Was heute irgendwo auf der Welt ins Netz gestellt wird, kann in der Regel "bis auf weiteres" abgerufen werden. Was einmal veröffentlicht wurde, vergrößert die universelle Bibliothek im Netz. Jeder Mensch mit Internet-Anschluss hat so freien Zugang zu vielfältigen Informationen, zu Entwicklungen aktueller und vergangener Ereignisse überall auf der Welt, im Land oder vor der Haustür.
Für die öffentlich-rechtlichen Onlineangebote gilt das künftig eingeschränkt. Denn nur ein Bruchteil der Inhalte, die erhalten werden könnten, darf auch im Netz bleiben. So sind dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Jahr 2009 enge Grenzen im Internet gesetzt worden. Seitdem regelt der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, dass in gebührenfinanzierten Angeboten viele Inhalte verboten sind und die erlaubten nur noch für begrenzte Zeit online bleiben dürfen.
Gesetz stellt Gebührenzahler schlechter
Alle WDR-Online-Inhalte haben seit Inkrafttreten der neuen Regelungen am 01. Juni 2009 eine "Verweildauer". Das heißt: Sie dürfen nur noch für eine bestimmte Frist im Netz bleiben. Bei vielen Inhalten ist diese Verweildauer ein Jahr. Eine Vielzahl von aktuellen Fernsehsendungen (wie etwa die Aktuelle Stunde und die Lokalzeit-Sendungen) bleibt als komplette Sendung nur sieben Tage "on demand" abrufbar. Wenige ausgewählte Einzelbeiträge dürfen bis zu einem Jahr im Netz bleiben. Inhalte aus dem Themenfeld Bildung werden nach fünf Jahren gelöscht. Nur bei zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten gibt es eine Ausnahme: Die dürfen unbefristet in einem eigens auszuweisenden Archiv online bleiben. Kennzeichen ist /archiv/ auch als Bestandteil der URL dieses Dokuments. Die Einzelheiten sind im Verweildauerkonzept geregelt - einem Teil des Telemedienkonzeptes. Die Erstellung dieser Konzepte schreibt der Rundfunkstaatsvertrag vor.
Verweildauerkonzept
Details, wie lange WDR-Inhalte in Zukunft online bleiben dürfen, sind im Verweildauerkonzept festgelegt. Es ist Teil der Telemedienkonzepte, die der WDR 2009 dem Rundfunkrat vorgelegt hat. Dieser hat in einem sogenannten Dreistufentest zu prüfen, ob die Telemedien des WDR - dazu zählen Onlineangebote und der WDR Videotext - dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen, welchen qualitativen Beitrag sie zum publizistischen Wettbewerb leisten und welcher finanzielle Aufwand dafür erforderlich ist.
Insgesamt fünf Telemedienkonzepte hat der WDR dem Rundfunkrat zur Genehmigung vorgelegt, darunter die für WDR.de, WDR Videotext und die ARD-Gemeinschaftsangebote Sportschau.de und Einsfestival.de. Die Entscheidung des Rundfunkrates zu den Telemedienkonzepten von WDR-Online und WDR Videotext ist am Mittwoch, am 19. Mai 2010, erfolgt.
Verlage öffnen ihre Archive
Während viele Verlage damit beginnen, ihre Archive für die Allgemeinheit zu öffnen, muss der WDR den größten Teil seines mit Gebührenmitteln erstellten Online-Archivs löschen. Betroffen sind 80 bis 90 Prozent der Inhalte. Zusätzlich problematisch: Auch das Löschen kostet Geld, denn es muss eigens organisiert und programmiert werden. Da die Budgets in den Telemedienkonzepten gedeckelt sind, gehen die Lösch-Kosten zu Lasten neuer Inhalte.
WDR.de berichtet seit dem Jahr 2000 aktuell, programmbegleitend aus und für Nordrhein-Westfalen. Nachrichten, Hintergrund-Berichte, multimediale Reportagen, Fotogalerien - fast alles aus neun Jahren WDR.de muss nun gelöscht werden.
Detaillierte Verbotsliste
Bereits zum 31. Mai 2009 mussten viele Inhalte aus dem Online-Angebot entfernt werden: Ratgeberportale, Berechnungsprogramme und Branchenverzeichnisse, Spiele ohne Sendungsbezug und eine Reihe weiterer Inhalte sind seither im WDR-Internet verboten, ebenso wie in allen anderen öffentlich-rechtlichen Internetangeboten - und im Videotext, denn auch für die Teletexte gilt der Staatsvertrag.
Diese Verbote sind in der so genannten Negativliste, einer Anlage des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, aufgeführt. Betroffen waren unter anderem der 1LIVE Liebesalarm, die Urteilsdatenbank des ARD Ratgebers Recht, das virtuelle Tierheim des WDR Fernsehens sowie die virtuelle Zimmer frei-WG oder der Glückwunsch-Service des Videotextes.
Viele Serviceinhalte verschwinden
Bedingt durch das Verweildauerkonzept wird nun das Online-Angebot des WDR weiter ausgedünnt. Bei populären Inhalten wie der "Servicezeit" gehen so viele tausend Tipps verloren. Auch viele zehntausend Seiten aus der aktuellen Hörfunk-Berichterstattung, deren journalistische Bedeutung teilweise weit über die Zeitgrenze von zwölf Monaten hinausreicht, sind nicht mehr verfügbar. Das ist bei Themen von landesweiter oder bundesweiter Bedeutung besonders bedauerlich. Aber auch viele Kulturfreunde werden enttäuscht sein, wenn sie nicht mehr wie gewohnt Konzert-Berichte, CD-Rezensionen oder Buchtipps finden.
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