Sensibler Magen – Raus aus der Reflux-Falle Doc Esser 01.02.2024 44:37 Min. UT Verfügbar bis 01.02.2026 WDR

Doc Esser – Der Gesundheits-Check

Sensibler Magen – Raus aus der Reflux-Falle

Stand: 31.01.2024, 17:00 Uhr

Herzhaft geschlemmt und danach plötzlich ein unangenehmes Brennen, das sich die Speiseröhre hochzieht: Sodbrennen. Jeder vierte Deutsche leidet hin und wieder darunter. Was schnell als lästiges, aber harmloses Alltagsleiden abgetan wird, kann durchaus gefährlich werden: Entzündungen, Blutungen bis hin zu Speiseröhrenkrebs.

Das steckt hinter dem Reflux

Das Bild zeigt eine Person, die sich an den Hals fasst. | Bildquelle: WDR / Solis TV

Alles, was wir essen, durchläuft – mehr oder weniger gut gekaut – unseren Magen. Einmal dort angekommen, wird die Nahrung mithilfe der Magenmuskeln und des Magensaftes durchknetet und zersetzt. Wie lange der Magen für die Verarbeitung braucht, hängt davon ab, was wir essen. Vor allem fettreiches Essen kurbelt die Säureproduktion an. Neben der Art der Lebensmittel ist es ebenso entscheidend, wie und wann gegessen wird.

Große Mahlzeiten machen dem Magen viel Arbeit, vor allem am späten Abend. Völlegefühl, Magendruck oder Sodbrennen können die Folge sein. Denn der Magen ist ein sensibles Organ, das uns schnell rückmeldet, ob unsere Portion zu groß, zu fettig oder zu scharf war.

Kommt es häufig zu Beschwerden, kann das auf eine Refluxerkrankung hindeuten. Doch nicht immer sind die Symptome eindeutig auf ein Problem im Magen zurückzuführen. Mediziner unterscheiden daher zwischen dem „klassischen“ und dem „stillen“ Reflux.

Klassischer Reflux: Reizung der Speiseröhre

Ist der Schließmuskel zwischen Magen und Speiseröhre geschwächt oder der Magendruck zu hoch (z.B. durch zu viel Essen in Kombination mit übermäßiger Säureproduktion), fließt der Speisebrei samt ätzender Magensäure zurück in die Speiseröhre.
Fließt der saure Mageninhalt regelmäßig in die Speiseröhre zurück, kann ein gastroösophagealer Reflux entstehen. Zu den Symptomen gehören unter anderem:

  • unangenehmes Brennen hinter dem Brustbein
  • saures Aufstoßen
  • Völlegefühl
  • schlechter Geschmack im Mund

Das kann schwere Folgen haben: Denn während die Schleimhaut im Magen gegen die eigenen Verdauungssäfte geschützt ist, wird die Speiseröhre durch die aggressive Magensäure angegriffen. Kommt es häufig zu Sodbrennen, können ohne Behandlung und regelmäßige ärztliche Kontrolle mit der Zeit bösartige Veränderungen entstehen.

Entzündungen, Geschwüre oder Blutungen verursachen nicht nur Schmerzen, sie führen auch zu Vernarbungen und somit Verengungen der Speiseröhre. Schluckstörungen können daraus resultieren. Im schlimmsten Fall kann sich sogar Speiseröhrenkrebs entwickeln.

Stiller Reflux: Saure Gase im Rachen

Das Bild zeigt Saure Gase im Rachen | Bildquelle: WDR / Solis TV

Nicht immer ist die Diagnose Reflux offensichtlich. Was viele nicht wissen: Auch ungewöhnliche Anzeichen können ihre Ursache im Magen haben. Dazu zählen:

  • wiederkehrende Halsschmerzen
  • häufiges Räuspern
  • Probleme beim Schlucken
  • ständige Infekte der Atemwege

Anders als beim „gewöhnlichen“ Reflux steigt der Mageninhalt beim stillen Reflux (laryngo-pharyngealer Reflux) vor allem gasförmig auf und erreicht so Kehlkopf, Rachen und Nasennebenhöhlen. Die typischen Schmerzen hinter dem Brustbein fehlen meist.

