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Leben im Alter

Hier will ich alt werden: Eine Modellstadt macht’s vor

Stand: 24.04.2024, 13:15 Von Laura Mareen Janssen Gamechanger

Von Laura Mareen Janssen

Vrees: eine Modellstadt für gutes Altern

Eine kleine Gemeinde in Niedersachsen macht es vor: Vrees hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bedürfnisse der Älteren stärker in das Zusammenleben zu integrieren: mit einem Pflegekomplex mitten im Zentrum der Stadt, viel Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und mit smarter, altersgerechter Technik.

Luftbild von Vrees. Quelle: Alwin Wessels | Bildquelle: Alvin Wessels

Vrees macht das mittlerweile so gut, dass es deutschlandweit Modellcharakter hat und von Bund und Land dafür bezuschusst wird. Könnte so eine Stadt aussehen, in der wir alle gerne alt werden würden?

Wo sollen wir später wohnen?

Aktuell fehlen in Deutschland rund zwei Millionen barrierefreie Wohnungen. Die haben zum Beispiel größere Flure, ebenerdige Duschen und auch sonst keine Stufen, damit sich ältere Menschen möglichst lange ohne Hilfe bewegen können.

Mit den geburtenstarken Jahrgängen der Babyboomer, die in den nächsten Jahren das Rentenalter erreichen, wird sich der Bedarf noch weiter erhöhen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass bis 2035 insgesamt 3,7 Millionen barrierefreie Wohnungen benötigt werden.

Es fehlen aber nicht nur neue Wohnungen. Auch der altersgerechte Umbau bestehender Wohnungen ist teuer. Viele ältere Menschen haben deshalb Angst, ihr Zuhause verlassen und in weit entfernte Pflegeeinrichtungen umsiedeln zu müssen, wenn sie hilfsbedürftig werden. In Vrees hat man sich für dieses Problem schon ein Konzept überlegt.

Wohnformen, die auch im Alter funktionieren

Nicht nur mehr, sondern auch diversere Wohnangebote für ältere Menschen schaffen! Und das am besten vor Ort, in der Nähe ihres Zuhauses. Dazu zählen kleine, barrierefreie Seniorenwohnungen, in denen die Bewohner:innen dank smarter Technik lange selbstbestimmt leben können. Und direkt nebenan: ein Pflegehaus mit Gemeinschaftsküche und integrierter Tagespflege – für Menschen, die etwas mehr Hilfe brauchen.

Solche Verbundmodelle reduzieren nicht nur die Wege für ältere Menschen. Sie ermöglichen es auch, flexibler auf ihre Situation und Bedürfnisse einzugehen. So können Ältere so lange wie möglich dort bleiben, wo sie hingehören. Da sind sie nämlich unverzichtbar!

Die Illustration zeigt einen älteren Mann im Superhelden-Kostüm, um ihn herum sind verschiedene Symbole, Besteck symbolisiert Ehrenamt, eine Person im Rollstuhl steht für Pflege und ein Teddybär und ein Fläschen stehen für Kinderbetreuung. | Bildquelle: WDR

Zuhause mit dem Rest der Stadt vernetzt

Mit steigendem Alter verlagert sich der Lebensmittelpunkt immer mehr nach innen, unter anderem, weil vielen älteren Menschen die Mobilität fehlt. In Vrees sind die Seniorenwohnungen deshalb mit einem altersgerechten Kommunikationssystem ausgestattet.

Über ein Tablet können sich die Bewohner:innen von Zuhause aus mit dem ganzen Dorf vernetzen: remote an Messen teilnehmen, im Dorfladen nebenan Lebensmittel bestellen oder sich vom Seniorenbus abholen lassen. Koordiniert wird das Ganze über eine sogenannte “Kümmerin“. Die gibt auch Support, wenn die Technik streikt.

Walkability im Alter: Diese Städte machen es vor

Singapur zum Beispiel hat überall in der Stadt sogenannte silver zones eingerichtet, in denen der Verkehr für Ältere sicherer gemacht wurde: mit kleinen Straßeninseln zum Verschnaufen und längeren Grünphasen, die man mit einer Karte direkt bei der Ampel anfordern kann. Die Stadt New York hingegen nutzt das bestehende Schulbusnetz nach Schulschluss weiter, um alte Menschen zu Supermärkten oder kulturellen Veranstaltungen zu bringen.

Nicht einsam alt, sondern gemeinsam!

Gut alt werden zu können, ist vor allem Teamwork! Auch in Vrees klappt das nur mit Ehrenamt. Hier gibt es rund 40 Vereine und Initiativen, die sich aktiv für die Teilhabe ihrer älteren Mitmenschen einsetzen: mit Fahrgemeinschaften, die im Schichtdienst erledigt werden, einem generationsübergreifenden Begrünungsteam für den Demenzgarten und selbst die Allerkleinsten helfen hier mit: Einmal pro Woche wird mit den "Alten" Sport gemacht.

Der Bedarf und die Verbreitung der Angebote werden in Vrees von einer Gerontologin betreut: einer Altersforscherin, die sich für optimale Lebensbedingungen von Senior:innen einsetzt.

Der Einsatz von Ehrenamtler:innen ist zwar keine Lösung für fehlendes Personal in der Altenpflege, das Potenzial ist aber groß: In den nächsten zehn Jahren gehen voraussichtlich 7,3 Millionen Menschen in Rente. Wie kann man möglichst vielen dieser Menschen ein Ehrenamt schmackhaft machen?

Zeitsparkonten: mit sozialem Engagement für später vorsorgen

So funktioniert es:
Mit einem Zeitsparkonto können Stunden mit sozialen Leistungen angespart werden, so wie Geld auf einem Sparkonto. Diese Stunden kann man später, wenn man selbst älter ist und Unterstützung braucht, wieder ausgeben. Zum Beispiel durch Hilfeleistungen wie gemeinsames Einkaufen gehen oder Arztbesuche.

So kann man sich nicht nur sozial engagieren, sondern auch noch etwas für seine Altersvorsorge tun. In Deutschland bietet zum Beispiel die Bocholter Bürgergenossenschaft oder die ZEITBANKplus verschiedene Zeitsparkonto-Modelle an.

Das Problem mit der wohnortnahen Gesundheitsversorgung

Wenn der langjährige Hausarzt aufhört zu arbeiten und keine Nachfolger findet, spüren das vor allem Ältere. Ländliche Regionen sind davon besonders betroffen.

In Vrees gibt es aktuell noch einen Hausarzt, das nächste Krankenhaus ist aber 20 km weit weg. Aber auch dafür hat man in Vrees einen Plan: Die Gemeinde will sich mit den umliegenden Dörfern für ein von Bund und Ländern finanziertes Modellprojekt zusammentun, um eine wohnortnahe Rehaeinrichtung zu bauen, in der Menschen nach einer OP gut nachversorgt werden können. Zum Beispiel auch durch den Einsatz von Telemedizin.

Vrees zeigt, ein gutes Leben im Alter geht nicht allein. Es braucht ein Netzwerk aus Jungen und Älteren, das zusammenhält und sich gegenseitig unterstützt. Und es braucht noch mehr Unterstützung von der Politik, damit auch andere Städte und Dörfer die Möglichkeit bekommen, sich auf die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen besser einstellen zu können. Damit es hoffentlich immer mehr Orte gibt, an denen wir sagen können: Hier will ich alt werden!

Wenn der Arzt weit weg ist

In Schweden und Norwegen hat man sich für eine flächendeckende gesundheitliche Versorgung Folgendes überlegt: Besonders in ländlichen Regionen werden Ärzt:innen viel mehr von nicht-ärztlichen, aber hoch qualifizierten “Gemeindepflegekräften“ unterstützt. Sie dürfen Arznei- und Hilfsmittel verordnen und schalten, wenn nötig, Ärzte und Krankenhäuser ein.

Im noch dünner besiedelten Lappland dagegen hat man dafür “virtuelle Gesundheitsräume“ geschaffen. Das sind digitale Terminals in denen Menschen zum Beispiel ihren Blutzucker oder ihren Blutdruck selbst bestimmen können. Die Daten werden anschließend digital an das nächste Versorgungszentrum weitergeleitet.

Weiterführende Links:

Altersforschung: Leben im Alter (daserste.de)

Im besten Alter - Miteinander der Generationen (ardmediathek.de)

Kommentare zum Thema

  • Frank Chudzinski 01.05.2024, 10:39 Uhr

    Meine Frau und ich haben den Bericht am 29.04.24 beim WDR/Servicezeit gesehen und fanden das alles sehr interessant und würden sehr gerne mehr darüber erfahren. Wir sind auch schon älter und hätten sehr gerne mehr Informationen darüber. Wäre das irgendwie machbar?

    • kugelzwei 02.05.2024, 17:46 Uhr

      Schön, dass euch der Beitrag erreicht hat! Mehr Infos könnt ihr euch bei der Samtgemeinde einholen, zu der Vrees gehört. Hier der Link: https://www.sgwerlte.de/unsere-samtgemeinde/mitgliedsgemeinden/gemeinde-vrees/

  • Ingrid 25.04.2024, 21:54 Uhr

    So ein gutes Beispiel wie es klappen kann mit dem Altern - ohne Einsamkeit. Mit Unterstützung und Würde Das wünsche ich mir für meinen Mann und mich auch VG

  • Sigi 25.04.2024, 13:35 Uhr

    Ach und das ist kein Traum? Da will ich auch leben. Hab es so satt, alles Mögliche probiert, das sog. Betreute Wohnen- eine einzige Enttäuschung. Und alle meine Freundinnen sind mehr oder weniger weg - mich hält hier leider gar nichts in Berlin. Kann man da denn vielleicht hinziehen? Mit freundlichen Grüßen S. Almus

    • kugelzwei 25.04.2024, 16:48 Uhr

      Wenn du dich für nähere Infos interessierst, dann schau am besten auf der Seite der Samtgemeinde Werlte nach, zu der Vrees gehört: https://www.sgwerlte.de/unsere-samtgemeinde/mitgliedsgemeinden/gemeinde-vrees/ ☺️

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