"Es ist relativ warm, neun Grad" - damit überrascht Taucher Gerrit Hochmuth die wartenden Journalisten, als er am Montagmittag (03.01.2011) aus der mit Grundwasser gefüllten Grube steigt. Schlamm läuft an seinem Anzug herunter. Unter seinen Schritten schmatzt der Matsch. Der Krater, in den das Stadtarchiv 2009 gestürzt ist, wurde mittlerweile zu allen Seiten abgestützt. Übrig geblieben ist eine Baugrube von etwa fünf mal zehn Metern Größe, gefüllt mit Grundwasser, Archivalien, Schlamm und Trümmern.
Drei Taucher wechseln sich am Montag ab. Die Männer können bis zu einer Tiefe von etwa zwölf Metern in die Grube hinab tauchen. "Wir müssen mit den Fingern sehen", erklärt der 32-Jährige seine Arbeit unter Wasser. Besonders schwierig sei dabei, dass sich auf allen Teilen Schlick abgesetzt habe, der das Tasten und Greifen zusätzlich erschwere. Einerseits erkundet Gerrit Hochmuth die Trümmer, andererseits sucht er aber auch nach Archivalien. Bis zum Mittag hat er bereits verschiedene Schränke ertasten und deren Lage bestimmen können. Gelegentlich hält er auch plötzlich ein Buch oder eine Akte in der Hand. Die bringt er dann sofort an die Oberfläche.
Einsatz "eher riskant"
Am Vormittag hat es an der Baustelle noch geschneit. Dank Neoprenanzug ist die Temperatur aber kein Problem für den Taucher. Auch, dass es schon einen halben Meter unter der Wasseroberfläche "null Sicht" gibt, ist für den Bautaucher nichts Außergewöhnliches. Sorgen machen ihm die teils tonnenschweren Trümmer und spitze Eisenteile, die "einfach kreuz und quer liegen" und die der Taucher nur ertasten kann. Gleichzeitig muss er darauf achten, dass er mit seiner Rettungsleine nicht irgendwo hängen bleibt. Insgesamt schätzt er seinen Einsatz als "eher riskant" ein, besonders weil nicht klar sei, ob sich die Trümmer noch einmal bewegen. "Was nicht geht, das geht halt nicht." Natürlich hat die Sicherheit oberste Priorität.
Bis Ende Januar alles geborgen?
Sobald Archivalien in der Grube gefunden werden, beginnt ein mittlerweile routiniert ablaufender Arbeitsprozess: Die Akten werden in ein großes Zelt gebracht, unter fließendem Wasser abgespült, in eine Art Frischhaltefolie eingewickelt und anschließend eingefroren. "Nur so kann verhindert werden, dass Organismen die Papiere weiter zerstören", erklärt Bettina Schmidt-Czaia, die Leiterin des Kölner Stadtarchivs.
Seit dem Einsturz am 3. März 2009 sind etwa 90 Prozent der Bestände geborgen worden. Fünf Prozent gelten als komplett verloren. Die restlichen fünf Prozent bergen die Archivare seit Ende November 2010 aus dem Grundwasser. Etwa ein Drittel des noch vermissten Archivgutes ist seither gefunden worden. Wie lange die Bergung der restlichen Unterlagen dauern wird, sei schwierig abzuschätzen. "Wir hoffen aber doch, dass wir Ende Januar mal ein Ende sehen", so Bettina Schmidt-Czaia.
30 bis 40 Jahre für die Restaurierung
Die gefrorenen Fundstücke sollen ab Frühjahr 2011 im angemieteten Lager eines Möbelhauses gesichtet und restauriert werden. Bis 2015 will die Stadt Köln ein neues Gebäude für das Stadtarchiv gebaut haben. Bei der Eröffnung wird dort aber nur etwa ein Viertel des ehemaligen Bestandes nutzbar sein. Bettina Schmidt-Czaia rechnet damit, dass es etwa 30 bis 40 Jahre dauert, bis alle geborgenen Archivalien wiederhergestellt sind.
Taucher auch persönlich betroffen
Die Taucher sollen in den nächsten Tagen an Trümmern und den gefundenen Schränken Befestigungen anbringen, so dass ein Kran die großen Teile aus dem Wasser ziehen kann. Für Taucher Gerrit Hochmuth ein spannender Einsatz. Er hat auch persönliches Interesse an der Bergung der Dokumente. Immerhin lagerten im Kölner Stadtarchiv auch Dokumente über das denkmalgeschützte Haus, in dem der 32-Jährige in Leichlingen (bei Langenfeld) wohnt.