Chef Stracke ans Mikrofon. Niemals habe der Vorstand den Rüsselsheimer Betriebsräten als Ausgleich für die Verlegung der Astra-Montage die Bochumer Zafira-Produktion in Aussicht gestellt, sagt er. "In meiner Gegenwart wurde so etwas niemals angeboten." Sein Dementi wird mit eisigem Schweigen quittiert. Auch als er beteuert, dass noch keine Entscheidung über die Zukunft des Opel-Werks Bochum gefallen sei, bleibt das Publikum still. Erst am 28. Juni werde sich der Aufsichtsrat treffen und das "Gesamtkonzept zu den europäischen Werken" vorstellen, präzisiert er. "Auch über Bochum." Konkreter wird Stracke in seiner kurzen Rede nicht. Ein klares Bekenntnis zum Standort Bochum, auf das hier alle so dringend warten, ist seinen Worten nicht zu entnehmen.
Kraft: "So verkauft man hier keine Autos"
"Ich hatte hier gehofft, etwas mehr Klarheit zu bekommen", meint Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die direkt nach dem Opel-Chef ans Rednerpult tritt. "Zu sagen, dass es noch keine Planung gibt, bringt uns nicht weiter." Sie erinnert auch an die große Kaufkraft der nordrhein-westfälischen Bevölkerung. "Wenn immer wieder das Totenlied auf diesen Standort gesungen wird - so verkauft man hier keine Autos!" Zusammen mit den anderen Ministerpräsidenten betroffener Länder werde sie nun das Gespräch mit den Verantwortlichen bei Opel und GM suchen. Weder die Belegschaften noch die Länder ließen sich auseinanderdividieren. "Es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze."
"Viel geredet, nichts gesagt"
Sowohl Kraft als auch Stracke haben sich kurz darauf mit Verweis auf andere Termine schon verabschiedet. Auf der Versammlung sprechen sich Vertreter der Arbeiterschaft noch lange gegenseitig Mut zu. Doch trotz aller kämpferischen Parolen - die Stimmung bleibt gedrückt. "Ich dachte, wenn Stracke schon hierher kommt, hat er ein bisschen mehr Mumm in den Knochen", klagt Betriebsrat Carsten Adametz. Der Opel-Chef habe viel geredet und nichts gesagt. "Die Leute sind richtig fertig mit den Nerven." Ein anderer Opelaner lässt seinem Ärger freien Lauf: "Die können mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass sie vier Wochen vor dem Termin noch keine Entscheidung getroffen haben. Ab heute sehe ich wirklich schwarz."
Opel in Deutschland
Arbeiter: "Dann hätte die Bude gebrannt"
Erst nach langen vier Stunden ist die Betriebsversammlung vorbei. Die Arbeiter drängen sich durch das Werkstor. Reden möchten nur die wenigsten und ihren Namen nennen schon gar nicht. "Mein Kommentar? Alles Scheiße", sagt ein Mann, auf dessen T-Shirt "Wir bleiben Bochum" zu lesen ist. "Ich hab' mir schon gedacht, dass es heute nichts Neues gibt", sagt ein 53-jähriger Maschinenschlosser, der seit 1983 bei Opel arbeitet. Auf ihn warte jetzt eine Zeit der nackten Existenzangst. "Ich finde doch nichts Neues, in meinem Alter." "Der Stracke ist einfach nur feige", findet ein 52-jähriger Monteur. "Aber klar. Hätte der heute das Ende verkündet, hätte die Bude gebrannt. Der macht das schön von Rüsselsheim aus, in ein paar Wochen."