Das Internet wird dominiert von US-Unternehmen: Google, Microsoft, Meta, Amazon und Apple bieten fast alles, was man im Netz so braucht. E-Mail, Suchmaschinen, Cloud-Speicher, Apps, soziale Netzwerke und seit Neuestem auch noch Künstliche Intelligenz (KI) – alles kommt aus den Vereinigten Staaten. Sie zu nutzen, ist äußerst bequem, weil sie oft nur einen Mausklick entfernt sind. Allerdings sorgt das für eine starke Abhängigkeit von den US-Konzernen. Außerdem weiß niemand, welche Daten abfließen und wie sie genutzt werden.
Viele Menschen fragen sich spätestens seit den aufkommenden geopolitischen Spannungen, ob nicht auch Lösungen aus Europa existieren, bei denen Datenschutz und die Kontrolle über die eigenen Daten einen höheren Stellenwert haben – und die insgesamt weniger Abhängigkeit bedeuten könnten.
Suchmaschine und Social Networks
Zu den führenden Suchmaschinen Google und Bing (von Microsoft) gibt es kaum ernsthafte Alternativen, am ehesten noch die französische Suchmaschine Qwant. Sie verzichtet vollständig auf Tracking und Werbung, bietet allerdings auch nicht den Suchkomfort von Google.
Erst recht gibt es bislang keine ernsthafte Konkurrenz zu den großen sozialen Netzwerken. Am ehesten Mastodon, das von keinem kommerziellen Anbieter betrieben wird und am ehesten mit Twitter/X vergleichbar ist. Doch kein europäisches Netzwerk hat auch nur annähernd die Verbreitung und damit die Bedeutung der US-Plattformen.
Cloud-Dienste: Nextcloud als Beispiel für Selbstbestimmung
Deutlich besser sieht es bei Cloud-Diensten aus. Fast jeder speichert heute – bewusst oder unbewusst – Dokumente, Kontakte, Termine und Dateien in der Cloud, also im Netz. Die großen Anbieter Microsoft, Google, Apple, Amazon, Dropbox etc. bieten komfortable Cloud-Dienste an. Zweifellos bequem, doch vollständige Kontrolle über die eigenen Daten hat hier niemand.
Doch es geht auch anders. Eine interessante Alternative aus Deutschland ist Nextcloud. Kein Cloud-Dienst, den man direkt buchen kann, sondern eine praktische und kostenlose Lösung, um quasi selbst eine Cloud zu bauen. Und das ohne großen Aufwand. Nextcloud bietet ähnliche Funktionen wie die großen US-Dienste: Wer mag, speichert hier Dokumente und Dateien und kann von überall darauf zugreifen und sie mit anderen teilen. Auch der eigene Kalender, Kontakte, Notizen und gemeinsam mit anderen genutzte Dokumente sind hinterlegt und jederzeit verfügbar.
Doch der wesentliche Unterschied zu den bekannten Namen ist: Nextcloud ist Open Source. Das bedeutet, jeder kann sich den Programmcode anschauen. Es kann keine verstecken Funktionen oder Geheimnisse geben. Gut fürs Vertrauen, weil es keine Hintertüren für Geheimdienste geben kann und keine Daten geteilt werden.
Wer mag, kann Nextcloud selbst einrichten, etwa auf einem Computer zu Hause. Alternativ lässt sich Nextcloud auch bei einem deutschen oder europäischen Hoster (Anbieter für Speicherplatz oder Server) einrichten. Das ist etwas aufwändiger als die Fertiglösungen der US-Dienste, aber mit etwas Engagement zu bewältigen. Viele Anbieter stellen vorkonfigurierte Pakete bereit – zu niedrigen monatlichen Preisen oder teilweise sogar kostenlos. Das ist dann besonders einfach (einrichten und loslegen), sehr günstig oder kostenlos – nahezu genauso komfortabel wie Dropbox, Onedrive oder Google Drive.
Der wohl größte Vorteil: Die Daten bleiben in Europa oder sogar vollständig unter eigener Kontrolle. Es gibt keine versteckten Cloud-Dienste im Hintergrund, keine Analyse der Inhalte zu Werbezwecken, keine Abhängigkeit von US-Recht. Auch der Zugriff auf die Daten lässt sich genau regeln – von überall per App oder Webbrowser.
Künstliche Intelligenz aus Europa: Mistral und Flux
Auch im heiß umkämpften Feld der KI-Chatbots gibt es inzwischen europäische Konkurrenz, die es mit den Großen der Branche aufnehmen kann. Besonders hervorzuheben ist der Chatbot Mistral aus Frankreich, der laut offiziellen Benchmarks (technische Vergleichstests) mindestens mit GPT-3.5 oder sogar GPT-4 vergleichbar ist – je nach Anwendung. Für die allermeisten Aufgaben reicht Mistral vollkommen aus.
Mistral ist komplett kostenlos. Wer mag und über die technische Expertise verfügt, kann Mistrals Chatbot sogar auf dem eigenen Rechner oder auf einem eigenen Server einrichten und benutzen. Mistral ist ausgesprochen leistungsfähig und für Forschung, Bildung und auch für Unternehmen in Europa besonders attraktiv, da keine Daten abfließen und bei kostenloser Nutzung trotzdem gute Ergebnisse geboten werden.
Eine weitere KI mit europäischem Hintergrund ist Flux, ein deutsches Modell, das Fotos, Bilder, Illustrationen und Grafiken erstellt. Auch Flux setzt auf Transparenz und kann prinzipiell völlig kostenlos verwendet werden. Die Bilder-KI Flux gilt weltweit als eine der führenden generativen KIs, um Bilder oder Fotos zu erzeugen – auf einem sehr hohen Niveau und ebenfalls kostenlos. Flux ist sogar in Mistral eingebaut und kann von dort benutzt werden.
Mehr Unabhängigkeit ist möglich – oft kostenlos
Es braucht also keine riesigen Investitionen, um sich digital unabhängiger aufzustellen. Viele der genannten Tools und Dienste sind kostenlos oder sehr günstig, oft Open Source (der Quellcode ist einsehbar, das schafft Vertrauen), und dadurch offen für Weiterentwicklung und Kontrolle.
Der Aufwand, sich damit auseinanderzusetzen, zahlt sich aus: Für mehr Kontrolle, Transparenz und ein Stück digitale Freiheit. Nicht alles muss aus Kalifornien oder Shenzhen kommen.
Unsere Quellen:
- Einschätzungen des WDR-Digitalexperten Jörg Schieb