Es war die erste Ordination von Rabbinern in Köln seit dem Nationalsozialismus, die vierte in Deutschland überhaupt. Auch angesichts der aktuellen Beschneidungsdebatte kam der Zeremonie internationale Aufmerksamkeit zu, haben doch viele jüdische Stimmenträger in den vergangenen Wochen eine Diskussion über das jüdische Leben im heutigen Deutschland neu entfacht.
Von den vier Männern, die am Donnerstag (13.09.2012) feierlich in ihr Amt gehoben wurden, stammt einer ursprünglich aus Israel, ein weiterer aus den USA – die anderen beiden kamen vor mehreren Jahren mit ihren Familien aus Lettland und Weißrussland.
Jüdisches Leben in Deutschland
Allein aus Osteuropa sind seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion rund 200.000 Menschen jüdischen Glaubens nach Deutschland zugewandert, die Anzahl der in Gemeinden organisierten Juden ist seit 1989 von rund 30.000 auf etwa 120.000 gestiegen, wie aus der Mitgliederstatistik der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) hervorgeht. Die Zahl der praktizierenden Juden in Deutschland hat sich damit also vervierfacht.
Benzion Wieber, Geschäftsführer der Synagogengemeinde in Köln, stellt allerdings fest: "Auch wenn die jüdische Basis in den vergangenen Jahren in Deutschland wieder breiter geworden ist – einfach, weil Juden mehr in verschiedenen öffentlichen Bereichen tätig sind – hat der aktuelle Konflikt um das Beschneidungsurteil leider so Einiges wieder ins Wanken gebracht." Von Normalität im Hinblick auf jüdisches Leben in Deutschland möchte er lieber nicht sprechen, auch wenn sich die Gesamtsituation in den letzten 20 Jahren sicherlich verbessert habe.
Rabbinerausbildung in Deutschland
Erst seit wenigen Jahren werden in Deutschland wieder gezielt Studiengänge für das Amt des Rabbiners angeboten. 1999 wurde das liberale Abraham-Geiger-Kolleg wiedereröffnet, das an die Universität Potsdam angegliedert ist und einen eigenen Rabbinatsstudiengang anbietet. Zehn Jahre später wurde auch das orthodoxe Rabbinerseminar zu Berlin neu gegründet, welches – ebenso wie die Ausbildungsstätte der liberalen Strömung – im Zweiten Weltkrieg zwangsweise geschlossen worden war.
Sämtliche Rabbiner, die seit dem Krieg in Deutschland tätig waren, kamen daher von außerhalb. "Viele waren zur Ausbildung in Israel", weiß Wieber. Unter anderem der jetzige Kölner Gemeinderabbiner Jaron Engelmayer. "Aktuell leben in Deutschland rund 90 Rabbiner, bisher hat nur eine Hand voll ihre Ausbildung in Potsdam oder Berlin absolviert", so der Geschäftsführer der Kölner Gemeinde.
Neue jüdische Generation aus Osteuropa
Die angehenden Rabbiner absolvieren üblicherweise parallel zu oder vor ihrem Rabbinatsstudium ein reguläres wissenschaftliches Studium. Am orthodoxen Rabbinerseminar in Berlin ist es beispielsweise Pflicht, neben dem Talmudstudium (Erlernen der jüdischen Regeln und Lebensweisen) ein Bachelorstudium der Sozialen Arbeit an der Universität Erfurt in Teilzeit zu belegen. Insgesamt dauert die Ausbildung zum Rabbiner etwa vier Jahre.
Das orthodoxe Rabbinerseminar richtet sich nach eigenen Angaben vor allem an junge jüdische Männer mit Migrationshintergrund – auch, weil rund 90 Prozent der Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland selbst Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion sind. Gleichzeitig will das Seminar einen Beitrag dazu leisten, deutschsprachige Rabbiner für deutsche Gemeinden auszubilden.
Dabei steht es den Rabbinern dennoch frei, in jedem Land der Welt als Diener Gottes tätig zu werden. Bei den diesjährigen Absolventen ist allerdings schon klar: Sie bleiben alle hier und werden in Berlin, Köln, Potsdam und Frankfurt am Main arbeiten, so die Informationen des Zentralrats der Juden.
Westerwelle kündigt Legalisierung von Beschneidungen an
Die Ordination der vier Männer in Köln nahm Rabbi Dayan Ehrentreu, Rektor des Berliner Rabbinerseminars, vor. Dies sei ein Freudentag, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann: "Denn heute wird unsere jüdische Gemeinschaft in Deutschland wieder ein Stück gestärkt, verbessert, gekräftigt." Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, nannte die Ordination der neuen Rabbiner "einen weiteren Meilenstein auf dem Weg des Wiederauflebens des deutschen Judentums". Daran hätte wenige Jahrzehnte zuvor noch kaum jemand zu glauben gewagt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einem "starken Zeichen für gedeihendes jüdisches Leben in Deutschland". Er kündigte außerdem eine baldige Legalisierung der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen an: "Wer in Deutschland Beschneidungen von Jungen untersagt, untersagt jüdisches Leben in Deutschland", sagte Westerwelle.
Die neuen Rabbiner Daniel Fabian, Jonathan Konits, Reuven Konnik und Naftoly Surovtsev werden künftig in jüdischen Gemeinden und Bildungseinrichtungen in Berlin, Frankfurt am Main, Potsdam und Köln arbeiten.