Er ist kein ganz Unbekannter, der neue Kölner Erzbischof - schließlich ist Woelki "ne kölsche Jung" und hat lange in der Domstadt gearbeitet. Und spätestens seit seiner Ernennung wird er ganz genau beobachtet: Nicht nur die Katholiken wollen wissen, was der Chef des größten deutschen Erzbistums eigentlich für ein Mensch ist. Also haben wir uns auf Spurensuche gemacht - mit Monsignore Ulrich Hennes aus Hilden. Der kennt den Erzbischof noch aus der Zeit, als der schlicht "Rainer Woelki" hieß und Theologie studierte, und ist immer in Kontakt mit ihm geblieben. Beim Festgottesdienst am Samstag (20.09.2014) feiert er mit - dafür hat er sogar eine Pilgerfahrt auf dem Jakobsweg verschoben. Ein Gespräch über den Kölner Dom in Berlin, Bescheidenheit als Grundhaltung und 99 Luftballons.
WDR.de: Als Kardinal Woelki von seiner Ernennung zum Erzbischof erfuhr, war seine erste Reaktion: "Ihr seid ja bekloppt!" Können Sie sich erinnern, was Sie gedacht haben?
Ulrich Hennes: Ich habe mich einfach riesig gefreut. Wir kennen ihn hier im Bistum, er hat eine gute Figur als Weihbischof gemacht, und endlich haben wir wieder einen Erzbischof aus den eigenen Reihen. Andererseits habe ich es nicht für möglich gehalten.
WDR.de: Warum das denn?
Hennes: Dass er nach so kurzer Zeit als Erzbischof wieder aus Berlin rausgezogen wird, wo er doch so vieles auf den Weg gebracht und so viele Hoffnungen geweckt hat bei Menschen, die sich den Herausforderungen der Zeit stellen wollen - das ist für Berlin schon ein Schock.
WDR.de: Für ihn kam das auch unerwartet.
Hennes: Ja, für ihn war Berlin so ein Ort, an dem er sich sehr wohl gefühlt hat, da geht er schweren Herzens weg. Aber trotzdem ist er auch in Berlin immer Rheinländer geblieben. Ich habe ihn letztes Jahr besucht, da war es nicht zu übersehen, dass da ein Kölner wohnt.
WDR.de: Wieso?
Hennes: Die Wohnungsbaugesellschaft, die seine Wohnung renoviert hat, hat an der Fassade gegenüber ein Bild vom Kölner Dom mit seinem Bischofswappen anbringen lassen. Die wollten ihm eine Freude machen, von wegen: "Et fehlt mir vom Balkon, die Aussicht auf den Dom." Er hat sie bekommen.
WDR.de: Sie kennen ihn schon so lange - wie lange genau?
Hennes: Seit unserer Studienzeit. Ich habe 1981 angefangen zu studieren, da war Rainer Woelki im siebten Semester. Damals war das so, dass man als Erst- und Siebtsemester zwei Jahre lang gemeinsam im Theologenkonvikt in Bonn wohnt, damit sich gute Beziehungen entwickeln können.
WDR.de: Und wie haben Sie ihn erlebt?
Hennes: Erstmal muss ich sagen: Er war für mich ein Vorbild. Man sieht als Erstsemester zu den Älteren auf, die haben schon ein paar Jahre hinter sich, die kennen sich aus. Rainer Woelki studierte ernsthaft, war aber auch gesellig und zugewandt. Wir haben uns gut verstanden und hatten viel Spaß. Ich konnte aber auch zu ihm gehen, wenn ich Sorgen hatte.
WDR.de: "Viel Spaß" - sind Sie auch durch die Kneipen gezogen?
Hennes: Klar, Karneval zum Beispiel waren wir in der Bonner Südstadt unterwegs. Wir waren dann aber auch pünktlich um Mitternacht zurück. Und als ich 21 wurde, da war gerade Nenas "99 Luftballons" ein Hit. Da kam ich vom Essen in mein Zimmer zurück, da war es voll mit 99 Ballons. Die hatte Woelki mit zwei Konsemestern da rein geschafft.
WDR.de: Und Sie sind zusammen nach Rom gefahren.
Hennes: Das war im Heiligen Jahr 1983. Da hatte Rainer Woelki gerade sein Studium abgeschlossen, ich hatte mein Vordiplom, und da haben wir eben beschlossen, die Sommerferien dort zu verbringen.
WDR.de: Sie haben aber vermutlich nicht nur Kirchen besichtigt.
Hennes: On nein, wir haben auch lecker gegessen und Wein getrunken.
WDR.de: Letztes Jahr ist er zu Ihrem 25-jährigen Priesterjubiläum nach Hilden gekommen. Die Ehre wird ja nicht jedem zuteil, dass der Erzbischof von Berlin extra anreist und die Predigt hält. Worum ging es da?
