Am 26. August 2021 klingelt die Staatsanwaltschaft beim Bergamt der Bezirksregierung Arnsberg. Der Besuch ist angekündigt, die angeforderten Akten bereits in einem Besprechungsraum ausgelegt. Die Ermittler wollten alle Unterlagen haben, die sich mit der Genehmigung und der Kontrolle des Tagebaus in Erftstadt-Blessem zu tun haben.
Die dortige Kiesgrube war bei der Hochwasser-Katastrophe gut einen Monat zuvor überflutet worden und hatte einige Häuser zusammenstürzen lassen. Gutachter und auch die Staatsanwaltschaft hatten schnell den Verdacht, dass der Wall, der ein extremes Hochwasser zurückhalten sollte, nicht den behördlichen Vorgaben entsprach.
Akten von Beschuldigten selbst zusammengestellt
Das Problem: die entsprechenden Akten wurden damals beim Bergamt von Personen zusammengestellt, die selbst für Genehmigung und Kontrolle der Kiesgrube verantwortlich waren, von der Staatsanwaltschaft wurde eine von ihnen sogar als Beschuldigte geführt. Die Mitarbeiter missachteten damit einen Erlass des Wirtschaftsministeriums, der genau das verboten hatte.
Demnach sollten Unterlagen von neutralen Beamten zusammengestellt werden. Das wurde am Freitag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags bekannt, der sich noch immer mit den Fehlern der Behörden bei der Flutkatastrophe beschäftigt.
Reaktion der Staatsanwaltschaft: Durchsuchung
Der zuständige Abteilungsleiter des Bergamts verteidigte sein Vorgehen in der Sitzung gegenüber den Abgeordneten damit, dass der Erlass erst am Vortag des Besuchs der Staatsanwaltschaft bekannt wurde. Da sei die Zusammenstellung der Akten bereits abgeschlossen gewesen.
Man habe aber weder die Staatsanwaltschaft noch das Ministerium darüber informiert und auch keine weitere neutrale Überprüfung in die Wege geleitet, gab der Beamte zu.
Die Ermittler waren darüber offenbar so verärgert, dass sie Wochen später ein zweites Mal anrückten, diesmal unangemeldet. Dabei wurden Büro- und Privaträume durchsucht und mindestens auch eine Akte gefunden, die bei der ersten Übergabe fehlte.
Bergamt hatte sich nie mit Beschaffenheit des Erdwalls beschäftigt
Ebenfalls bekannt wurde bei der Befragung im Untersuchungsausschuss, dass sich das Bergamt nie mit der Beschaffenheit des Erdwalls rund um den Tagebau beschäftigt habe. Dieser Deich habe schon Jahrzehnte bestanden und sei von einer anderen Behörde genehmigt worden, erklärten die geladenen Mitarbeiter.
Man habe das Augenmerk nur auf die Höhe des Bauwerks gerichtet und sie neuen Hochwasservorgaben angepasst. Gutachter hatten die Konstruktion des Erdwalls als technisch völlig unzureichend und fehlerhaft bezeichnet.
Der SPD-Abgeordnete René Schneider kritisierte nach der Sitzung: "Das ist ein gravierendes Kontrollversagen der Behörde, die nach eigenem Bekunden gar keine Expertise hat beim Thema Wasser." Die Landesregierung müsse hier sofort tätig werden.
Gefahrenanalysen für andere Tagebaue liegen immer noch nicht vor
Neben der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem hat das Bergamt der Bezirksregierung Arnsberg 14 weitere Tagebaue im Land identifiziert, die in Überschwemmungsgebieten liegen. Von den entsprechenden Betreibern wurde eine Gefahrenanalyse angefordert. Doch von 14 hätten bis zum Ablauf der Frist Ende 2022 nur acht vorgelegen.
Auf Nachfrage mussten die Vertreter des Bergamts im Untersuchungsausschuss einräumen, dass die Katastrophenschutzbehörden bisher nicht vor einem etwaigen Risiko, das von diesen Tagebauen ausgehen könnte, gewarnt wurden.
Ermittlungen gegen Beschuldigte laufen weiter
Ob und welche Konsequenzen das Handeln der Bergbehörde hat, ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit mehr als einem Jahr gegen ehemalige und noch aktive Mitarbeiter. Es geht um die Frage, ob Kontrollen des Deichs in Erftstadt-Blessem ordnungsgemäß erfolgten und den Regeln entsprechend dokumentiert wurden.
Der leitende Oberstaatsanwalt berichtete den Mitgliedern des parlamentarischen Untersuchungsausschusses am Freitag vom Stand der Ermittlungen. Allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit.