Die wichtigsten Fragen und Antworten haben wir hier hervorgehoben. Das Interview wurde am 12.03.25 geführt und gibt es in voller Länge hier zu hören:
WDR: Was wirkt aus diesen Pandemiejahren bei ihnen persönlich am stärksten nach?
Die schwierigen Entscheidungen, die getroffen werden mussten, die Geschwindigkeit, mit der sich die Lage verändert hat und die schweren Schicksal einzelner Menschen. Die Dramatik dieser Zeit ist mir für immer ins Gedächtnis eingebrannt und das werde ich nicht vergessen. Es war einfach der größte medizinische Notfall.
WDR: Wir haben Menschen auf der Straße nach ihren Erinnerungen an die Pandemie gefragt. Ein Mann sagte uns, es war unmenschlich gewesen, Sterbende alleinzulassen. Hat er aus heutiger Sicht recht?
Es ist auf jeden Fall eine Härte gewesen. Ich möchte hier nicht die Einrichtungen kritisieren, die so vorgegangen sind. Aber wir haben am Anfang natürlich sehr, sehr, sehr hohe Sterblichkeiten gehabt in Pflegeeinrichtungen, die nicht geschützt gewesen sind. Dass es uns gelungen ist, in der ersten Welle dann doch mit deutlich weniger Todesfällen durchzukommen als fast alle anderen europäischen Nachbarländer, ist auch diesen drastischen Maßnahmen zu verdanken. Somit ist das eine zweischneidige Sache. Das war eine unfassbare Härte, und das war schädlich für die Betroffenen. Vielleicht hätte man das anders organisieren können. Auf der anderen Seite ist es auch so, dass in Schweden beispielsweise in dieser ersten Welle ganz, ganz viele Menschen in Pflegeeinrichtungen gestorben sind, und das haben wir abgewendet.
WDR: Die Schulen waren mehr als 180 Tage zu. Das hat ganz breite Bevölkerungsschichten getroffen. Das war so lange wie in fast keinem Land in Europa. War das im Nachhinein richtig?
Ich glaube, da kann man schon klarer sagen, dass das so nicht richtig gewesen ist. Wir haben im Vergleich zu anderen Bereichen, meinetwegen im Vergleich zu den Betrieben, wo wir immer Ausnahmeregelungen gefunden haben, sodass weiter produziert werden konnte, in den Schulen eine gewisse Großzügigkeit an den Tag gelegt. Wir haben die Schulen schon früh, lange und konsequent geschlossen. Wir haben das auf eine Art und Weise getan, dass wir den Kindern wenig Alternativen angeboten haben. Also wenig Digitalunterricht angeboten haben und wenn, dann nicht so guten Digitalunterricht. Auch alternierende Unterrichtskonzepte sind wenig gemacht worden. Mein Eindruck ist, dass wir tatsächlich im Bereich der Kinder und Jugendlichen und gerade bei den Schulschließungen Fehler gemacht haben.
WDR: Haben Sie auch persönlich als Minister Fehler gemacht?
Ganz sicher. Aber das muss ich nicht selbst bewerten Sondern was ich richtig fände und dafür werden wir uns auch jetzt in den anstehenden Koalitionsverhandlungen einsetzen, dass wir eine systematische Aufarbeitung der Pandemie machen. Wir müssen schauen, dass wir die Gesellschaft wieder versöhnen. In dem Zusammenhang muss auch die Rolle der Bundesregierung geprüft werden. Dazu zähle auch ich und ich will daher mich nicht selbst bewerten. Es ist ganz sicher, dass jeder von uns Fehler gemacht hat und ich habe zum Beispiel die eine oder andere Äußerungen gemacht, die ich so nicht mehr tätigen würde.
WDR: Nebenwirkungen zum Beispiel?
Es ist ein Fehler gewesen, dahingehend, dass ich ja immer wieder auch betont habe, dass die Nebenwirkungen von Impfungen da sind. Ich habe mich ja sehr früh auch mit den Nebenwirkungen des AstraZeneca-Impfstoffes auseinandergesetzt, Sinusvenenthrombosen zum Beispiel. Aber wenn man sich ein oder zweimal etwas unvorsichtiger ausdrückt, dann kann das Schaden anrichten. Da muss man einfach sehr, sehr vorsichtig sein.
WDR: Die Zeit und die Süddeutsche berichten heute davon, dass der Bundesnachrichtendienst BND schon 2020 sicher war, dass das Coronavirus durch einen Laborunfall in die Welt gekommen ist. In Wuhan, China. Können Sie das bestätigen?
Nein, das kann ich nicht bestätigen, weil ich mich zu diesen geheimdienstlichen Erkenntnissen nicht öffentlich äußern kann und auch nicht möchte. Es ist richtig, dass es offenbar eine intensive Beschäftigung des Bundesnachrichtendienstes mit der Labor-Hypothese gegeben hat. Ich bin da nicht einbezogen gewesen und kann daher diese Vorgänge nicht kommentieren. Die Laborhypothese ist ja nie komplett ausgeschlossen gewesen. Wenn es da jetzt neue Erkenntnisse durch den BND gibt, dann werden die sicherlich auch bei uns erreichen.
WDR: Das würde ja bedeuten, dass wir ganz andere Schlussfolgerungen ziehen müssen, dass wir quasi mehr Angst vor den Menschen haben müssen als vor den Tieren oder nicht?
Zunächst einmal Pandemien werden, alleine durch den Klimawandel, durch die Art und Weise, wie wir die Biodiversität zerstören, mehr kommen. Das ist ganz klar. Die Abstände zwischen den Pandemien werden kürzer werden. Dazu kommt natürlich dann auch das Risiko menschengemachter Infektionsausbrüche und vielleicht auch Pandemien. Es ist ganz klar, egal wie es jetzt hier im konkreten Fall gewesen ist, es wird immer einfacher möglich werden, Viren so zu manipulieren und noch andere Erreger, dass sie für Menschen gefährlich sind. Das wird durch künstliche Intelligenz noch beschleunigt. Wir bekommen da auf jeden Fall eine zusätzliche Gefahr. Das ist ganz klar und wir müssen besser vorbereitet sein.
Das Interview führte Edda Dammmüller.
Für die Online-Fassung haben wir die Interview-Antworten sprachlich angepasst, aber inhaltlich nicht verändert.