Kommentar: Wüst - Kanzler im Wartestand?

Stand: 17.09.2024, 12:33 Uhr

Hendrik Wüst verzichtet auf die Kanzlerkandidatur der Union. Trotzdem hält der Ministerpräsident sich alle Optionen offen.

Von Klaus Scheffer

Man kann sich das richtig vorstellen, wie Hendrik Wüst und seine Berater an jedem Wort gefeilt haben, mit dem er am Montagabend seinen Rückzug als eventueller Kanzlerkandidat der Union erklären würde. Gleichzeitig wollte Wüst aber auch deutlich machen, dass er sich sehr wohl für geeignet hält.

Diese Botschaft ist Wüst auch wichtiger als die Rolle als Königsmacher für Friedrich Merz. Bevor der Ministerpräsident seinen Verzicht erklärte und Merz der Unterstützung der NRW-CDU versicherte, hatte Hendrik Wüst schon längst wortreich erklärt, wie sehr es ihm geschmeichelt hat, überhaupt als Kandidat gehandelt zu werden. Er betonte den Zuspruch, den er aus Wirtschaft und Gesellschaft bekommen habe.

Sag niemals nie...

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst | Bildquelle: Henning Kaiser / dpa

Und - um letzte Zweifel zu beseitigen - betonte er ausdrücklich, dass man niemals nie sagen sollte. Damit erinnert Wüst an Hannelore Kraft. Auch die war zu ihrer Zeit als Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen ganz oben in der Beliebtheitsskala und wurde als Kanzlerkandidatin der SPD gehandelt. Bis sie eben sagte, nie würde sie nach Berlin gehen wollen. Manche sehen das bis heute als Anfang des Abstiegs von Hannelore Kraft.

Wüst will

Der Unterschied bei Hendrik Wüst: Er will! Und er hat seine Chancen mit seinem Rückzug nicht verkleinert. Denn eines wird ihm klar gewesen sein. Bei aller Koketterie mit einer möglichen Kandidatur hatte er nie eine wirkliche Chance, sich gegen Friedrich Merz oder Markus Söder tatsächlich durchzusetzen. Denn die beiden haben mehr als deutlich gemacht, dass sie gerne möchten. Und beide sind Bundesvorsitzende, Merz bei der CDU, Söder bei der CSU. Für Wüst ging es nur darum, im Gespräch und vor allem in Erinnerung zu bleiben.

Unions-Konflikt vermieden

Beides ist ihm gelungen. Bei den Beliebtheitswerten liegt er vorne, mehr Menschen wünschen sich ihn als Kanzler als den Kandidaten Friedrich Merz. Da fällt der Verzicht gar nicht so schwer. Um so mehr, wenn jetzt auch Markus Söder beidreht und Friedrich Merz als unumstrittener Kandidat dasteht. Denn damit ist auch das größte Schreckgespenst der Union gebannt: Eine Wiederholung des Konflikts um die Kanzlerkandidatur zwischen den Vorsitzenden von CDU und CSU.

Zukunft der CDU oder "nur" noch NRW-Ministerpräsident? WDR RheinBlick 20.09.2024 32:26 Min. Verfügbar bis 19.09.2029 WDR Online

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Vor vier Jahren war Markus Söder Armin Laschet unterlegen, hatte aber bis weit in den Wahlkampf immer wieder gegen den eigenen Kandidaten gestichelt. Das jetzt verhindert zu haben, wird Hendrik Wüst zugeschrieben. Daran - so das Kalkül - wird man sich in der Union erinnern, wenn es darum geht, einen neuen Kandidaten aufs Schild zu heben.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Und das - so das Kalkül - könnte Wüst langfristig eher nutzen als der kurzfristige Griff nach einer Kandidatur. Er ist 49 Jahre alt, Merz fast 20 Jahre älter. Soll heißen: Hendrik Wüst kann warten. Die Kronprinzenrolle in der Union ist ihm - Stand jetzt - jedenfalls sicher. Mehr aber auch nicht. Mancher Kronprinz wartete auch schon ewig auf seine Krönung. Gerade in der schnelllebigen Politik.