Drei der vier mutmaßlichen Bombenbauer sitzen am Mittwoch (22.04.2009) zu Beginn der Verhandlung ruhig auf der Anklagebank, nur einer fällt aus der Reihe. Der heute 30-jährige Adem Y. will trotz mehrmaliger Aufforderung zur Vereidigung der Dolmetscher nicht aufstehen. "Ich stehe nur für Allah auf", brüllt er in den Gerichtsaal und bleibt demonstrativ lässig auf seinem Stuhl sitzen. Richter Ottmar Breidling wertet das als Provokation und kündigt die Verhängung einer Ordnungshaftstrafe an. Adem Y. bleibt trotzdem sitzen. Das angedrohte Strafmaß von drei Tagen ist allerdings auch nicht wirklich beeindruckend, immerhin droht Adem Y. in diesem Prozess eine 15-jährige Haftstrafe. Auch beim Eintritt des Gerichts in den Saal, bleibt der 30-Jährige später immer wieder konsequent sitzen. Seine Verteidigerin erklärt, Adem Y. sei aus religiösen Gründen nicht aufgestanden. Er sei der Auffasung, dass er vor niemanden aufstehen müsse, "außer vor Gott."
Den vier Angeklagten wird vorgeworfen, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein und mindestens drei Autobombenanschläge in Deutschland geplant zu haben. Je nach Beteiligung droht ihnen eine Strafe zwischen zehn Jahren und lebenslanger Haft.
40 Seiten Anklageschrift
Die Ermittler zeichnen in der Anklageschrift haarklein nach, wie die Vier ihre Tat vorbereitet haben sollen. Die Staatsanwaltschaft hat beispielsweise genau erforscht, in welchen Geschäften der Dortmunder Innenstadt die Angeklagten Elektronikbauteile eingekauft haben. Sie kann detailliert nachweisen, wann und wie die Männer die Anleitung zum Bombenbau erhalten haben. Auf das Ferienhaus im sauerländischen Oberschledorn als Standort für ihr improvisiertes Sprengstoff-Labor, sind die Männer offenbar eher zufällig bei einer Internetrecherche gestoßen.
Außenstelle der Islamischen Dschihad Union
Die Ermittler vermuten, dass der 29-jährige Fritz G. der Rädelsführer der Sauerlandgruppe war. Diese Organisation sei so etwas wie eine "deutsche Außenstelle" der Terrororganisation Islamische Dschihad Union (IJU) gewesen. Fritz G. soll in Deutschland für die IJU auch Nachwuchskräfte angeworben und nach Pakistan geschleust haben. Er selbst hat nach Informationen der Ermittler ein Ausbildungslager nahe Afghanistan besucht.
Laut Anklageschrift soll er seinen Mittätern vorgerechnet haben: "Wenn jeder 50 Leute tötet, sind das 150 Tote." Die Gruppe soll mindestens drei Anschläge vorbereitet haben. Als Ziel der Autobomben sollen vorwiegend amerikanische Einrichtungen und Diskotheken im Rhein-Main-Gebiet geplant gewesen sein. Aber auch in Düsseldorf, Köln und Dortmund hätten die Angeklagten sich nach Zielen umgesehen.
E-Mail-Postfächer als "tote Briefkästen"
Volker Brinkmann, der Chefankläger der Bundesanwaltschaft, erklärte, die Angeklagten hätten ein sehr "konspiratives Kommunikationsverhalten" gehabt. Sie hätten immer wieder neue E-Mail-Adressen angemeldet, darüber aber gar keine Mails verschickt. Stattdessen hätten sie ihre Nachrichten nur als "Entwürfe" zwischengespeichert. Weil aber alle Mitglieder der Sauerlandgruppe die Passwörter zu den E-Mail-Postfächern gehabt hätten, seien die Informationen so weitergegeben worden. Auch die Bauanleitung für die Bomben sei den Männern so aus Pakistan zugestellt worden. Dieses Verfahren hätten die Angeklagten in Ausbildungslagern der IJU gelernt und es für "abhörsicher" gehalten.
Die Anklageschrift beweist das Gegenteil. Dort ist festgehalten, dass alleine Fritz G. sich 216 mal bei diesen konspirativen E-Mail-Postfächern angemeldet hat, von insgesamt 68 verschiedenen Internet-Cafes aus. 110 mal hat er sich über ungesicherte Funknetzwerke eingeloggt.
Bei diesem Detailreichtum ist klar, dass es noch lange dauern wird, bis ein Urteil gesprochen wird. Der große Gerichtssaal im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ist an den Wänden gesäumt mit den Prozessunterlagen. In 530 Ordnern haben die Ermittler das gesammelte Wissen für diesen Prozess abgelegt.
Verteidiger: Beweise nicht verwertbar
Die Verteidiger versuchen unterdessen die Anklage der Bundesanwaltschaft auseinander zu nehmen. Viele Informationen seien "unter Missachtung des verfassungsrechtlich verankerten Trennungsgebotes" an die Polizei weitergegeben worden, heißt es in einer Erklärung. Nach der Verlesung der Anklage duellieren sich die acht Verteidiger und der Vorsitzende Richter mit Anträgen und deren Ablehnung. Ob tatsächlich jeder Antrag der Verteidiger ernst gemeint ist, darf bezweifelt werden. Der verbale Schlagabtausch gipfelt darin, dass ein Verteidiger beantragt rund 200 kopierte Seiten aus einem Aktenordner vorzulesen. Das Gericht lehnt diesen, wie viele andere Anträge ab.
Der Prozess wird am Donnerstag (23.04.2009) mit der Vernehmung der ersten Zeugen fortgesetzt. Wann das Urteil gesprochen wird, ist noch völlig offen.