Reflux ohne die typischen Symptome? Was im ersten Moment gesundheitlich unbedenklich klingt, birgt aber ein gravierendes Problem. Oft werden Menschen jahrelang falsch behandelt, da man von Husten oder Atemwegserkrankungen ausgeht. Wer seinen Reflux nicht als solchen erkennt, unternimmt auch nichts gegen ihn. Die aufsteigenden Magen-Gase können Entzündungen der Schleimhäute verursachen, die zu Beschwerden im Mund oder in den oberen Atemwegen führen.

Ärztliche Diagnose

Das Bild zeigt ein Ergebniss bei einer Untersuchung | Bildquelle: WDR / Solis TV

Wenn Symptome wie Sodbrennen länger anhalten, mehrmals pro Woche auftreten und die Lebensqualität stark einschränken, ist es notwendig, einen Arzt aufzusuchen. Gleiches gilt bei auftretenden Warnsignalen wie Schluckstörungen oder Blutungen.
Über den Hausarzt hinaus finden Betroffene Rat beim niedergelassenen Gastroenterologen oder in gastroenterologischen Zentren. Dort kann eine Diagnose gestellt und zwischen den Refluxarten unterschieden werden.

Nach einem Erstgespräch erfolgen meist verschiedene Untersuchungen, um die Krankheit genau zu bestimmen. Hierzu gehören:

Magenspiegelung:
Die Magenspiegelung, auch Gastroskopie, hilft bei der Abklärung von Magenschleimhaut-Entzündung sowie Geschwüren. Über einen Schlauch, welcher durch den Mund eingeführt wird, wird der Verdauungstrakt untersucht. Über eine Lichtquelle sowie Kamera am Ende des Schlauchs lassen sich die übertragenen Bilder aus dem Innersten auf einem Bildschirm verfolgen.

Ösophagus-Manometrie:
Ein Verfahren zur Untersuchung der Speiseröhrenfunktion bietet die Ösophagus-Manometrie. Eine Art Druckwellenmessung, mit deren Hilfe der Schluckakt aufgezeichnet und eine Störung festgestellt werden kann. Während der Untersuchung wird ein schmaler Katheter über die Nase bis in den Magen eingeführt. Über einen Monitor können die Bewegungen der Speiseröhre im Ruhezustand und beim Trinken erfasst werden.

Langzeit-pH-Metrie:
Mittels Langzeit-ph-Metrie kann eine Säuremessung in Speiseröhre und Magen erfolgen. In der Speiseröhre lässt sich bestimmen, ob und wie viel saurer Reflux vorhanden ist. Beim Einsatz im Magen kann erfasst werden, wie viel Säure gebildet wird. Dafür wird eine dünne Sonde über die Nase bis in die untere Speiseröhre oder in den Magen eingeführt, wo sie für 24 Stunden verbleibt und über ein verbundenes Gerät die Werte aufzeichnet.

Die Kraft der Ernährung

Das Bild zeigt Obst und Gemüse | Bildquelle: WDR / Solis TV

Ist die Diagnose gestellt, sollte im ersten Schritt die Ernährung und das Verhalten im Alltag kritisch überdacht und gegebenenfalls angepasst werden. Denn tritt Sodbrennen mehrfach in der Woche auf, zeigt uns unser Magen damit ganz klar: es muss sich etwas ändern.

Magenfreundlich essen

Leberkäse, Pommes, Eiscreme – was gut schmeckt, ist nicht unbedingt auch gut für unseren Körper. Eine ungesunde Ernährung mit zu viel Salz, Fett und Zucker reizt die Magenschleimhaut und provoziert so eine übermäßige Bildung von Magensäure.

Während Lebensmittel wie viel Kaffee, scharfe Gewürze oder Backwaren aus Weizen den Magen strapazieren, wirkt eine säurearme Ernährung schonend. Säurearmes Obst und leichtverdauliches Gemüse sollte daher vermehrt auf dem Speiseplan stehen. Fettreiche Fleisch- und Wurstwaren, sahnehaltige Milchprodukte und üppige Eierspeisen sollten eine Ausnahme bilden. Auf zuckerhaltige Getränke, Gebäck und Süßigkeiten sollte möglichst verzichtet werden.

