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Gender Planning

Stadtplanung: Eine Stadt für alle durch Gender Planning

Stand: 03.07.2024, 13:30 Von Nora Wanzke Gedankenspiele

Von Nora Wanzke

Stell dir vor, in deiner Stadt fühlen alle sich wohl, egal welches Alter oder Geschlecht sie haben. Auf den Straßen spielen Kinder sicher, es gibt spezielle Orte, an denen Jugendliche gerne abhängen, so genannte Angsträume sind abgeschafft, an denen vor allem Frauen sich nachts unwohl fühlen.

So stellt sich Stephanie Bock das vor. Sie forscht am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin und will Städte für alle bauen. Dabei orientiert sie sich an "Gender Planning".

Eine Illustration eines Stadtplanes mit verschiedenen Personen drauf. | Bildquelle: WDR

Mehr öffentliche Räume für Jugendliche

640 km südlich sitzt Eva Kail in ihrem Büro mit demselben Ziel. Sie ist Stadtplanerin bei der Stadt Wien hat dafür gesorgt, dass Parks nur noch unter ganz bestimmten Kriterien geplant werden. Sie nennt es "geschlechtssensible Parkgestaltung". Weniger technisch bedeutet das: In Wien werden Parks so angelegt, dass hier alle Bürger:innen einen Platz finden.

Was es bei Eva Kail nicht mehr gibt, sind Bolzplätze mit Käfigen drum herum: "Die älteren Jungen schmeißen die kleinen raus und alle finden, dass Mädchen nicht dazu gehören", sagt sie. Jetzt sind diese Flächen offener und es gibt Volleyballplätze, Slacklines und Hängematten. "Darin werden Kinder von ihren Großeltern geschaukelt, es liegen Liebespaare drin oder Erwachsene lesen Zeitung", sagt Kail.

Rund 2300 Kilometer nördlich, in der schwedischen Stadt Umeå, haben Stadtplaner:innen eine ähnliche Herangehensweise. Sie beobachteten, dass Jugendliche häufig gar keinen eigenen Platz in der Stadt haben. Abends hätten sie sich deshalb auf Kinderspielplätzen getroffen. Das hat sich geändert. Inzwischen gibt es einen Platz nur für Jugendliche — mit Hängeschaukeln und Bluetoothboxen.

"Gender Planning": Angefangen hat es in den 1980ern

Die beiden Stadtplaner:innen Eva Kail aus Wien und Stephanie Bock aus Berlin verfolgen den Gedanken der Stadt für alle schon seit rund 40 Jahren. Sie sind Vorreiterinnen des "Gender Plannings": „Es geht um diejenigen, die weniger gehört werden, die weniger gesehen werden oder die sich nicht einmischen können“, erklärt Stephanie Bock.

Angefangen habe alles mit der These, dass Stadtplanung "das Ergebnis des mittelalten autofahrenden Planers ist“, erklären die beiden Frauen unabhängig voneinander. Damals machte sie es wütend, dass die Bedürfnisse von Frauen nicht beachtet wurden. Ein Beispiel sind Angsträume: Tunnel, Unterführungen, dunkle Ecken, die vor allem von Frauen abends gemieden werden.

Mit Kunst gegen Angsträume

Angsträume lassen sich aber durchaus umgestalten. Auch an dieser Stelle ist die schwedische Stadt Umeå beispielhaft. Dort wurde ein dunkler Tunnel zu einem offenen und hellen Ort. Mit Kunst an den Wänden, Naturgeräuschen aus Lausprechern und einem zusätzlichen Ausgang in der Mitte.

Generell sind viele Städte nicht unbedingt fußgängerfreundlich angelegt — Straßen und Autos dominieren eindeutig.

Dieser Umstand wird im "Gender Planning" ebenfalls berücksichtigt. Die Stadtplanerinnen Kail und Bock verweisen in diesem Zusammenhang auf verschiedene Mobilitätsstudien. Deren Ergebnisse sind eindeutig: Im Schnitt sind mehr Männer mit dem Auto unterwegs, während Frauen eher zu Fuß gehen oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

Inzwischen werden Autos aber immer häufiger um die Innenstädte herumgeleitet. Fußgänger:innen und Radfahrer:innen haben so mehr Platz. Beispielhaft dafür steht die Stadt Barcelona. In sogenannten Superblocks gibt es keine Autos. Auf den Straßen können jetzt Kinder spielen und Anwohner:innen Kaffee trinken.

