Noch ist die Finanzierung nicht in trockenen Tüchern, die Rahmenbedingungen scheinen aber nun zu stehen: Die Verkehrsminister von Bund und Ländern halten ein bundesweites Nahverkehrsticket für monatlich 49 Euro als Nachfolger des 9-Euro-Tickets "für möglich". Das erklärten die Ministerinnen und Minister nach einer Tagung am Donnerstag.
"Papierloses" Ticket sorgt für Irritation
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) zeigte sich zufrieden: "Das ist ein ganz, ganz großer Erfolg", sagte er dem WDR. Außer der Finanzierung ist aber auch noch Weiteres zu klären. Zum Beispiel: Wird das Ticket tatsächlich "papierlos" sein? So kündigte es die Bremer Mobilitätssenatorin und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer (Grüne), an. Wird man es also nur nutzen können, wenn man ein Smartphone oder Tablet hat?
"Das klassische Papierticket soll es nicht mehr sein", betonte auch Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr. Es könnte außer einer digitalen Variante aber zum Beispiel auch eine Plastikkarte geben, erläuterte eine Ministeriumssprecherin am Freitag dem WDR. Auf jeden Fall solle das Angebot barrierefrei sein. Details würden noch geklärt.
Andreas Schröder, NRW-Landesvorsitzender des Fahrgastverbands ProBahn, zeigte sich von der Ankündigung, dass das 49-Euro-Ticket nur papierlos erhältlich sein soll, irritiert. Man müsse bei dem neuen Ticket darauf achten, dass es für alle - auch für Seniorinnen und Senioren - leicht zugänglich sei, sagte er dem WDR.
Opposition mahnt schnelle Umsetzung an
Vor allem müssen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jetzt die offenen Finanzierungsfragen klären. "Der Ball liegt jetzt im Feld der Ministerpräsidentenkonferenz", betonte Senatorin Schaefer. Die Opposition im Düsseldorfer Landtag mahnte bereits eine schnelle Umsetzung an: "Wir fordern die Landesregierung um Ministerpräsident Wüst dazu auf, den Vorschlag der Verkehrsminister*innen von Bund und Ländern zu unterstützen und ihren Teil zur Finanzierung beizutragen", teilte Gordan Dudas, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, mit.
Klar ist jetzt schon: Angeboten werden soll das Ticket in einem monatlich kündbaren Abo-Modell. Nach zwei Jahren soll das Ticket nach dem Willen der Verkehrsminister "hinsichtlich seiner klimaseitigen, verkehrlichen und finanziellen Wirkungen" überprüft werden.
NRW-Verkehrsminister Krischer war es nach eigenen Angaben in den Verhandlungen besonders wichtig, dass das Ticket auch für einen Monat "als niedrigschwelliges Schnupperangebot" getestet werden kann, ohne direkt ein Jahresabo abschließen zu müssen.
Dass sich viele aktuelle Tickets der Verkehrsverbünde nach Einführung eines 49-Euro-Tickets nur noch schwer verkaufen lassen, ist den Verkehrsministerinnen und Verkehrsministern durchaus klar. "Viele Tarife werden sich in Luft auflösen, weil die Nachfrage danach verschwindet", mutmaßt Bundesverkehrsminister Wissing.
Finanzierung weiterhin ungeklärt
Bislang ist aber immer noch unklar, wer genau welche Kosten tragen wird. Der Bund zahlt den Ländern bereits jährlich Milliarden in Form sogenannter Regionalisierungsmittel. Damit bestellen die Länder und Verkehrsverbünde Leistungen bei den Verkehrsanbietern. In diesem Jahr fließen 9,4 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel an die Länder, dazu noch eine Milliarde aus einem anderen Topf.
Zusätzlich hatte sich die Ampel-Koalition im Bund darauf verständigt, weitere 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für ein bundesweites Nahverkehrsticket bereitzustellen - vorausgesetzt, dass die Länder den gleichen Betrag dazugeben.
Günstiges Ticket allein hilft nicht
Die Länder zeigen sich zwar bereit, ihren Kostenanteil zu tragen, fordern aber gleichzeitig mehr Geld vom Bund, etwa wegen der massiv gestiegenen Energiepreise. "Ohne deutliche Erhöhungen der Regionalisierungsmittel drohen Abbestellungen von Zügen und ein Ausdünnen des Angebots", heißt es im Beschlusspapier der Verkehrsministerkonferenz.
Die Länder zeigten sich zur Kofinanzierung bereit - allerdings "nur unter der Bedingung einer Verständigung über die Regionalisierungsmittel". NRW-Verkehrsminister Krischer betonte: "Es nützt ja nichts, ein günstiges Ticket zu haben, wenn der Bus nicht kommt." Seit Jahren müssten die Regionalisierungsmittel dringend erhöht werden, so Krischer. "Das ist in der Sache eigentlich auch unstrittig."
Ticket soll an Finanzierung nicht scheitern
Andreas Schröder von ProBahn kann sich unterdessen nicht vorstellen, dass das 49-Euro-Ticket an der Finanzierung scheitern wird. "Das 9-Euro-Ticket hat einen Geist geschaffen, den man nicht mehr wieder einfangen kann. Wir brauchen eine Nachfolgelösung", so Schröder gegenüber dem WDR.
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) betonte: "Wichtig ist: Bund und Länder müssen die Finanzierung der Einnahmeausfälle und der gestiegenen Kosten bei der Energie, die den Verkehrsunternehmen durch dieses dauerhafte Angebot entstehen, vollständig sicherstellen, sodass es zu keinen Angebotskürzungen kommt."
Die FDP-Opposition im Düsseldorfer Landtag begrüßte die Einigung auf den 9-Euro-Ticket-Nachfolger. Jetzt müssten allerdings die Länder ihren Beitrag leisten, so der verkehrspolitische Sprecher Christof Rasche. "Vor allem beim Vertrieb des Tickets können durch die passenden Digitalisierungsmaßnahmen noch erhebliche Vereinfachungs- und Kostensparpotenziale gehoben werden." Die AfD bezeichnete die Einigung "finanziell völlig unausgegoren". Das Ticket ersetze für die Menschen auf dem Land "keinesfalls das weiterhin notwendige Auto", kritisierte Klaus Esser.
Abo-Aktion in NRW verlängert
Während Bund und Länder noch über die Finanzierung des 9-Euro-Ticket-Nachfolgers streiten, haben die Nahverkehrsverbünde in NRW ihre Sonderaktion für Abonnenten bis Jahresende verlängert. Wie schon im September und Oktober können Dauer-Fahrgäste ihre Tickets nun bis Jahresende NRW-weit nutzen - allerdings nur zu bestimmten Zeiten. Der Aktionszeitraum umfasst alle Wochenenden, Feiertag Allerheiligen sowie die am 23. Dezember beginnenden Weihnachtsferien bis zum 31. Dezember.