- Sendehinweis: Heimatflimmern | 19. November 2020, 20.15 - 21.00 Uhr | WDR
Es ist bis heute einer der spektakulärsten Entführungsfälle in der Geschichte der Bundesrepublik. Am 29. November 1971 wurde der Essener ALDI-Mitbegründer Theo Albrecht entführt. Über mehrere Wochen hielt das ganze Ruhrgebiet den Atem an. Gegen sieben Millionen Mark Lösegeld wurde der Multimillionär schließlich nach 17 Tagen freigelassen. Bis heute ist die Hälfte des Geldes verschwunden.
Der Film zeichnet die Tage der Entführung nach. Albrecht musste aus seinem Verließ im Auftrag der Täter Briefe an seine Familie und die Polizei schreiben, mit genauen Informationen zu den Umständen der Lösegeldübergabe und der Freilassung. Ein Martyrium für Opfer und Familie; die Polizei war erstmals mit einer solchen Situation konfrontiert. Aber auch die Entführer waren offenbar überfordert. Nachgestellte Szenen sowie historische Filmaufnahmen zeugen von dem 17 Tage langen Bangen um einen Ehemann, Vater von zwei Kindern - und einen der reichsten Deutschen. Mit ungewissem Ausgang.
Was hat der Freiheitsraub mit Theo Albrecht gemacht? Wie hat sich die Täter-Opfer-Beziehung entwickelt? Der Essener Entführungsexperte und Notfalltherapeut Christian Lüdtke hat sich eingehend mit der ALDI-Geiselnahme beschäftigt und gibt Einblicke in die Psyche von Tätern und Entführtem.
Ein neues Zeitalter
Der Film wirft auch einen Blick auf den Zeitgeist der frühen 70er Jahre. Dass ALDI seinerzeit bereits zu den umsatzstärksten Unternehmen gehörte, war nicht im Bewusstsein der Menschen. Die Kidnapper hatten die Information über das Vermögen der Albrechts aus dem Buch "Die Reichen und die Superreichen." Der Autor des Buches Michael Jungblut beschreibt darin das damalige Unternehmen und erzählt heute, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Buch Auslöser für die erste große Entführung der Bundesrepublik ist.
Die Autoren zeichnen nicht nur den Verlauf der Entführung selbst nach, sondern auch die Umstände der Fahndung, die Festnahmen und den Prozess im Jahr 1973. Dass einer der beiden Täter gestellt werden konnte, als er mit Scheinen aus dem Lösegeld seine Schulden bei einem Düsseldorfer Elektrohändler bezahlte, ist nur eine von vielen Anekdoten nach der Entführung.
Gemeinsam mit Susanne Amman, einer Kennerin des ALDI-Familie, geht der Film der Frage nach: Wie funktioniert es, dass eine ganze Stadt, einschließlich der Presse, elf Tage schweigt, bevor die Öffentlichkeit von der Entführung Theo Albrechts erfährt? In heutigen Zeiten absolut unvorstellbar.
Während im Essener Polizeipräsidium die bis dahin größte Fahndung der Bundesrepublik anlief, zog sich die Familie Albrecht während der Entführungstage immer mehr zurück und machte ihr "eigenes Ding" mit den Entführern. Nicht nur Journalisten, auch Polizei und Staatsanwaltschaft hatten bis dahin so gut wie keine Erfahrung mit Entführungen.
Insbesondere Originalaufnahmen von Pressekonferenzen und der Gerichtsverhandlung geben Einblick in die auch absurden und grotesken Seiten dieses Kriminalfalls.
Ein Film von Carolin Wagner und Michael Wieseler
Redaktion: Barbara Schmitz