Nicht nur das WAS, auch das WIE ist entscheidend

Ein zu hohes Füllvolumen des Magens kann den unteren Schließmuskel der Speiseröhre belasten und einen Rückfluss des Mageninhalts verursachen. Neben der Zusammensetzung unserer Nahrung sollte deshalb darauf geachtet werden, welche Mengen wir zu uns nehmen.

Statt drei große lieber fünf kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt essen. Das schont unseren Magen und entlastet zudem den Schließmuskel zur Speiseröhre. Außerdem sollte in Ruhe gegessen und gründlich gekaut werden.

Sodbrennen natürlich lindern

Kommt es trotz gesunder Ernährung zu Beschwerden und verbirgt sich keine ernsthafte Erkrankung dahinter, können sich Betroffene auch selbst helfen. Denn schon einfache Hausmittel lindern das akute Sodbrennen. Zu den natürlichen Helfern gehören:

LebensmittelFunktionsweise
lauwarmes, stilles Wasser oder säurearmer Tee wie Kamille oder Fenchelverdünnt die Magensäure
Milchneutralisiert die Magensäure
Bananenschützen Speiseröhre und Magen mittels Schleimstoffen gegen die Magensäure
trockenes Brot, Knäcke, Zwieback, Haferflocken oder Kartoffelnbinden überschüssige Magensäure
Ingwerwirkt beruhigend und entzündungshemmend

Wie unser Verhalten den Reflux bestimmt

Eine gesunde Ernährung nützt wenig, wenn schlechte Verhaltensmuster fortgeführt werden. Wer beschwerdefrei leben möchte, der sollte auch auf ausreichend Bewegung sowie Entspannung achten und Risikofaktoren so weit wie möglich umgehen.

Täglich bewegen:
Durch regelmäßigen, moderaten Sport wird die Verdauung angeregt und der Magen schneller entleert. Je leerer der Magen, desto weniger Mageninhalt steigt in der Speiseröhre auf und führt dort zu schmerzhaftem Sodbrennen. Fließt der Speisebrei in den Darm ab, so reduziert sich der Druck auf den Schließmuskel der Speiseröhre. Ein weiterer positiver Effekt von Sport ist die Reduzierung von Übergewicht. Denn die Extrakilos drücken zusätzlich auf den Magen und begünstigen so das saure Aufstoßen.

Stress abbauen:
Durch innere Anspannung und zu viel Hektik wird die Bildung der Magensäure angeregt. Um Belastungen vorzubeugen, ist es daher wichtig, für ausreichend Entspannung zu sorgen und Stress zu vermeiden. Eine gute Planung im Alltag sowie Techniken zur Entspannung können helfen, die Strapazen zu minimieren.

Genügend schlafen:
Ausreichende Erholung ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit. Umso schlimmer ist es, dass Betroffene aufgrund der Reflux-Beschwerden mitunter um den Schlaf gebracht werden. Schuld ist oft die falsche Position im Bett. Denn Sodbrennen wird durch das Liegen begünstigt. Ist der Speiseröhrenschließmuskel zu schwach, kann der Mageninhalt durch die wirkende Schwerkraft nicht gestoppt werden. Um die nötige Ruhe zu finden, empfiehlt es sich daher mit erhöhtem Oberkörper zu schlafen. Die Speiseröhre sollte sich dabei weiter oben befinden als der Magen. Zudem sei geraten, die letzte Mahlzeit nicht zu spät einzuplanen. So hat der Magen die Chance, sich vor dem Schlaf teils zu entleeren und den verbleibenden Speisebrei im Liegen zu halten.

Alkohol und Nikotin vermeiden:
Zuerst Schweinshaxe mit Klößen, danach ein üppiges Stück Sahnetorte – das kann schwer im Magen liegen. Ein Schnäpschen soll nun die Verdauung ankurbeln und das Völlegefühl verschwinden lassen. Doch das wohlige Gefühl trügt. Vielmehr ist der Alkohol eine zusätzliche Belastung. Der Grund: Durch die Verdauung des Alkohols wird die Magensäureproduktion angekurbelt. Außerdem sorgt Alkohol ebenso wie Nikotin dafür, dass sich die Muskeln entspannen. Dadurch wird die Verdauung gehemmt und der Speisebrei liegt länger im Magen. Auch der Schließmuskel der Speiseröhre verliert an Spannkraft und kann dadurch Sodbrennen begünstigen.

