Körperverletzung, Stalking, sexuelle Übergriffe, Totschlag und Mord - es sind zu über 80 Prozent Frauen, die solchen Gewalttaten zu Hause ausgesetzt sind, vor allem durch ihre Partner oder Ex-Partner. Und die Taten nehmen seit Jahren auch in NRW zu. Im Jahr 2022 gab es mehr als 32.000 Fälle.
Vor dem NRW-Landtag wurde am Montag mit einer Mahnwache mehr Unterstützung für Betroffene gefordert. Im Landtag haben Sachverständige dazu Stellung genommen, wie das konkret gelingen kann, in einer gemeinsamen Sitzung des Innenausschusses und des Ausschusses für Gleichstellung und Frauen.
"Die Lage ist desolat"
Das Allerwichtigste, da waren sich alle Expertinnen aus dem Bereich der Frauenhilfe einig: mehr Geld und eine bessere Ausstattung. Für Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser sei die Lage "desolat", sagten Vertreterinnen von Beratungsstellen. Statt mehr Hilfe und mehr Unterstützung zu bekommen, sei die Ausstattung sogar schlechter geworden.
Mitarbeiterinnen verbrächten regelmäßig einen halben Arbeitstag damit, herumzutelefonieren, um einen Platz in einem Frauenhaus für Betroffene von Gewalt zu finden. In einigen Einrichtungen überlege man ernsthaft, ob man sich in Anbetracht der Finanzlage der Insolvenzverschleppung schuldig mache, wenn man weiter tätig sei.
Mitarbeiterinnen müssen in ihrer Arbeitszeit Spenden sammeln
"Wir müssen ganz dringend die Gelder in der Frauenhilfe aufstocken", forderte auch die SPD-Landtagsabgeordnete Antje Butschkau von der Schwarz-Grünen Landesregierung. "In der Realität müssen Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern Spenden einwerben, was alles von der Arbeitszeit abgeht, die eh zu knapp ist. Das geht nicht."
Das Problem: Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser sind freiwillige Leistungen der Kommunen. An ihnen kann gespart werden. Auch die Grünen-Abgeordnete Ilayda Bostancieri räumt ein, dass die derzeitige Finanzlage der Landesregierung und den Städten und Gemeinden kaum Spielraum lasse: "Wir warten alle gerade gespannt auf den Haushaltsentwurf des Landes. Dann müssen wir sehen, wie es weitergeht."
Rechtsanspruch auf Hilfe - aber auch mehr Geld?
Bostancieri hofft auf mehr Geld vom Bund. In Berlin wird im Moment ein Entwurf für ein neues Gewaltschutzgesetz beraten. Dieses soll Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Hilfe garantieren, so wie es die schon 2018 international vereinbarte Istanbul-Konvention vorsieht.
Konkrete Verbesserungen für Menschen, die unter häuslicher Gewalt leiden, könnten allerdings aus Sicht einiger Expertinnen und Experten schon durch kleinere gesetzliche Änderungen in NRW erreicht werden. Und zwar beim Polizeigesetz.
Täter können aus der Wohnung verwiesen werden
Das ermöglicht es der Polizei, Tätern für bis zu zehn Tage zu verbieten, die gemeinsame Wohnung zu betreten. Wenn etwa gewalttätige Ehemänner sich daran nicht halten, können diese sogar in Gewahrsam genommen werden.
Wie wichtig das für Betroffene ist, erlebt Luzia Kleene täglich. Sie vertritt die Frauenberatungsstellen in Düsseldorf: "Durch ein Betretungsverbot tritt für Betroffene ein Moment der Ruhe ein. Und dieser Moment der Ruhe kann genutzt werden, um weitere Schritte einzuleiten." Etwa um einen Platz in einem Frauenhaus zu suchen oder andere Hilfsangebote wahrzunehmen.
Polizeivertreter fordern Änderung des Polizeigesetzes
Allerdings gibt es für die Polizei im Moment ein Problem: Das Gesetz verlangt eine "gegenwärtige Gefahr", um einen Täter der Wohnung zu verweisen. Das bedeutet, dass erkennbar sein muss, dass es direkt wieder zu Gewalt kommen wird. Eine hohe Hürde, vor allem, wenn so eine Anordnung später vor Gericht überprüft wird.
Der Bochumer Polizeihauptkommissar Andreas Derks ist darum dafür, diese Hürde im Polizeigesetz abzusenken, und zwar auf eine "konkrete Gefahr": "Dann würde eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichen, dass sich die Gewalt wiederholt. Wir hätten dann früher die Möglichkeit, einen Wohnungsverweis auszusprechen."
Beratungsstellen sollen automatisch Kontakt zu Betroffenen aufnehmen
Eine weitere Änderung im Polizeigesetz, die aus Sicht der Beratungsstellen sinnvoll wäre: Im Falle eines Polizeieinsatzes wegen häuslicher Gewalt sollten die Daten von Betroffenen in jedem Fall automatisch an Beraterinnen weitergegeben werden. Im Moment passiert dies nur, wenn die Betroffenen zustimmen.
"Sie bekämen dann immer die Chance, dass nochmal jemand aktiv sich bei ihnen meldet, um Hilfe anzubieten", sagt Luzia Kleene von den Düsseldorfer Frauenberatungsstellen, "und wenn eine Frau sagt: 'Nein, ich will nicht', hat das keine Konsequenzen." Die CDU und die Grünen im Landtag wollen, dass das Innenministerium jetzt prüft, ob diese Änderungen im Polizeigesetz möglich sind.
Sollten sie kommen, wäre allerdings eine Aufstockung der Finanzierung entscheidend. Denn dann müsse eine Beratungsstelle sich auch innerhalb weniger Stunden oder Tage bei Betroffenen melden können. "So eine Finanzierung dieser Beratungsstellen haben wir aktuell nicht", beklagt die Grünen-Abgeordnete Bostancieri.