Vor Kardinälen im Konsistorium in Rom erklärte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Vormittag seinen Entschluss in lateinischer Sprache: Um das "Schifflein Petri zu steuern", habe es ihm bereits in den vergangenen Monaten sowohl an körperlicher als auch an geistiger Kraft gefehlt, erklärte der 85-Jährige. Ab 28. Februar um 20.00 sei der Stuhl des Heiligen Petrus vakant.
Überraschung bei den Verbänden
Bei den kirchlichen Verbänden herrschte offenbar erstmal sprachlose Überraschung über die Nachricht, die vielerorts mitten in den Trubel des Rosenmontagskarnevals platzte. Anrufer bei der Pressestelle des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in Bonn hörten auch Stunden nach Veröffentlichung der Nachricht nur ein "Alaaf" vom Band – das Büro des ZdK sei erst am Veilchendienstag wieder besetzt. Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne), die auch Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist, erklärte: "Die Begründung von Papst Benedikt, dass ihm die Kraft fehle, das Amt angemessen auszuüben, zeugt von einem besonders verantwortungsvollen Amtsverständnis".
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bezeichnete die Entscheidung von Benedikt am Nachmittag als "mutigen Schritt". Sie wünsche ihm "alles Gute und der katholischen Kirche, dass sie bei der Nachfolge schnell eine gute Entscheidung treffen wird, denn sie steht vor großen Herausforderungen".
Hoffnung auf Neuanfang
Als eine der ersten meldete sich mittags die katholische Laienorganisationen "Wir sind Kirche" zu Wort: Nach dem Rückzug von Papst Benedikt XVI. hoffe man auf einen Neuanfang, sagte Referentin Annegret Laakmann. Man werde sich international abstimmen und Anforderungen an einen neuen Papst formulieren, "der Antworten auf die Anforderungen der Zeit gibt". "Wir sind Kirche" versteht sich als innerkirchliche Reformbewegung, die sich für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils einsetzt.
"Passt nicht in unsere Lebenswelt"
Vor allem bei jungen Katholiken galt Papst Benedikt XVI. nach seiner Ernennung im April 2005 zunächst als umjubelter Hoffnungsträger. Die anfängliche Euphorie legte sich aber bald, nachdem Ratzinger sich durch verschiedene Äußerungen als Vertreter der konservativeren Linie erwies. Dennoch zeigt sich nun auch der Bund der katholischen Jugend (BDKJ) äußert überrascht: "Selber festzustellen, dass die Kraft nicht mehr reicht, ist ein mutiger Schritt, dem wir höchsten Respekt zollen", sagte BDKJ-Sprecher Michael Kreuzfelder auf Anfrage von WDR.de. Viele junge Katholiken hätten inzwischen festgestellt, dass Benedikt XVI. mit seinen Ansichten "nicht in unsere Lebenswelt passt", fügt die NRW- Landesvorsitzende des BDKJ, Alexandra Horster, hinzu. Ein neuer Papst könne möglicherweise besser einen "Bezug zur Lebenswelt junger Leute" herstellen. Kritisch sehe der BDJK den derzeitigen Papst vor allem in seiner Haltung zur Rolle der Frau in der Gesellschaft und zu individuellen Lebensentwürfen - homosexuelle Partnerschaften, Beziehungen ohne Trauschein. Von einem neuen Papst wünsche man sich, dass "Lebenswirklichkeiten nicht kommentiert, sondern akzeptiert werden."
"Einer der gebildetsten Menschen"
Während die einen im vorzeitigen Rücktritt des umstrittenen Papstes auch Chancen sehen, ist durchweg überschwengliche Bewunderung von Seiten der Bischöfe zu hören: Als "wachen und ermutigenden Gesprächspartner, der zu den bedeutendsten Intellektuellen unserer Zeit zählt", bezeichnet der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker Papst Benedikt XVI.. Sein souveränes theologisches Wissen hätten die Kirche und weit darüber hinaus die Weltgemeinschaft bereichert.
