Hohe Mauern, kleine Fenster, bewaffnete Polizisten vor der Tür und im Saal des Oberlandesgerichts Düsseldorf: Auch am 60. Verhandlungstag ist Hochsicherheit angeordnet. Die Angeklagten der sogenannten Sauerland-Gruppe sitzen abgeschirmt hinter Glasscheiben. 30 Meter entfernt sitzen ihnen erhöht die Ankläger der Bundesanwaltschaft gegenüber. Vor dem Staatsschutzsenat haben am Dienstag (09.02.2010) die Verteidiger von Fritz G., dem mutmaßlichen Rädelsführer, für ihr Plädoyer das Wort. Ihr Mandant wird während des gesamten dreistündigen Plädoyers nur unbewegt in den Saal blicken.
Dirk Uden, der Verteidiger von Fritz G., ist Realist. "Mein Mandant wird nicht freigesprochen", sagte der erfahrene Rechtsanwalt aus Karlsruhe am 60. Verhandlungstag im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Aber ist es wirklich realistisch, was Uden über Fritz G. am Dienstag (09.02.2010) dem noch hinzufügte? "Ich habe einen zornigen, jungen Mann kennengelernt, der seinen Glauben sehr ernst nahm und für den bewaffneten Kampf war. Heute kann er das nicht mehr nachvollziehen. Er hat dem Terror abgeschworen."
Bundesanwalt: Keine Reue bei Fritz G.
Dies hatte in der Vorwoche der Bundesanwalt Volker Brinkmann noch anders gesehen. Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie der Verabredung zum Mord und der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens hatte der Ankläger für den 30-jährigen Fritz G. zwölfeinhalb Jahre Haft gefordert. Denn Fritz G. sei "Motor des Geschehens" gewesen. Bei Sprengstoffanschlägen sollten mindestens 150 Menschen, vornehmlich US-Bürger, in Deutschland getötet werden. Den Auftrag hatte die usbekische Terrorvereinigung IJU (Islamische Dschihad Union) gegeben. Adem Y., Attila S. und Daniel S. sollten unter Leitung von Fritz G. diesen Auftrag ausführen - davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Die vier Mitglieder der Sauerland-Gruppe hatten sich im Juni 2009 überraschend entschlossen, umfassend auszusagen. Das Gericht hatte durchblicken lassen, dies bei der Strafhöhe honorieren zu wollen.
"Ein junger Mann aus der Ulmer Gartenzaunidylle"
Bei ihren Ausführungen nahmen die Verteidiger Dirk Uden und Hannes Linke lediglich Bezug auf die von der Bundesanwaltschaft in Abrede gestellte Reue von Fritz G. und die nach ihrer Ansicht viel zu hohe Strafe. "Wieso entschließt sich ein junger Mann aus der Ulmer Gartenzaunidylle zum bewaffneten Kampf gegen Ungläubige? Diese Frage wird gar nicht mehr gestellt", beklagte Uden. Noch einmal zählte er auf, dass G. durch den Kampf der USA gegen Islamisten sich entschloss, zum Kämpfer zu werden, nachdem er bereits mit 16 Jahren konvertiert war. Dem habe er jedoch abgeschworen. "Er wird künftig keine Rechtsbrüche mehr begehen. Denn er hat umfassend gestanden. Was soll er denn noch tun?", sagte Uden und hob dabei beschwörend die Hände.
Verteidiger fordern Freiheitsstrafe unter zehn Jahren
Verteidiger Hannes Linke, ebenfalls aus Karlsruhe, bemängelte, dass Fritz G. nicht gedankt werde, gestanden zu haben. "Er hat dem Gericht Ressourcen gespart und Ermittlern wertvolle Hinweise gegeben, wie künftige Terrorakte verhindert werden können. Und er war auch kein Rädelsführer, sondern höchstens ein Klassensprecher." Normalerweise müsse ein Strafverfolger einen "Handkuss" für derart wichtige Informationen geben. "So ein Handkuss muss aber mehr wert sein als ein Strafantrag von zwölfeinhalb Jahren." Der wahre Rädelsführer sei ein Anführer der IJU, der die Anschlagsaufträge gegeben habe. Linke erinnerte das Gericht und den Bundesanwalt Volker Brinkmann auch daran, dass beim Urteil gegen die Männer, die 2003 wegen eines geplanten Anschlags auf den Straßburger Weihnachtsmarkt vor Gericht standen, mildere Strafen ausgesprochen wurden. Linke endete nach etwa 90 Minuten mit der Forderung: "Ich beantrage eine wirklich angemessene Strafe. Ich beantrage einstellig."
Das Urteil soll am 4. März erfolgen. Bis dahin haben noch die Verteidiger der weiteren drei Angeklagten die Möglichkeit zum Plädoyer und die Angeklagten das letzte Wort. Der Prozess wird am Mittwoch (10.02.2010) mit dem Plädoyer des Verteidigers von Adem Y. fortgesetzt.