Hennes: Er hat über das Priestertum gesprochen, den Dienst des Priesters für Gott und für seine Botschaft und dass man dafür seine eigenen Befindlichkeiten zurückstellen muss.
WDR.de: Ist er ein guter Prediger?
Hennes: Ich finde, er ist sogar ein sehr guter Prediger. Er bringt oft druckreife Formulierungen, auch wenn er frei spricht. Aber manchmal fehlt es an Dynamik, wenn er vorbereitete Predigten hält. Die sind inhaltlich anspruchsvoll, aber eben nicht dynamisch.
WDR.de: Mehr Intellekt als Emotion?
Hennes: Könnte man so sagen.
WDR.de: Wenn Sie ihn so lange kennen: Ist er wirklich so bescheiden? Das interessiert die Leute sehr, die Frage nach der Größe seiner neuen Badewanne ist ja schon fast ein Politikum.
Hennes: Ich kenne ihn nur als bescheidenen Menschen. Zum Beispiel haben wir im Albertinum möbliert gewohnt, mit ein paar eigenen Stücken. Rainer Woelki hatte den Wohnzimmertisch seiner Oma im Zimmer, roter Marmor-Ersatz. Schön war der nicht, aber praktisch. Mir fällt noch ein Beispiel ein: Er hatte schon als Weihbischof Probleme mit dem Dienstwagen, der war ihm zu groß. Er wollte einen kleineren, der nicht so viel Aufsehen erregt, aber das wäre dem Bistum zu teuer gekommen. Deswegen hat er den Wagen immer ein paar Straßen weiter abgestellt, wenn er in ärmere Gemeinden fuhr, und ist zu Fuß gegangen.
WDR.de: Ist er so erzogen worden? Oder liegt das daran, dass er selber in kleinen Verhältnissen aufgewachsen ist?
Hennes: Ich weiß es nicht, das ist einfach eine Grundhaltung. Aber ich weiß noch, als wir 1988 auf einen neuen Erzbischof für Köln warteten und das Gerücht aufkam, es könnte Kardinal Meisner werden. Da sagte er, es täte dem Erzbistum vielleicht ganz gut, wenn ein Bischof aus dem Osten käme, der nicht gewohnt ist, mit soviel Geld umzugehen.
WDR.de: Meisner ist dann tatsächlich Erzbischof geworden, und Woelki wurde sein Zögling. Zumindest wird das so gesagt, und es ist nicht unbedingt positiv gemeint.
Hennes: Zögling? Nein. Kardinal Meisner hat ihn in bestimmte Positionen gebracht und ihm lange großes Vertrauen geschenkt. Ich denke, Rainer Woelki hat Meisner also einiges zu verdanken. Aber ich sehe auch, dass er sehr deutlich einen eigenen Stil entwickelt hat, schon als Weihbischof in Köln und danach in Berlin noch mehr.
Schwerpunkt
WDR.de: Wie sieht denn dieser eigene Stil aus?
Hennes: Sehr dialogfähig und sehr offen. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: In Berlin hat er eine Bistumsreform begonnen, die war nicht unumstritten. Da hat er in einer Diskussionsrunde seinen größten Kritiker aufs Podium gesetzt, damit er seine Kritik öffentlich äußern kann. Das hätte ich mir so in Köln bisher nicht vorstellen können.
WDR.de: Offensichtlich warten die Gläubigen hier auf so etwas. Woelki, das Gegenmodell zu Meisner, der Anti-Tebartz und Kölner Franziskus.
Hennes: Ich würde das gar nicht mit solchen Schlagworten besetzen. Ich würde sagen: Wir kriegen einen Woelki. Einen Menschen, der sehr authentisch ist, der ehrlich ist und sagt, was er denkt, und hört, was andere denken.
WDR.de: Wir haben Prominente gefragt, was sie dem neuen Erzbischof von Köln wünschen. Was würden Sie antworten?
Hennes: Ich wünsche ihm die Offenheit der Herzen der Kölner. Ich wünsche ihm, dass er den Mut hat, sich den Herausforderungen zu stellen, und nicht nur die Kölner Traditionen fortsetzt. Köln ist ja eine machtvolle Diözese, auch von den gewachsenenen Strukturen her, und der Rheinländer beharrt gerne auf dem Gewohnten. Ich wünsche ihm, dass er das Geschick hat, Menschen auf den Weg mitzunehmen, der uns wirklich weiter führt, und dass er seine Vision umsetzen kann.
WDR.de: Sie kennen seine Vision?
Hennes: Ich denke, er will, dass wir mit weniger Personal und weniger Gläubigen trotzdem als Kirche gestaltende Kraft bleiben. In Berlin hat er gesehen, dass er die Kirche neu aufstellen muss, und ich glaube, dass wir in Köln nicht einfach weitermachen können, auch wenn die Situation noch relativ komfortabel ist. Ich glaube, er hat die Ideen und kann die Menschen motivieren, seine Ideen mitzutragen.
Das Interview führte Marion Kretz-Mangold.