Extremwetter: Die Folgen des wärmsten Frühjahrs Aktuelle Stunde 03.06.2024 31:36 Min. UT Verfügbar bis 03.06.2026 WDR Von Andreas Hodapp

Starkregen als neues Normal: Wie wir darauf vorbereitet sind

Stand: 04.06.2024, 06:52 Uhr

Überflutete Straßen, vollgelaufene Keller und müde Helfer: Die Lage in Süddeutschland bleibt angespannt. Solche Unwetter mit Starkregen wird es künftig öfter geben, sagen Klimaforscher. Wie wir uns darauf vorbereiten können.

Das Ahrtal, das Saarland und jetzt Süddeutschland: Es vergeht kaum ein Monat, ohne dass man in den Nachrichten Bilder von überschwemmten Regionen sieht. Nicht überraschend für Klimaforscherinnen und -forscher.

Constanze Schmidt vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie erklärt, warum der Starkregen - wie gerade in Bayern und Baden-Württemberg - das neue Normal ist und wie wir uns darauf vorbereiten können.

Wann spricht man von Starkregen?

Der Deutsche Wetterdienst hat diese Menge definiert. Es gibt verschiedene Abstufungen dafür. Wenn es 15 bis 25 Liter pro Quadratmeter (l/m²) pro Stunde regnet oder innerhalb von sechs Stunden 20 bis 35 l/m² fallen, gilt das als markantes Wetter. Alles über 25 l/m² pro Stunde oder 35 l/m² in sechs Stunden ist Unwetter.

Wassermengen bei "Starkregen" | Bildquelle: WDR

Warum gibt es immer mehr Starkregen?

Constanze Schmidt nennt dafür zwei maßgebliche Gründe. Zum einen die erhöhte Meeresoberflächentemperatur: "Gerade jetzt, zu Beginn 2024, ist die Kurve extrem hoch, also so hoch wie noch nie zuvor zu einem Vergleich zu den anderen gemessenen Werten der letzten Jahre."

Constanze Schmidt | Bildquelle: Privat

Zum anderen nehme die globale Lufttemperatur zu. "Und wir wissen aus der Physik, dass warme Luft mehr Wasserdampf speichern kann. So ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es zu mehr Starkregen kommen kann." Heißt auch: Je mehr Wasser in den Wolken, desto stärker der Regen.

Müssen wir uns auf häufigeren Starkregen und dessen Folgen einstellen?

Ja. "Unbestritten ist: Starkregen wird durch die Klimaerwärmung häufiger und intensiver", sagte Stefan Rahmstorf, Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), am Montag dem "Spiegel".

Constanze Schmidt sieht das ähnlich. Die Folgen des Klimawandels seien jedoch von Region zu Region unterschiedlich. Am Niederrhein beispielsweise sei es künftig trockener, da es hier nicht so stark regnen werde - anders als im Bergischen Land, im Sieger- oder Sauerland. "Da regnen diese Tiefdruckgebiete, die sehr viel Wasserdampf aufgenommen haben, sehr viel stärker ab."

Was ist, wenn man etwas höher wohnt? Muss man dann keine Angst vor Hochwasser haben?

Das stimmt nur bedingt. Constanze Schmidt arbeitet in Wuppertal, auch da gibt's häufiger Hochwasser. "Wolken regnen dort ab, wo wir eben die Höhenregionen haben, weil die Wolken dort am Berg festhängen."

Die Wahrscheinlichkeit, dass Keller überflutet werden, sei jedoch im Tal höher, weil das Wasser nach unten abfließe und sich seinen Weg suche.

Wie können sich Hausbesitzer schützen?

"Starkregen kann jeden treffen", sagt Roland Waniek, Leiter des Instituts für unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen. "Viele wissen gar nicht, dass sie auch etwas im Kleinen machen können, das muss gar nicht teuer sein."

Das Wichtigste sei eine Rückstausicherung, damit kein Wasser durch Leitungen oder Kanalisation zurück ins Gebäude gedrückt werde. Weitere, vergleichsweise einfache Maßnahmen seien:

  • Dachrinnen regelmäßig reinigen, damit sich kein Wasser aufstaut
  • Kellereingänge überdachen, um Wassereinfall zu verhindern
  • Flächen entsiegeln, so dass Regenwasser versickern kann
  • Kleine Bodenwellen oder Mauern errichten, die Wasser vom Gebäude fernhalten
  • Wasserdichte Kellertüren und Fenster einbauen

Spezielle Starkregen-Karten klären zudem auf, wie gefährdet eine Region bei einem Extremwetter-Ereignis ist. Wer die eigene Adresse eingibt, kann direkt erkennen, welche Stellen gefährdet sind. Auch ein Hochwasser-Pass hilft, das Risiko besser einzuschätzen.

Wie können sich Städte und Gemeinden darauf vorbereiten?

Da gibt es viele Ideen. Das eine sind die technischen Lösungen. Das reicht von Regenrückhaltebecken über unterirdische Wassertanks und Pumpen bis hin zur Entsiegelung von Flächen. Aktuell sind etwa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland laut Umweltbundesamt versiegelt. Das heißt: Sie sind bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt, so dass die Wassermassen nicht versickern. Es kommt zu Überschwemmungen.

Das andere sind naturbasierte Lösungen. Heißt beispielsweise: mehr Bäume in den Städten und begrünte Brachflächen. "Eine Studie aus München hat gezeigt, dass ein Baum eine Kühlungsleistung etwa wie zehn mittlere Klimaanlagen hat", sagt Constanze Schmidt.

Andere Ideen gegen den Klimawandel und möglichen Starkregen seien "Dachbegrünungen, die das Wasser von oben dann direkt halten können". Oder mehr Gebäudefassaden, die begrünt werden.

Die Klimawandel-Folgen seien sehr spezifisch und von Kommune zu Kommune unterschiedlich, sagt Constanze Schmidt. "Dennoch kommen sie nicht umhin, sich spätestens jetzt mit den unterschiedlichen, für ihre Region spezifischen, Extremwetterereignissen auseinanderzusetzen."

Und was macht die Politik?

Seit über zehn Jahren gibt es das nationale Hochwasserschutzprogramm - eine Liste mit überregionalen Projekten für den Hochwasserschutz. Doch bislang wurden erst 15 Prozent davon umgesetzt. Wie es vom Bundesumweltministerium weiter heißt, befindet sich ein Großteil der Maßnahmen noch in Planung oder in der Konzeption. Hochwasserschutz sei eine Daueraufgabe.

Die Finanzierung des Programms sei zwar langfristig gesichert, für dieses Jahr sind 50 Millionen Euro geplant. Doch die Hochwasser-Projekte werden von Jahr zu Jahr teurer. Baukosten steigen, Fachkräfte fehlen und Genehmigungen dauern. Dabei scheinen die Folgen des Klimawandels offenbar schneller voranzuschreiten, als die Maßnahmen, die gegen Hochwasser umgesetzt werden.

Zudem wird nun erneut über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden für alle privaten Wohngebäude-Eigentümer diskutiert. Denn: Viele Menschen in hochwasserbedrohten Gebieten sind nicht gegen Flutschäden versichert. Im bundesweiten Vergleich ist Nordrhein-Westfalen sogar besonders gefährdet.

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Über dieses Thema berichten wir auch im WDR Radio bei Cosmo und WDR 5 am 3. und 4. Juni 2024.

Quellen:

  • Interview mit Constanze Schmidt
  • Umweltbundesamt
  • Nachrichtenagentur dpa
  • WDR-Redaktion Quarks
  • ARD-Korrespondentin Sarah Beham