Seit mehr als als einem halben Jahrhundert ist der Paschenhof im Besitz der Familie Leuchtenberg. Im Norden von Neukirchen-Vluyn bewirtschaftet Johannes Leuchtenberg mit seiner Frau rund 70 Hektar Land, hält 70 Kühe und deren Jungtiere. Genau wie tausende andere Landwirte in Deutschland bekommt er dafür Subventionen von der Europäischen Union (EU).
Wenn man den 55-Jährigen darauf anspricht, wird deutlich, wie sehr das Thema ihn umtreibt. Einerseits will er auf das Geld, das er jedes Jahr aus Brüssel überwiesen bekommt, nicht verzichten - auch weil er es schlicht nicht kann. Andererseits ist die EU für Leuchtenberg ein riesiges Bürokratiemonster.
Im Jahr 2022 bekam Leuchtenberg mehr als 20.000 Euro. Er sagt, das sei etwa die Hälfte seiner Einnahmen in diesem Jahr. Wegen der Reformen in der EU-Agrarpolitik befürchtet er, dass er künftig weniger Geld bekommt, dafür aber noch mehr Auflagen erfüllen muss. Er müsse sich gut überlegen, wie es auf seinem Hof weitergehen soll, sagt der Landwirt.
So wie Leuchtenberg geht es vielen Landwirten in Deutschland. Grund genug, einmal genau hinzuschauen: Welche Subventionen bekommen Landwirte überhaupt und wofür? Was beinhaltet die Reform der EU-Agrarpolitik? Und ginge es auch ganz ohne Subventionen?
In diesem Beitrag
Warum bekommen Landwirte Geld von der EU?
Welche Subventionen gibt es?
Warum sind die Bauern unzufrieden?
Was hat sich mit der Reform geändert?
Geht es auch ohne Subventionen?
Warum bekommen Landwirte Geld von der EU?
Die "Gemeinsame Agrarpolitik" (GAP) der EU gibt es bereits seit 1962. Mit ihr will die EU Landwirte und Landwirtinnen unterstützen, "um eine sichere Versorgung mit bezahlbaren Nahrungsmitteln zu gewährleisten". Mit dem Geld sollen die Einkommen der Bauern aufgestockt und damit auch Arbeitsplätze erhalten werden.
Ein weiteres Ziel ist der Erhalt ländlicher Gebiete in der EU. Gleichzeitig soll damit aber auch der Klimawandel bekämpft und nachhaltige Bewirtschaftung gefördert werden.
Welche Subventionen gibt es?
Die Agrarsubventionen der EU bestehen aus zwei Bereichen: Den Direktzahlungen und der Entwicklung des ländlichen Raums.
Mehr als 70 Prozent des Geldes geht als Direktzahlung an die Landwirte. Für diese Einkommensunterstützung bekommt Deutschland in diesem Jahr 4,3 Milliarden Euro von der EU. Davon gehen 395 Millionen Euro an Bauern in NRW.
Weitere 1,8 Milliarden Euro bekommt Deutschland für die Förderung des ländlichen Raums. Damit werden unter anderem freiwillige Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen gefördert - zum Beispiel das Stilllegen von Ackerflächen, Erosionsschutz, ökologischer Landbau und Tierwohlmaßnahmen. Für NRW sind für dieses Jahr 115 Millionen Euro in diesem Bereich eingeplant.
Über die Jahre hat die EU die GAP und mit ihr die Subventionen immer wieder angepasst. Vor 2005 richteten sich die Fördergelder nach der Menge bestimmter Produkte wie Eier oder Milch. Das führte zu einer Überproduktion. Berühmt aus dieser Zeit sind "Milchseen" und "Butterberge".
Ab 2006 wurden die Zahlungen von der Produktion entkoppelt. Seitdem orientieren sie sich an der Größe der bewirtschafteten Fläche: Die Landwirte werden pro Hektar bezahlt. Wer viel Land besitzt, bekommt viel Geld von der EU.
Die jüngste Reform gilt offiziell seit dem vergangenen Jahr. Allerdings führte vor allem der Ukraine-Krieg dazu, dass einige der Maßnahmen vorerst ausgesetzt wurden.
Warum sind die Bauern unzufrieden?
Der große Streitpunkt bei der aktuellen Reform sind die Direktzahlungen. Denn mit der neuen Ausrichtung in Richtung Nachhaltigkeit hat die EU einen Teil der Einkommensunterstützung abgesenkt und mit strengeren Auflagen für Umwelt- und Klimaschutz verbunden. Dazu kommt, dass bei den Direktzahlungen eine von insgesamt mehr als vier Milliarden Euro nur an Landwirte ausgezahlt wird, die bestimmte Agrarumwelt-, Klima- oder Gewässerschutzmaßnahmen umsetzen. Je mehr Öko-Regelungen erfüllt werden, desto höher die Subvention.
Das geht vielen deutschen Landwirten zu weit. Vor allem, weil der Binnenmarkt in der EU gleichzeitig dafür sorgt, dass sie beim Verkauf ihrer Produkte mit den Preisen aus anderen Ländern konkurrieren. Dort kann oft wesentlich günstiger produziert werden. Nach den Bauernprotesten in den vergangenen Monaten reagierte das EU-Parlament Ende April und lockerte einen Teil der Umweltauflagen für die Landwirte.
Was hat sich mit der Reform geändert?
Am besten lässt sich die neue Ausrichtung der Subventionspolitik am Beispiel der ehemaligen Basisprämie erklären. Sie war bislang eine Einkommensunterstützung, die die Bauern ausbezahlt bekamen, ohne dafür besondere Auflagen erfüllen zu müssen. Zwischen 2014 und 2020 waren das im jährlichen Schnitt 173 Euro pro Hektar. Bauern, die zudem noch bestimmte Klima- und Umweltschutzauflagen erfüllten, bekamen für diese Flächen 85 Euro pro Hektar zusätzlich.
Seit 2023 müssen die Bauern diese Umweltschutzauflagen aber zwingend erfüllen, um überhaupt Geld zu bekommen. Noch dazu zahlt die EU statt der zwei Prämien von insgesamt 258 Euro pro Hektar nur noch eine in Höhe von 156 Euro. Im kommenden Jahr soll die Förderung sogar noch weiter sinken.
Das dadurch frei gewordene Geld nutzt die EU dafür, andere Direktzahlungen zu erhöhen und neue Förderkategorien einzuführen. So werden künftig kleinere Betriebe und junge Landwirte stärker unterstützt. Zudem sollen Bauern Geld bekommen, wenn sie Kühe, Schafe und Ziegen halten, die keine Milch produzieren, und wenn sie deren Jungtiere später von den Müttern trennen.
Eine weitere große Änderung durch die Reform ist der Katalog an Öko-Regelungen, den die EU erstellt hat. In diesem Jahr wird eine Milliarde Euro nur an Landwirte ausgezahlt, die diese freiwilligen Umwelt- und Klimaschutz-Maßnahmen erfüllen. Der Katalog umfasst sieben Regelungen, vom Anlegen von Blühstreifen über den Anbau besonders vielfältiger Kulturen oder sogenannter Agroforstflächen bis hin zum Verzicht auf Pflanzenschutzmittel.
Geht es auch ohne Subventionen?
Zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Meinungen. Der Agrarökonom Alfons Balmann, der in Halle das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien leitet, hält die Unterstützung aus Brüssel nicht für sinnvoll. Er kritisiert vor allem, dass viele Bauern die Subventionen bei vielen Entscheidungen schon mit einpreisen. So würde beispielsweise Land zu einem Preis gepachtet, den die Landwirte ohne die Gelder aus Brüssel nicht bezahlen könnten. Diese Praktiken führten dazu, dass alles Geld bereits eingeplant sei und die Landwirte kaum auf Marktentwicklungen reagieren könnten, weil dafür eben kein Geld übrig sei.
Dass durch ein mögliches Streichen der Subventionen auch die Landwirtschaft verschwindet, befürchtet er nicht. Vielmehr würde eine Auslese stattfinden, nach der nur die produktiven und rentablen Betriebe übrig blieben.
Auch den Aspekt, dass die Subventionen ein Anreiz für die Bauern sind, umwelt- und klimafreundlicher zu wirtschaften, bezweifelt Balmann. Dafür seien die Anforderungen, die die EU für die Subventionen verlange, zu niedrig.
Das sieht Philipp Mennig etwas anders. Der Agrarwissenschaftler arbeitet am Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe der Technischen Universität München. Er hält den Schritt der EU, die Direktzahlungen nicht mehr nahezu bedingungslos auszuzahlen, für richtig.
Weil die Subventionen bislang kaum an konkrete Umweltmaßnahmen gebunden waren, hatten die Landwirte laut Mennig auch keinen Anreiz, sogenannte Umweltgüter zu produzieren. "Denn für diese Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen bekommen die Bauern von den Abnehmern ihrer Produkte kein Geld. Deshalb müsse an dieser Stelle die Politik einspringen und Subventionen zahlen. Schließlich seien die Umweltschutzmaßnahmen eine "Leistung, die der Gesellschaft zu Gute kommt, die mit öffentlichen Geldern bezahlt werden sollte."
Landwirt Johannes Luechtenberg geht das nicht weit genug. Er hält die Subventionen auch ohne Auflagen für essentiell. "Wir Landwirte brauchen die Einkommensstütze, damit wir überhaupt auf dem Weltmarkt mithalten können", sagt er. In anderen Ländern könne viel billiger produziert werden, weil es dort keine Auflagen gebe und so viel gedüngt und Pflanzenschutzmittel genutzt werden könne, wie die Bauern wollten.
Fielen die Subventionen weg, würde sein Betrieb wahrscheinlich nicht überleben. "Da müsste ich mir was einfallen lassen", sagt der Landwirt. "Ich habe ja schon genug Bürokram gelernt. Da könnte ich ja vielleicht in die Verwaltung gehen."
Unsere Quellen:
- Interview mit dem Agrarökonomen Alfons Balmann
- Interview mit dem Agrarökonomen Philipp Mennig
- Interview mit dem Landwirt Johannes Leuchtenberg
- Landwirtschaftskammer NRW
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
- Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)
- Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission