Drei Milliarden Euro jährlich sind für das Deutschlandticket kalkuliert, jeweils die Hälfte wollen der Bund und die Länder bis 2025 übernehmen. Die Summe reiche aber gar nicht aus, sagen viele Ökonomen und auch die Verkehrsbetriebe selbst. Wer allerdings eventuelle Mehrkosten ab 2024 bezahlen soll – darüber hat sich der Streit derzeit festgefahren: Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt eine Übernahme kategorisch ab – und will darüber auch nicht mehr diskutieren.
Länder und Kommunen aber könnten zusätzliche Kosten nicht stemmen, heißt es. Unter anderem der Deutsche Städtetag warnte gerade noch vor einem Aus des Tickets, das zurzeit 49 Euro kostet und deutschlandweit in allen Bussen, Bahnen und Regionalzügen gilt. Auf einer Sondersitzung der Verkehrsminister vergangene Woche waren die Beteiligten kaum einen Schritt weiter gekommen.
Gemeinsame Sache beim Klimaschutz
Was aber wäre, wenn Bund und Länder im Namen des Klimaschutzes gemeinsame Sache machen würden, fragte Christian Grotemeier, Verkehrsforscher an der Hochschule RheinMain, am Wochenende in der "Zeit". Sein Vorschlag: Länder, die es schaffen, ihre Treibhausgasemissionen zu senken, bekommen im Gegenzug mehr finanzielle Unterstützung vom Bund, die dann in den ÖPNV und damit auch ins Deutschlandticket fließen kann.
Gemeinsame Sache beim Klimaschutz – das klingt eigentlich selbstverständlich, ist es aber nicht. Zwar gibt es ein Bundesklimaschutzgesetz – in den Ländern aber regeln eigene Landesklimaschutzgesetze die selbst gesteckten Ziele. Oder auch nicht. Manche Bundesländer haben gar kein Landesklimaschutzgesetz – so etwa Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt.
"Vieles liegt in den Händen der Kommunen"
Dem WDR gegenüber konkretisiert Grotemeier seine Idee: Eine der Haupt-CO2-Quellen sei hierzulande der Straßenverkehr. Gerade hier hätten Länder und Kommunen viele Möglichkeiten, Emissionen zu senken – mehr, als die Bundesregierung bewirken könne: Zum Beispiel, indem sie dem ÖPNV in den Städten Vorrang geben, Radwege bauen, Parkgebühren erhöhen. "Verkehr vermeiden, verlagern oder verbessern" – das liege vor allem in den Händen der Kommunen, so Verkehrsforscher Grotemeier.
Würden die Kommunen hier aktiver, könnten die Länder mit dem Bund besser über Zuschüsse zum Beispiel zum Deutschlandticket verhandeln. "Länder, die Politik in Sinne der Verkehrswende machen, werden dafür belohnt", fasst der Forscher seine Idee zusammen. Und ja, räumt er ein, "Themen wie eine City Maut, die den Autoverkehr in den Städten verringern soll, macht keiner Kommune Freude. Aber wenn sie dafür Geld vom Bund bekäme, ließen sich solche Maßnahmen den Bürgern besser vermitteln".
Verkehrsministerium: Finanzierungsfrage klären
Bei den Beteiligten, die drängend und tief im Gezerre um die Finanzierung des Tickets im kommenden Jahr stecken, kommt die Idee nur mittelprächtig an. Man könne sich nicht "zu jedem neuen Vorschlag rund um das Deutschland-Ticket äußern", heißt es auf WDR-Anfrage aus dem NRW-Verkehrsministerium, das immerhin auch Umweltministerium ist. Der Fokus liege jetzt auf den offenen Finanzierungsfragen, vor allem bei der sogenannten "Nachschusspflicht", mit der eventuelle Mehrkosten gedeckt werden sollen. Wenn die Verkehrsverbünde das bisherige Angebot aufrechterhalten könnten, würden sie damit "einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten können".
Idee sinnvoll, Zeitpunkt falsch
"Perspektivisch" könne es durchaus Sinn ergeben, die Finanzierung des Tickets an Klimaschutzziele wie die CO2-Reduktion zu koppeln, sagt Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW auf WDR-Anfrage. Jetzt aber sei der falsche Zeitpunkt für diese Debatte. Das Deutschlandticket sei ja an sich schon ein Instrument, um CO2-Emmissionen im Verkehr zu reduzieren. Es nur dann zu fördern, wenn die CO2-Emmissionen bereits nachweisbar sind, "würde aktuell bedeuten, das Pferd von hinten aufzuzäumen", so Dedy. "Die Städte und ihre Verkehrsunternehmen brauchen jetzt Planungssicherheit."
"Politischer Wille fehlt"
Selbst der Umweltverband BUND drängt eher auf eine baldige Einigung bei der Finanzierung: Das Ticket habe bereits "nachweisbare Effekte pro Klimaschutz", und um es dauerhaft zu sichern, müsse jetzt die Finanzierung das erste Ziel sein, sagt NRW-Geschäftsführer Dirk Jansen. Aus seiner Sicht fehle es vor allem am politischen Willen - bei der Bundesregierung ebenso wie beim Land NRW. Das betreffe zum Beispiel den "Abbau umweltschädlicher Subventionen auch im Verkehrsbereich – wie Dieselprivileg, Kerosinsteuer, Entfernungspauschale". Auch im Landesklimaschutzgesetz NRW fehlten "überprüfbare Sektorziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen".
Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt ebenfalls: Bleibe das Deutschlandticket unterfinanziert, würden die Aufgabenträger gezwungen, das ÖPNV-Angebot einzuschränken, Takte auszudünnen oder Linien ganz einzustellen, sagt der Bundesvorsitzende Detlef Neuß. Das führe zu einer Zunahme des Individualverkehrs und mache des den Ländern schwieriger CO2 einzusparen. "Das Angebot eines ausreichend finanzierten Deutschlandtickets ist aus meiner Sicht Voraussetzung für weniger CO2-Ausstoß. Umgekehrt wird das nicht funktionieren."