"Das Wort klingt antiquiert, aber mit mehr Anstand hätte der Archiveinsturz verhindert werden können", glaubt der Kölner Frank Deja. Als am 3. März 2009 gegen 14 Uhr die schweren Betonmauern des Stadtarchivs nach vorne kippen, ist das nicht nur der Beginn einer tagelangen nervenaufreibenden Suche nach den Verschütteten, einer noch Jahre dauernden Aufarbeitung von Archivalien - es ist auch der Startschuss für die Initiative "Köln kann auch anders".
"Das war eine Zäsur. Von jahrelangem Kopfschütteln, zu blankem Entsetzen und dem Gefühl: Jetzt reicht's!", so Frank Deja. Bei einem Abendessen mit Freunden kommt die Frage auf, ob man tatsächlich "eh nichts machen kann". Die Runde beschließt, gegen Kölner Klüngelwirtschaft und verantwortungslose Politiker auf die Straße zu gehen.
Treffpunkt: Montags vorm Rathaus
Seitdem treffen sie sich jeden Montag vor dem historischen Rathaus, um zu demonstrieren. Anfangs zum Beispiel mit der Forderung, Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) solle zurücktreten. "Und zwar nicht weil wir eine Anti-Schramma-Initiative sind, sondern weil er als Chef der Verwaltung Verantwortung übernehmen muss", so Frank Deja. Die Ziele der Demonstranten: Transparenz, Verantwortung und Korruptionsbekämpfung im Rathaus. Und das nicht nur bei der Aufklärung des Archiveinsturzes, sondern generell. Mehr als 400 Unterstützer haben sich 2009 der Initiative angeschlossen. "Junge, wie alte und sie kommen aus allen politischen Lagern. Und alle sehen ihr Gefühl für Anstand durch die Kölner Politik verletzt."
So auch im November 2009, als die Kölner CDU den ehemaligen Bürgermeister Schramma als "externen Experten" in den Aufsichtsrat der Kölner Messe hieven wollte. Und das, obwohl er während seiner Amtszeit in Doppelfunktion als Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der Messegesellschaft Entscheidungen getroffen haben soll, die die Stadt mehrere hundert Millionen Euro kosten werden. Die Initiative demonstrierte, und Schramma verzichtete schließlich auch auf den Posten. "Dass das letztlich gescheitert ist, können wir uns wohl mit auf die Fahnen schreiben", so Frank Deja. "Wir haben auf jeden Fall mit dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeit das erfahren hat."
Wie geht's 2010 weiter?
Von einer "Welle der Unterstützung" angetrieben, will Frank Deja auch im kommenden Jahr wieder vor dem Rathaus demonstrieren: "Wenn konkrete Dinge passieren, die unsere Ziele verletzten, werden wir Aktionen dagegen starten." Zudem soll es einen Kongress zum Thema Korruption geben, und zum Jahrestag (3. März) des Archiveinsturzes wird die Initiative der Opfer gedenken. "Außerdem wollen wir darauf hinweisen, wer für den Einsturz verantwortlich ist." Vor dem Rathaus sollen dann Schauspieler eine Ratssitzung aus dem Jahr 1992 nachspielen. Die Sitzung, bei der die Entscheidung zum Bau der neuen U-Bahn getroffen wurde. "Die damaligen Äußerungen sind aus heutiger Sicht absurd. Das ist Realsatire!"