Der NRW-Verkehrsminister kommt unter die Stelze. Am Donnerstag machte sich Oliver Krischer (B'90/Grüne) selbst ein Bild davon, wie es aussieht, wenn eine sechsspurige Autobahn auf Säulen zwischen Fußballstadion und Wohnsiedlung durch eine Stadt führt.
In Zukunft soll die jetzt schon imposante "Stelze" doppelt so groß werden und die nahe A3 mit der dann sanierten Leverkusener Brücke verbinden. Ein Mammutprojekt, dass im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen ist. Die Strecke soll ab 2030 auf acht Spuren ausgebaut werden, dazu kommen zwei Standstreifen.
"Braucht niemand, will niemand"
Vor Ort formiert sich seit langem breiter Widerstand gegen die Ausbaupläne, vom Stadtrat über den Oberbürgermeister bis zu Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Alle sind beim Termin mit dem Landesverkehrsminister dabei. Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) meint, Leverkusen sei verkehrstechnisch gebeutelt genug, durch Autobahnen, Bahnstrecken, Einflugsschneise des Köln-Bonner Flughafens: "Bei der Stadt, in der Politik und der Stadtgesellschaft ist die Belastungsgrenze erreicht."
Nyke Slawik sitzt für Leverkusen im Bundestag. Die Grünenpolitikerin ist stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschuss, setzt sich dort dafür ein, dass Bundesverkehrsminister Wissing die Pläne für den Ausbau überarbeitet:
"Der Ausbau hier in bestehender Höhenlage ist ein absoluter Albtraum. Wir haben jetzt schon jetzt in Leverkusen sehr viel Feinstaub, sehr viel Lärm. Das kann so nicht weitergehen. Wir müssen ernsthaft als Alternative einen Tunnel prüfen."
Der Vorschlag, die Autobahn unter die Stadt zu verlegen, ist einer, der in Leverkusen viel Zustimmung findet. Der andere: Einfach gar nicht erst ausbauen. Dafür engagiert sich ein Bündnis von Politikern und Verbänden vor Ort.
Stadt Leverkusen gibt Unterlagen nicht heraus
Die Stadt setzt ganz offen auf eine Verzögerungstaktik. Für die Planung der Autobahnerweiterung braucht die Autobahn GmbH Unterlagen von der Kommune, doch die gibt sie einfach nicht heraus. Allen Anfragen und Mahnungen zum Trotz, die Stadt will es den Planern so schwer wie möglich machen.
"Ich werde dann wieder gerügt von der Bezirksregierung beziehungsweise auch von den Gerichten", sagt Oberbürgermeister Uwe Richrath. Er will das klare Signal setzen, Politik und Bürger wollen den Ausbau nicht. "Und deshalb machen wir auch Sachen, die sehr massiv sind. Das heißt, wir arbeiten nicht zusammen, wir kooperieren nicht."
Was ist mit der Verkehrswende?
Eigentlich ist es das Ziel der Landes- und Bundespolitik, mit der Verkehrswende mehr Fracht und mehr Personen auf die Schiene anstatt auf die Straße zu bekommen. Doch in den Plänen des Bundesverkehrsministeriums für Leverkusen scheint das bislang keine Rolle zu spielen.
Vor allem aber auch die in der Zwischenzeit überarbeiteten und jetzt ambitionierteren Klimaziele sind in den Verkehrsplan nicht einbezogen. Verschiedene Rechtsgutachten kommen zu dem klaren Ergebnis:
"Wir haben die Situation, dass wir einen Bundesverkehrswegeplan haben, der mal berechnet wurde vor vielen vielen Jahren, der ist geltendes Gesetz", sagt Rüdiger Scholz (CDU). Er sitzt für Leverkusen im NRW-Landtag, hatte den Verkehrsminister zum Ortstermin eingeladen.
Jahrzehntelange Großbaustelle
In den 2030er Jahren soll laut aktuellen Planungen der Bau an der A1 beginnen. Gisela Kronenberg setzt sich seit Jahren im Stadtrat gegen den Ausbau ein. Nicht nur für sich selbst, sondern vor allem für die kommenden Generationen:
"Ich schätze mal, es wird frühestens 2050 bis 2055 fertig sein. Bis dahin haben wir 30 Jahre nur Lärm, nur Transportprobleme. Die Infrastruktur wird hier zusammenbrechen, jeden Tag. Wir werden immer wieder Probleme haben und diese Stadt wird nicht mehr lebenswert sein. Es ist einfach rücksichtslos was man mit uns macht." so Kronenberg.
Vor Ort macht NRW-Verkehrsminister Krischer eine Zusage: "Wir werden insgesamt über den Bundesverkehrswegeplan reden müssen. Da wird es eine Überarbeitung geben müssen. Da kommt langfristig überhaupt keiner drumherum. Und dann wird man sich jedes Projekt genau einzeln angucken müssen."
In Leverkusen hoffen Sie auf Minister Oliver Krischer. Der wird im kommenden Jahr Vorsitzender der Landesverkehrsminister Konferenz und dort die Gespräche zwischen Bund und Ländern über den Bundesverkehrswegeplan maßgeblich mitgestalten.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 30.10.2022 auch im Fernsehen: Westpol, 19.30 Uhr.