Medikamentöse Therapie

Das Bild zeigt Medikamente | Bildquelle: WDR / Solis TV

Hat regelmäßiges und starkes Sodbrennen bereits zu Veränderungen in der Speiseröhre geführt, können Medikamente als Ergänzung zu Ess- und Lebensstiländerungen sinnvoll sein. Sogenannte Protonenpumpeninhibitoren (PPI) reduzieren die Produktion von Magensäure.

Bis zu 36 Stunden lang wirken die Tabletten auf die säurebildenden Zellen in der Magenwand und senken den Säurewert. Die Einnahme solcher Medikamente sollte jedoch nur nach Verordnung des Arztes und über einen kurzen Zeitraum eingenommen werden.

Denn ein dauerhaft niedriger Säurewert kann unerwünschte Nebenwirkungen verursachen:

  • Der Magen kann durch weniger Säure schlechter Bakterien abtöten. Die Erreger können sich im Darm ansiedeln und Verdauungsstörungen wie Durchfall verursachen.
  • Der Organismus kann Nährstoffe wie Kalzium, Magnesium und Vitamin B12 schlechter aufnehmen. Somit werden die Knochen schwächer und es kann zu Kopfschmerzen, Schwindel und Blutarmut kommen.
  • Einige Studien verweisen auf eine höhere Gefahr für Herzinfarkte sowie auf das Risiko, einen Leber- oder Nierenschaden zu erleiden.

Eine Alternative zu verschreibungspflichtigen Säureblockern können freiverkäufliche Antazida sein. Sie neutralisieren die Magensäure, wirken aber nicht so stark wie PPI. Dennoch sollten rezeptfreie Arzneimittel nur nach Bedarf dosiert werden.

Eine regelmäßige Einnahme über Monate oder sogar Jahre hinweg ist weder empfehlenswert noch notwendig, da Reflux in der Regel phasenweise auftritt, so Dr. Eric Jörgensen, Gastroenterologe im Magen-Darm-Zentrum-Remscheid.

Da die Medikamente zwar temporär helfen, die Ursache aber nicht bekämpfen, sollte parallel immer auch ein Umdenken im Alltag stattfinden. So kann das Übermaß an Säureproduktion dauerhaft und auf natürlichem Weg eingedämmt werden.

OP als Ausweg bei schweren Fällen

Das Bild zeigt einen Operationssaal | Bildquelle: WDR / Solis TV

Doch was ist, wenn die Beschwerden trotz vorbildlichen Verhaltens und Medikamenten bleiben? In diesem Fall sollten nach ärztlicher Rücksprache weitere Behandlungsoptionen in Betracht gezogen werden. Ein etabliertes Verfahren ist die sogenannte Manschetten-OP.

Zwei Gründe, die dafürsprechen können, sind:

  1. Probleme durch Medikamente: Der Patienten verträgt die Reflux-Mittel auf Dauer nicht, möchte diese nicht ein Leben lang einnehmen oder leidet an Wechselwirkungen der Reflux-Mittel in Kombination mit anderen Medikamenten.
  2. Anatomische Ursache: Der Reflux wird durch einen Zwerchfellbruch verursacht und weder Verhaltensänderung noch Medikamente haben das Potential zu helfen.

So ein Zwerchfellbruch kann bereits angeboren sein und sich im Laufe des Lebens vergrößern. Nicht immer muss das auch zu Beschwerden führen. Verrutschen jedoch Teile des Magens durch die Öffnung in den Brustraum, erhöht sich der Magendruck. Der Verschluss zwischen Speiseröhre und Magen funktioniert nicht mehr und die ätzende Magensäure kann ungehindert zurücklaufen.

Mithilfe eines minimalinvasiven Eingriffs kann der Zwerchfellbruch behoben werden. Darüber hinaus wird der obere Teil des Magens wie eine Manschette um den unteren Speiseröhrenschließmuskel gelegt und vernäht, um diesen zu verstärken.