Gewalt an NRW Schulen | Aktuelle Stunde Aktuelle Stunde 30.01.2025 11:14 Min. Verfügbar bis 30.01.2027 WDR Von Fritz Sprengart

Gewalt gegen Lehrkräfte bleibt weiter ein Problem

Stand: 30.01.2025, 16:21 Uhr

Eine neue Umfrage zeigt: Immer wieder werden Lehrkräfte von Schülern angegriffen. In der Debatte dazu im Landtag ging es hoch her.

Von Nina Magoley

Beschimpfungen, Bedrohungen, Beleidigungen. Die Gewalt an Schulen in NRW ist offenbar hoch: Auf eine repräsentative Forsa-Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) antworteten rund drei Viertel der Schulleitungen, dass in den vergangenen fünf Jahren Lehrkräfte direkt psychische Gewalt erfahren haben. Jede dritte Schule (35 Prozent) meldete, dass es auch zu körperlicher Gewalt gegen Lehrkräfte gekommen sei, überwiegend durch Schülerinnen und Schüler.

Wie oft das geschieht, darüber sagen die Zahlen nichts aus. Auch betonen die Autoren der Umfrage, dass sich diese Zahlen weder auf Bundesebene noch in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu vor zwei Jahren verändert haben. Die Zahl der körperlichen Angriffe sank von 2022 auf 2024 sogar leicht. NRW liegt aber über dem Bundesdurchschnitt.

Befragt wurden im Herbst 2024 bundesweit 1.311 Schulleitungen, darunter 253 in Nordrhein-Westfalen.

FDP fordert "knallharte Strafen"

Dennoch ist das Problem kein geringes. FDP und SPD hatten daher am Donnerstagmorgen eine Aktuelle Stunde im Landtag beantragt - bei der es hoch her ging. Für die FDP-Fraktion forderte Franziska Müller-Rech "knallharte Strafen für gewalttätige Schüler", solche Täter müssten "endlich Konsequenzen spüren". Schulleiter bräuchten mehr Rückendeckung bei der Umsetzung von Maßnahmen gegen Gewalt, aber auch bessere Schulungen zum Umgang mit diesem Problem. Die Gewalt an Schulen, so Müller-Rech, sei "eine klare Bedrohung für Demokratie und Gesellschaft".

Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Jochen Ott, bemängelte fehlende Machtmittel für Lehrkräfte: Beispiele hätten gezeigt, dass beispielsweise Schulleiter, die in Gewaltsituationen eingreifen, riskieren müssten, dafür später selber als Täter vor Gericht zu stehen.

AfD: "Illegale migrantische Dauerkriminelle"

Die AfD nutzte das Thema, um an die aufgeheizte Debatte über gewalttätige Migranten anzuknüpfen. Zwar sagt die Umfrage an keiner Stelle etwas darüber aus, welchen familiären Hintergrund die gewalttätigen Schüler haben - für die AfD im Landtag aber schien die Sache klar: Markus Wagner schlug den direkten Bogen von "spektakulären Taten" wie in Aschaffenburg und Solingen zum Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität durch "illegale migrantische Dauerkriminelle".

"Die Schule ist ein Spiegel unserer Gesellschaft", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Wibke Brems. Frustration herrsche auch bei vielen Schulkindern, und das Umfrageergebnis führe zu der Frage: "Warum schlägt der Frust von Kindern und Jugendlichen in Gewalt um?" Während der Corona-Pandemie hätten fehlende oder massiv eingeschränkte Kontakte mit Gleichaltrigen "die Frustrationstoleranz und Kompromissfähigkeit von Kindern und Jugendliche sinken lassen".

Chaos im Klassenzimmer | Bildquelle: wdr

Sie verwies auf zahlreiche Programme und Projekte, die die Landesregierung anbiete: Den Notfallordner etwa, der Lehrkräften Handlungsanweisungen in eskalierenden Situationen gibt, andere Leitfäden und Ansprechpartner bei der Polizei. Hoffnung setze sie in das neue Programm "MindOut", das im Februar zunächst an 80 Schulen starten soll. Selbstbewusstsein, soziales Bewusstsein, Beziehungspflege und verantwortliches Entscheidungsverhalten sollen Kinder und Jugendliche damit trainieren.

CDU: "Eltern stärker in die Pflicht nehmen"

Für die CDU bemängelte Christos Katzidis, dass zu wenig über die Täter gesprochen würde. Viel zu wenig liege der Fokus auch auf dem Thema Gewalt in Elternhäusern. "Da müssen wir viel stärker intervenieren", sagte Katzidis, solche Eltern müssten "viel stärker in die Pflicht genommen werden, auch gegebenenfalls strafrechtlich". Denn dort lägen die Ursachen für die Gewalt bei Schülern.

Gefragt worden war in der Erhebung auch nach psychischer Gewalt gegen Lehrkräfte - etwa Drohungen, Beleidigungen, Mobbing. Hier ging die Gewalt der Umfrage zufolge zu 79 Prozent von Eltern aus.

Schulministerium zählt Programme auf

NRW Schulministerin Feller | Bildquelle: Oliver Berg/dpa

Die Schulministerin selber, Dorothee Feller (CDU), erklärte, Gewalt an Schulen "dürfen wir nicht akzeptieren". Es handele es sich um ein komplexes Thema, bei dem es "nicht die eine Lösung" gebe. Es gelte, sich "schützend vor die Lehrkräfte" zu stellen und gleichzeitig zu fragen, warum Kinder und Jugendliche "zu dieser Aggressivität neigen". Sie zählte eine lange Reihe von Maßnahmen auf, die die Landesregierung bereits umsetze. Auch bei der Polizei hätten alle Schulen Ansprechpartner, so Feller. "Wir alle dürfen die Augen nicht davor verschließen."

Die Gewerkschaft Lehrer NRW forderte nach der Debatte eine "Null-Toleranz-Politik". Angriffe auf Einzelne müssten sanktioniert werden, fordert der Vorsitzende Sven Christoffer. Die Realität sehe allerdings meist anders aus. Lehrkräfte in NRW würden nicht selten "gleich zweifach traumatisiert": Das erste Mal, wenn ihnen Gewalt widerfährt, und das zweite Mal, wenn sie erleben müssten, dass sie mit dieser Gewalterfahrung allein gelassen werden. "Das ist beschämend und nicht hinnehmbar."

Ansprechpartner fehlen

Nach Angaben der Landesstelle Schulpsychologie gibt es in jeder Stadt und in jedem Kreis eine schulpsychologische Beratungsstelle. Doch laut Lehrer NRW fehlen vielerorts konkrete Ansprechpersonen mit juristischer Kompetenz und seelsorgerischer Expertise. "Es darf nicht sein, dass die Rückendeckung und Unterstützung nach erfahrener Gewalt im Dienst davon abhängt, in welchem Bezirk und an welcher Schulform man arbeitet", so Christoffer.

Gewalt an Schulen nimmt zu WDR aktuell - Der Tag 24.01.2025 10:07 Min. Verfügbar bis 24.01.2026 WDR 3

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Quellen:

Über diese Thema berichten wir auch im WDR Fernsehen am 30.01.2025: In der Aktuellen Stunde um 18:45 Uhr.