Kleine Füße in Stollenschuhen laufen durch tiefe Pfützen auf einem uralten Ascheplatz: Das ist diese Woche die Fußballrealität für 80 Kinder beim Training der Vereine SV Duissern und Preußen Duisburg. Für eine Sanierung fehlt hier das Geld, während für Stadien und Infrastruktur in Katar 220 Milliarden US-Dollar ausgegeben worden sein sollen. Eine Szenerie, die sehr weit weg ist von der in Duisburg. Dabei geht es dort wie hier um das geht, was sie alle lieben: den Fußball.
Luis aus der D-Jugend sagt klar: "Ich finde es nicht gut, was da in Katar abgeht". Sein Kumpel Valentin nickt, will aber "die Deutschland-Spiele trotzdem gucken". Es wird viel diskutiert, über die Wüsten-WM und die Ungerechtigkeit, die viele Amateuervereine im Westen empfinden. "Gerade wenn man Katar sieht, bin ich schon enttäuscht, dass es bei uns an vielen Dingen fehlt und woanders wird das Geld rausgeworfen", kritisiert Jugendleiter Eckhard Eisenmann. "Für eins dieser Stadien könnten wir was weiß ich wie viele Plätze kaufen."
Fördertöpfe sind schnell leer
Das Land NRW hat zuletzt einen 300 Millionen Euro Fördertopf "Moderne Sportstätten 2022" aufgelegt. Das Geld ist nahezu vergriffen. Ob es eine weitere Förderung geben wird, ist noch unklar. Die Duisburger Fußball-Amateure bräuchten dringend einen neuen Platz. Für die Förderung durch die Stadt müsste der Verein die Hälfte der Kosten als Eigenanteil aufbringen. Das sei gerade in der aktuellen Situation nicht zu stemmen, sagt Eckhard Eisenmann.
Ehrenamt mit unglaublicher Aufgabe – Kritik von Trainer-Legende Ewald Lienen
Einer, der sich beim Thema regelrecht in Rage redet, ist Gladbach-Legende Ewald Lienen. Was nützen uns gut restaurierte Sportanlagen, wenn die Kinder anschließend keine Trainer haben?, so der ehemalige Fußball-Profi und Bundesliga-Trainer.
Durch die zweieinhalb Jahre Corona seien allein in Nordrhein-Westfalen 20 Prozent der ehrenamtlichen Trainer und Übungsleiter weggelaufen. Lienen fordert ein Umdenken in der Gesellschaft und der Politik. "Wir denken immer nur in Profiten", kritisiert er im Interview mit dem WDR-Magazin Westpol, "investieren dort viel Geld, wo man anschließend Geld verdienen kann." Man rette alles Mögliche, nur nicht die Vereine, die eine unglaubliche Aufgabe in der sozialen Arbeit hätten.
Förderung von Bund und Land – und vom DFB selbst?
Christos Katzidis ist Präsident des Fußballverbandes Mittelrhein und gleichzeitig Abgeordneter für die CDU im nordrheinwestfälischen Landtag. Mit den 300 Millionen Euro konnten viele Sportanlagen modernisiert werden, sagt er. Trotzdem sei der Sanierungsstau nach wie vor groß. Deshalb will er sich für einen weiteren Fördertopf einsetzen. Er verweist auf Kooperationen mit den Profivereinen, auf Unterstützung des Ehrenamtes. Gefragt nach mehr Unterstützung seitens des DFB sagt Katzidis: "Mehr kann man immer tun." Auch er sieht die Kommerzialisierung im Profifußball kritisch. Man müsse jetzt gucken, "dass die Spanne nicht noch größer wird."
Etwa 60 Kilometer entfernt in Dortmund hat der TuS Bövinghausen seine sportliche Heimat. Die 1. Herrenmannschaft spielt in der Oberliga und wird wohl auch in die Regionalliga aufsteigen. Es wäre ein bundesweit einmaliger Durchmarsch, der auch mit dem Namen Kevin Großkreutz eng verbunden ist.
Weltmeister bei den Amateuren
Der 33-Jährige gewann mit dem BVB zweimal die Deutsche Meisterschaft, wurde Pokalsieger und gehörte der Weltmeister-Mannschaft von 2014 um Jogi Löw an. Als Spieler geriet er auch durch Eskapaden abseits des Platzes in die Schlagzeilen.
Wenn er heute auf den Profifußball blickt, sieht er einige Entwicklungen kritisch. "Wenn man allein die Ablösesumme der Spieler alleine sieht: Das gab es ja früher gar nicht", sagt Großkreutz. "Und das schaukelt sich immer weiter hoch." Ob das dem Fußball gut tue, darüber lasse sich streiten. Sein Stadtteilverein Bövinghausen bräuchte derweil dringend neue Toilettenanlagen und Umkleidekabinen.
Kneipe überträgt keine WM-Spiele
Seine Kneipe in Dortmund wird keine WM-Spiele zeigen. Jeder entscheide für sich, so der Weltmeister von 2014. Aber er sei - wie viele andere auch - nicht für diese WM.
Die Nationalspieler nimmt Kevin Großkreutz ausdrücklich in Schutz. Für die sei es "schwer, ein Zeichen zu setzen: Gerade die jungen Spieler freuten sich dabei zu sein."
Das Bröckeln an der Basis
In Duisburg ist das Training auf Asche inzwischen beendet. Eltern stehen am Spielfeldrand und warten auf ihre durchnässten, aber glücklichen Kinder. Einer oder eine von ihnen schafft vielleicht auch mal den Sprung in den Profibereich. Und daran sollten die "Verbände da oben" mal denken, sagen sie hier. Stimmt. Denn ohne die Basis bröckelt der Fußball. Und damit auch die oft beschworene integrative Wirkung.
Über das Thema berichten wir am 20.11.2022 in Westpol, 19.30 Uhr im WDR Fernsehen