Der Essener Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck nennt den scheidenden Papst gar "einen der gebildetsten und universal gelehrtesten Menschen der Welt". Mit der Entscheidung, von sich aus auf das Amt zu verzichten, zeige er, dass "alle kirchliche Macht endlich" sei. In einem persönlichen Gespräch habe der Papst ihm zudem einmal gesagt, wie stark ihn das Scheitern der Kirche im Missbrauchsskandal getroffen habe. Overbeck fiel auf, dass Benedikt für die Verkündung seiner Entscheidung den Welttag der Kranken gewählt habe, der an diesem Montag in der katholischen Kirche begangen wird. Dies könne ein Hinweis auf seine Situation sein, so der Ruhrbischof. "Seine Wahl kam überraschend, genauso jetzt sein Abtritt. Und auch viele seiner Äußerungen haben überrascht", sagte der Münsteraner Bischof Felix Genn.
"Warte noch vier Wochen"
Am späten Montagnachmittag äußerte sich schließlich auch der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner. Die Nachricht vom Rücktritt habe ihn mit tiefer Traurigkeit erfüllt. Noch vor vier Wochen habe er den Papst zum Abschlussgottesdienst des Eucharistischen Kongresses in Köln eingeladen. "Warte noch vier Wochen", habe Benedikt ihm geantwortet. Er habe nicht geahnt, warum. "Der heutige Tag brachte die Antwort." Papst Benedikt XVI. habe es "als oberster Hirte der Weltkirche nicht leicht" gehabt, sagte der für seine konservative Haltung oft kritisierte Erzbischof. Trotz seines Alters habe Benedikt die ganze Welt bereist, "um die Gemeinschaft zu stärken und zu festigen". Angesichts der Tatsache, dass das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes bereits im März stattfinden soll, stellte Meisner fest: "Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich so kurz vor meinem 80. Geburtstag noch einmal an einem Konklave teilnehmen muss." Meisner selbst hatte im Jahr 2008 als 75-Jähriger ein Rücktrittsgesuch als Kardinal an Papst Benedikt XVI. gestellt, das dieser aber ablehnte.
Evangelische Kirche Westfalen: Er hat "Profil gezeigt"
Auch die Evangelische Kirche von Westfalen meldete sich mit einem kurz gehaltenen Statement: Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. verdiene Respekt, erklärt Präses Annette Kurschus darin unter anderem, er habe "als Theologe Profil gezeigt". Bei aller kritischen Auseinandersetzung "besonders mit dem Selbstverständnis der katholischen Kirche" bleibe man "im gemeinsamen Auftrag verbunden". Hintergründig verweist Kurschus auf das Angelus-Gebet, das der Papst am Sonntag (10.02.2013) verlas, in dem es heißt, der "Ruf Gottes, das Evangelium weiterzusagen, fragt nicht nach der Qualität der Berufenen, sondern achtet auf ihren Glauben". Das bleibe das besondere Vermächtnis dieses Papstes.
Lob von Islam-Verband Ditib
Lob kommt unterdessen auch vom in Köln ansässigen Ditib, dem größten islamischen Dachverband in Deutschland, der den Papst als "Förderer des Dialogs unter den Religionen" würdigt. Benedikt habe die Bedeutung des interreligiösen Gesprächs immer wieder betont. Mit Gesprächen, die der Papst beim Weltjugendtag in Köln 2005 und 2011 in Berlin mit Ditib-Vertretern und anderen Muslimen führte, habe er gezeigt, dass Muslime selbstverständlich Teil der deutschen Gesellschaft seien: "So mahnte er die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland, beständig daran zu arbeiten, sich gegenseitig besser kennenzulernen und zu verstehen."
CDU: Ratzingers Thesen als Parteiprogramm
Die Nachricht vom Rücktritt des Papstes habe "viele Menschen in Deutschland und in NRW sehr bewegt", ließ der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet vermelden. Er erinnerte an den Besuch Benedikts XVI. in NRW anlässlich des Weltjugendtags in Köln, wo er von tausenden Jugendlichen gefeiert wurde und Begeisterung für den christlichen Glauben geweckt habe. "Sein Besuch in der Kölner Synagoge war für alle, die dabei waren, eine Stunde tiefer Bewegung", so Laschet. Er nannte Ratzinger einen "der großen Denker unserer Zeit", seine These, dass der Glaube nicht mit Gewalt, sondern nur mit Vernunft verbreitet werden dürfe, habe "Maßstäbe für den Dialog der Weltreligionen gesetzt". Die Schriften von Papst Benedikt XVI. würden für die Grundsatzprogrammberatung in der CDU NRWs ein "wichtige Begleiter" sein.
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