- Sendehinweis: Heimatflimmern | 13. Oktober 2019, 13.45 - 14.30 Uhr | WDR
Ausgerechnet Essen! Die Stadt mitten im Ruhrgebiet, die über Jahrzehnte von Kohle und Stahl geprägt wurde und in den Köpfen vieler immer noch als grau und hässlich herumspukt, wurde von der EU-Umweltkommission mit dem Titel "Grüne Hauptstadt Europas 2017" ausgezeichnet. Was macht Essen zu einer lebenswerten, grünen Stadt? Und was hat sie über die Jahrzehnte dafür getan?
Über Generationen wurde Essen vor allem mit dem Bergbau verbunden - und mit dem Stahlgiganten Krupp. Der Himmel über Essen war wie überall im Ruhrgebiet lange voller Rauch und Ruß, die Stadt stand in erster Linie für harte Arbeit und nicht etwa für Erholung. Daran hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten so viel geändert, dass es 2017 einen grünen Titel wert war - übrigens zum ersten Mal für eine Stadt mit so intensiver Industriegeschichte.
Natur - von Menschen angelegt
Blickt man von oben auf die Stadt, sieht sie tatsächlich über weite Teile grün aus, vor allem im Süden, im Ruhrtal. Aber dahinter verbirgt sich hier eine besondere Geschichte: Fast alles, was nach Natur aussieht, ist seit rund hundert Jahren angelegt worden. Bewusst und beabsichtigt, damit die Bevölkerung Möglichkeiten hatte, sich vom Grau der Industrie zu erholen. Frühe Beispiele dafür sind der Grugapark, der 1929 für eine große Gartenbau-Ausstellung geschaffen wurde und seitdem ein Volkspark mitten in der Stadt ist, und ebenso der Baldeneysee. Er wurde in erster Linie für die Trinkwasserversorgung gebraucht, entwickelte sich aber schnell zu einem Naherholungsgebiet; schon ab 1933 fuhren hier die Ausflugsschiffe der "Weißen Flotte".
Im Norden Essens, in den Vierteln voller Zechen und Fabriken, gab es lange Grün nur in Kleingartenanlagen oder auf dem Friedhof. Erst ab den sechziger Jahren entstanden durch Haldenbegrünung und neue Grünanlagen und den ersten Revierpark auch hier Freizeitangebote ganz in der Nähe.
Stillgelegte Industrieanlagen als "Umwelt-Kick"
Der entscheidende Kick für die Umwelt kam mit dem Ende von Kohle und Stahl, so problematisch es auch in sozialer Hinsicht war. Der Himmel über dem Ruhrgebiet ist längst wieder blau, und die Projekte der IBA Emscherpark haben durch die Verbindung von stillgelegten Industriearealen mit Natur und Kultur viele neue und einzigartige Attraktionen geschaffen. Die bekannteste ist sicher Zeche Zollverein, mit ihrer einzigartigen Verbindung von Industrieareal und Natur, eben Industrienatur.
Neue Räume und grüne Mobilität
Insgesamt ist die Stadt durchlässiger geworden: Zechen- und Industrieareale bzw. ihre Brachen, die man nicht betreten durfte, sind wieder zugänglich und werden ökologisch möglichst sinnvoll genutzt: Auf alten Bahntrassen laufen Radwege, und das Gelände der ehemaligen Krupp-Stahlfabrik, das sich über 230 Hektar mitten in der Stadt erstreckte, wurde umfunktioniert in ein neues Wohngebiet und einen Park mit See.
Dass der Titel "Grüne Hauptstadt Europas 2017" an eine Stadt vergeben wurde, die so stark von Kohle und Stahl geprägt war, war eine Premiere. Und ein Auftrag: Essen soll auch andere Städte ermutigen, durch Strukturwandel nach der Industrie ein grünes Wunder zu erleben.
Ein Film von Ulrike Brincker
Redaktion: Beate Schlanstein