In einer gemeinsamen Presseerklärung haben am Freitag CDU und Grüne einen Fahrplan für ihre weiteren Koalitionsverhandlungen mitgeteilt: Bereits am 25. Juni 2022 soll ein Koalitionsvertrag stehen, damit an diesem Tag die Gremien beider Parteien darüber abstimmen können. Die Wahl des Ministerpräsidenten ist dann für den 28. Juni geplant.
Schneller als gedacht
Das ist deutlich schneller als von vielen politischen Beobachterinnen und Beobachtern in Düsseldorf erwartet wurde. Zum Vergleich: CDU und FDP hatten 2017 zwar bereits nach 14 Tagen einen unterschriftsreifen Koalitionsvertrag präsentiert. Aber diese beiden Parteien entstammten einem Lager, hatten viele Überschneidungen in ihren jeweiligen Wahlprogrammen und zuvor sieben Jahre gemeinsamer Oppositionsarbeit hinter sich. Da haben CDU und Grüne aktuell deutlich mehr zu verhandeln und einen weiteren Weg bis zur Einigung zu gehen. Beide Parteien hatten nach der Landtagswahl am 15. Mai zügig erste Gespräche geführt und Ende Mai mit den Koalitionsverhandlungen begonnen.
Neubaur sieht Schwelle als Sprungbrett
Zum nun vorgelegten Fahrplan von Christdemokraten und Grünen sagte der CDU-Spitzenkandidat Hendrik Wüst: "Zwei Wochen offene, intensive und vor allem konstruktive Gespräche mit dem Rückenwind eines ausführlichen Sondierungsergebnisses haben gezeigt: Es gibt eine gute und tragfähige Grundlage für einen erfolgreichen Abschluss der Koalitionsgespräche von CDU und Grünen." Wüst gibt auch einen Ausblick auf "weiterhin intensive Tage der gemeinsamen Arbeit".
Die Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur teilte mit: "Wir sind uns bewusst, dass der vereinbarte Fahrplan einen ambitionierten Weg vorzeichnet. Uns verbindet gleichwohl die Entschlossenheit, ihn gemeinsam erfolgreich zu gehen." Sie spricht von alten Gräben und historisch gewachsenen Lagern: "Die Schwelle, an der wir jetzt stehen, sehen wir nicht als Hindernis, sondern als Sprungbrett."
Ob dieses Sprungbrett sich in einem oder eher in fünf Metern Höhe befindet und wie warm das Wasser ist, in dem die Koalition landet, werden die nächsten zwei Wochen zeigen. Bemerkenswert ist der Fahrplan auf jeden Fall.
Die alten Gräben, von denen Mona Neubaur spricht, sind mitunter breit. Dass die künftigen Koalitionäre nun so einen ambitionierten Plan vorlegen und schon bald einen unterschriftsreifen Vertrag in Aussicht stellen, spricht dafür, dass die größten Konfliktpunkte - Energie, Verkehr, Inneres - zumindest nicht unüberwindbar sind. Möglich ist auch, dass sich die beiden Parteien in den groben Linien einig sind und "nur" noch die Details verhandelt werden müssen.
Die Disziplinierung durch Ankündigungen
Welche Inhalte bereits vereinbart sind - das ist und bleibt Spekulation. Zumindest so lange die Verhandlungsteams so beharrlich die Öffentlichkeit meiden, wie es seit Beginn der Gespräche tun. Da dringt nichts nach draußen, die vorab vereinbarte Vertraulichkeit funktioniert perfekt.
Dass dieser ambitionierte Zeitplan nun öffentlich gemacht wird, setzt natürlich beide Seiten unter Druck: Jetzt müssen sie auch liefern. Es ist unwahrscheinlich, dass innerhalb der nächsten zwei Wochen eine der beiden Seiten das Ganze platzen lässt. Der Fahrplan ist also auch ein Mittel der Selbstdisziplinierung, etwa wie eine Einladung an die Hochzeitsgäste, die man nur mit Schaden für das eigene Ansehen wieder nach Hause schicken kann.
Die Bedeutung von Schwarz-Grün
Es wäre nicht nur die erste Koalition zwischen CDU und Grünen in NRW, sondern auch ein Aufbrechen alter Lager, die in NRW deutlich länger als in anderen Bundesländern die Landespolitik prägten. Ein Novum für Nordrhein-Westfalen, aber nicht für Deutschland. Schwarz-Grün ist bereits seit 2014 in Hessen ein gelebtes Polit-Modell.
Und auch in Schleswig-Holstein wird aktuell eine Koalition zwischen CDU und Grünen verhandelt. Im Norden war die Landtagswahl am 8. Mai, also exakt eine Woche vor der in NRW. In Kiel hatten die beiden Parteien bereits bei ihrem ersten Treffen einen Fahrplan vorgelegt, auch hier soll bis Ende Juni die neue Regierung stehen. Wobei ihr Weg zur Koalition kürzer ist, weil sie zuvor bereits miteinander in einer Jamaika-Koalition regiert haben.
Sowohl Daniel Günther als auch Hendrik Wüst haben mit ihren jeweiligen Wahlsiegen ihre Position in der Bundes-CDU gestärkt.