Am 9. Januar 2015, zwei Tage nach dem Anschlag auf die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo", gab es eine terroristische Geiselnahme in dem jüdischen Supermarkt "Hyper Cacher" in Paris. Der Täter erschoss in dem kleinen Supermarkt vier Menschen und nahm die anderen Anwesenden stundenlang als Geiseln.
Was diese Geschichte besonders und langfristig erinnerungswürdig macht, sind die genauen Umstände der Geiselnahme. die fast wie eine Wiederkehr von Situationen aus der NS-Zeit wirken. Mehrere Juden verstecken sich über Stunden im Keller. Der Geiselnehmer fragt alle Anwesenden nach ihrer Religion. Eine Geisel ist Katholik - wurde sie deshalb verschont?
Hier und Heute - Virtual Documentary - Paris Terror "Die Geiseln vom 'Hyper Cacher'"
Wie schafft man es Mensch zu bleiben?
Was geschieht mit Menschen, die im Dunkeln die vielleicht letzten Minuten ihres Lebens abzählen? Wie schafft man es, Mensch zu bleiben und sich auch schützend vor andere zu stellen? Woher kommt die Kraft, die einen dann noch trägt?
In dem Projekt "Paris Terror" werden die Geschehnisse aus der Perspektive von drei Geiseln des Pariser Attentats erzählt.
Carole, eine 44-jährige Mutter, war im Keller des Supermarktes in einem dunklen Kühlraum versteckt. Gemeinsam mit fünf anderen Erwachsenen und einem Baby. Über viele Stunden wartete sie, bis die Polizei den koscheren Supermarkt stürmte.
"Man sagt sich, dass es das Ende ist. Man denkt an seine Kinder, an seine Familie – und ich hatte mir auch gesagt: Das ist es jetzt? Sich zu verstecken? Weil man Jude ist?"
Jean-Luc war bei Carole im Kühlraum. Er hatte für das Abendessen eingekauft und stand an der Kasse, als die ersten Schüsse fielen. Er floh und wartete fast fünf Stunden lang in der Dunkelheit:
"Ich hatte nur gehofft, dass es wenigstens einen Polizisten gibt, der weiß, dass wir Geiseln sind. Für mich gab es niemanden, der wusste, in welcher Situation wir sind."
Alain, ein pensionierter Diplomat, war an diesem Tag auch im Supermarkt. Er ist kein Jude, kauft aber dort gerne ein. Er flüchtet sich zunächst auch in den Keller. Doch als der Geiselnehmer eine Verkäuferin runterschickt, mit der Aufforderung sich zu stellen, geht er wieder nach oben.
"Ich dachte mir: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich getötet werde. Und ich möchte nicht in einem Keller sterben. Ich möchte lieber, dass, wenn ich schon getötet werde, ich dann oben sterbe, wo es hell ist."