Gewalthilfegesetz: Was die neuen Regeln für Frauen in NRW bedeuten

Stand: 01.02.2025, 20:16 Uhr

Frauen sollen in Deutschland künftig besser vor häuslicher Gewalt geschützt werden. Der Bundestag hat am Freitag das Gewalthilfegesetz beschlossen. Damit sollen Frauen künftig einen Rechtsanspruch auf Hilfsangebote wie den Platz im Frauenhaus haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Fast jeden Tag stirbt in Deutschland eine Frau an häuslicher Gewalt - das geht aus dem Lagebild des Bundeskriminalamts hervor. "Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Jede dritte Frau - das heißt, wir alle kennen jemanden", rechnet Bundesfamilienministerin Lisa Paus vor. Geprügelt werde dabei in allen Schichten und an allen Orten.

Der Bundestag hat am 31. Januar 2025 das Gewalthilfegesetz beschlossen. Es sieht ab 2030 für Opfer von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe vor. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.

Fragen und Antworten zum Gewalthilfegesetz:

Frauenhäuser in NRW begrüßen Gewalthilfegesetz WDR Studios NRW 01.02.2025 03:30 Min. Verfügbar bis 01.02.2027 WDR Online

Wie viele Frauen sind von Gewalt betroffen?

Jede dritte Frau wird Opfer von Gewalt | Bildquelle: picture alliance/dpa/Peter Steffen

Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) zeigen: 2023 wurden mehr als 52.000 Frauen Opfer von Sexualstraftaten - ein Anstieg von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Noch höher sind die Zahlen bei häuslicher Gewalt: mehr als 256.000 Betroffene, davon mehr als 70 Prozent Frauen und Mädchen, zählt die Statistik. Besonders erschreckend: 2023 wurden in Deutschland 360 Frauen von Partnern oder Ex-Partnern getötet - also fast jeden Tag ein Femizid.

Wie ist die Lage der Frauenhäuser in NRW?

Zimmer im Frauenhaus Solingen | Bildquelle: WDR

Um sich vor der Gewalt zu schützen, sind Frauenhäuser für viele Frauen oft die einzige Zuflucht. Frauenhäuser sind soziale Einrichtungen, in der Frauen und auch ihre Kinder vorübergehend eine geschützte Unterkunft finden. Sie bieten außerdem Beratung und Begleitung – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Aber: Frauenhäuser in Deutschland sind chronisch überbelegt. Auch in NRW gibt es in den bestehenden Frauenhäusern viel zu wenig Plätze - sowohl bei der Beratung als auch bei der Unterbringung. Gerade einmal rund 70 vom Land geförderte Frauenhäuser stehen in NRW. Es fehlen schätzungsweise 1.200 Plätze.

Kaum wird ein Platz frei, steht in den Häusern das Telefon nicht mehr still, berichtet auch Theodora Karakosta-Schmitt vom Frauenhaus Remscheid. Die acht Plätze dort seien quasi immer belegt. Der schwerste Moment sei der, wenn man hilfesuchenden Frauen absagen müsse. "Wir haben Frauen, die da ganz verzweifelt sind und weinen. Wir haben Frauen, die dann sagen, Sie sind jetzt die zwölfte Stelle, die ich angerufen habe."

Wer übernimmt bislang die Kosten?

Die Finanzierung ist bislang weder gesichert noch verlässlich. Die Finanzierung der Frauenhäuser und Fachberatungsstellen in Deutschland gleiche einem Flickenteppich, kritisiert auch der Verein Frauenhauskoodinierung. "Finanzierungsquellen sind Landesmittel und kommunale Mittel, dazu kommen Kostenbeteiligungen von Frauen sowie Eigenmittel der Träger, unter anderem Spenden und Bußgelder."

In NRW müssen Frauen mit geregeltem Einkommen in der Regel für ihren Aufenthalt selbst aufkommen. Die Kosten liegen dabei zwischen 25 und 100 Euro pro Tag und Person. "Das kann besonders für Mütter mit Kindern eine immense finanzielle Belastung darstellen", erklärt die Leiterin des Frauenhauses in Solingen, Martina Zsack-Möllmann. Auch Studentinnen, Auszubildende oder Asylbewerberinnen müssen das Hilfsangebot aus eigener Tasche zahlen.

Julia Kuntemeier leitet ein Frauenhaus in Minden. Sie hat vor Jahren selbst die Situation erlebt, Zuflucht in einem Frauenhaus suchen zu müssen. Auch sie wurde von ihrem Ex-Partner misshandelt. Damit sie sich den Aufenthalt leisten konnte, musste sie ihr Studium abbrechen und Sozialleistungen beziehen. "Ich habe alles aufgegeben", erinnert sie sich.

Bislang kommt es bei der Finanzierung also noch darauf an, wie stark sich ein Bundesland oder eine Kommune für das Thema einsetzt und dementsprechend Leistungen zur Verfügung stellt.

Was soll das neue Gesetz ermöglichen?

Der Rechtsanspruch auf Schutz soll ab 2030 gelten | Bildquelle: Imago

Durch das neue Gewalthilfegesetz haben Frauen künftig einen Rechtsanspruch auf Schutz. Der soll ab 2030 gelten. Das heißt, dass die Kosten für Beratung und auch für die Unterbringung für alle Frauen übernommen werden. "Das würde unsere Arbeit erleichtern", sagt Julia Kuntemeier. "Ich muss nicht direkt abfragen, wie wir den Platzt refinanziert kriegen." Neu ist auch, dass Betroffene künftig bundesweit Hilfeeinrichtungen aufsuchen und Leistungen in Anspruch nehmen können, unabhängig davon, aus welcher Kommune oder welchem Bundesland sie kommen.

Die Bundesregierung will 2,6 Milliarden Euro bereitstellen. Die Länder werden mit dem Gesetz dazu verpflichtet, ausreichend Schutzräume und Beratungsangebote zu schaffen. Doch: In ganz Deutschland fehlen zurzeit 14.000 Plätze in Frauenhäusern - eine Lücke, sie sich nicht so schnell schließen lässt.

Neben kostenfreien Schutz- und Beratungsangeboten soll es auch Maßnahmen zur Prävention geben - einschließlich Täterarbeit und Öffentlichkeitsarbeit.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Zuständig für Gewaltschutz und Gewaltprävention sind in erster Linie die Länder. Das Gewalthilfegesetz sieht vor, dass der Bund ihnen im Zeitraum von 2027 bis 2036 insgesamt 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, damit sie den Ausbau bewältigen können. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.

Der Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe soll ab 2030 gelten. Bis dahin soll das Hilfesystem ausgebaut werden - dazu zählen insbesondere mehr Frauenhäuser, Schutzwohnungen und Beratungsstellen. Die Länder sollen dabei verpflichtet werden, ein ausreichendes Angebot an solchen Stellen sicherzustellen.

Wie kann man Frauenhäuser finden?

Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" berät von Gewalt betroffene Frauen unter der Rufnummer 116 016 und online zu allen Formen von Gewalt – rund um die Uhr und kostenfrei. Die Beratung erfolgt anonym, vertraulich, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an eine Unterstützungseinrichtung vor Ort. Auch Menschen aus dem sozialen Umfeld Betroffener und Fachkräfte können das Beratungsangebot in Anspruch nehmen.

Der Verein Frauenhauskoordination hat auf seiner Seite außerdem eine interaktive Karte veröffentlicht. Hier sind bundesweit Frauenhäuser auf einen Blick zu finden.

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