Klimawandel: So werden unsere Städte resilient

Beim "Gender Planning" geht es aber nicht nur um die Geschlechterfrage. Es geht generell darum, dass sich alle Gruppen in einer Stadt wohlfühlen.

Damit verbunden ist auch die wohl größte Herausforderung derzeit in der Stadtplanung, wie Kail an einem Beispiel deutlich macht: "Es ist total wichtig, dass wir unsere Städte auf den Klimawandel vorbereiten." Im Sommer heizen sich die Städte auf. Vor allem Ältere und kleine Kinder leiden darunter.

Eine Wasserfontäne an einem Platz in der Stadt, der von Bäumen überschattet wird. | Bildquelle: IMAGO NurPhoto

Eine Lösung aus Kails Sicht: "Die beste natürliche Klimaanlage sind Baumbepflanzungen. Sie bieten Schatten, kühlen die Städte ab und binden CO2. Wir müssen Bäume da pflanzen, wo jetzt Autos parken."

Gib deinen Senf dazu mit der Senf-App

Mehr Grün und weniger Autos, das wünscht sich auch Raphael Semmet. Wenn er aus dem Fenster seiner Kölner Wohnung schaut, sieht er die stark befahrene Luxemburger Straße. Hier wünscht er sich eine Tempo 30-Zone. Die Idee hat er auf der interaktiven Karte der „Senf“-App gepostet. Dafür gab’s Likes und Kommentare.

Eine Hand mit einem Smartphone, auf dem die Senf-App geöffnet ist. | Bildquelle: WDR

Die App funktioniert wie ein soziales Netzwerk, um Bürger:innen zu beteiligen. Raphael Semmet gehört mittlerweile zum Team der Ehrenamtlichen, die sich um die App kümmern. "Wir sind alle sehr interessiert an Beteiligung, dass sich die Dinge zum Positiven entwickeln", sagt er. Ideen mit vielen Reaktionen gibt das Team auch an die Stadt Köln weiter – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Stadtplanung: der Grundstein für die Stadt für alle

Dass sich wirklich etwas verändert, können die beiden Stadtplanerinnen Eva Kail und Stephanie Bock bestätigen. Viele Ideen aus dem „Gender Planning“ seien mittlerweile Standard geworden. Auch wenn die Prozesse, bis dann auch wirklich etwas verändert wird, lange dauern können und es häufig Konflikte gibt. Die Stadt für alle bedeutet eben auch für alle etwas anderes.

Wie sich die beiden Planerinnen selbst diese Stadt eigentlich wünschen? Beide schmunzeln bei der Frage und sind sich trotz der Distanz zwischen Berlin und Wien einig: Ihre Traum-Städte sind ganz unspektakulär. Wir würden es einfach daran merken, dass wir gerne dort leben.

Mehr Informationen zum Thema:

Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur: Mobilität in Deutschland Ergebnisbericht 2018 (bmdv.bund.de)

Ramboll: Gender and (smart) mobility 2022 (ramboll.com)

Bundeskriminalamt: Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (bka.de)

Viele haben dieses mulmige Gefühl (tagesschau.de)

BKA-Studie: Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (bmi.bund.de)

Die grünen Superinseln Barcelonas geben den Menschen ihre Stadt zurück (swr.de)

Stadt Umeâ (genderedlandscape.umea.se)

Kommentare zum Thema

  • Thomas Springer 23.07.2024, 15:29 Uhr

    Also Gruppen fühlen sich in unseren Städten schon mal wohl. Nur nicht ALLE Gruppen...

  • mulOMpUR 23.12.2023, 07:13 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • Petra Bönning 23.10.2023, 22:44 Uhr

    Omg

Ideen für heute und übermorgen Ideen für heute und übermorgen