Auf Antrag der SPD und der AfD hat der Ausschuss für Schule und Bildung im NRW-Landtag am Mittwoch über den jüngsten IQB-Bildungstrend 2022 diskutiert. Der am Freitag veröffentlichte Ländervergleich hatte ergeben, dass Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse in NRW mit ihren Leistungen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen - und der ist bereits erschreckend.
Jeder Dritte scheiterte bei den deutschlandweiten Tests 2022 an Mindeststandards für den mittleren Schulabschluss (MSA) in den Bereichen Lese- und Hörverständnis, mehr als jeder Fünfte verfehlte diese im Bereich Rechtschreibung. In NRW verfehlten im Fach Deutsch den MSA-Standard 39 Prozent der Neuntklässler im Lesen und sogar 41 Prozent beim Hörverständnis. Und 29 Prozent scheiterten im Bereich Rechtschreibung.
Ergebnisse für Feller nicht überraschend
Zu Beginn der Ausschuss-Sitzung stellte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) fest, dass bei allen drei IQB-Bildungstrends - 2009, 2015 und 2022 - Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich jeweils im unteren Drittel gelandet ist. Sie betonte, "dass uns die Ergebnisse nicht überrascht haben", denn sie seien eine Fortentwicklung der bekannten Defizite in der Grundschule.
Darum sei eine Förderung der Basiskompetenzen in den Grundschulen und in der Sekundarstufe I "das A und O". Dafür habe man Maßnahmen ergriffen und sei "auf einem guten Weg", der jedoch auch ein "langer Weg" sei. Es brauche "einen langen Atem", so Feller. Zu den Maßnahmen gehörten beispielsweise der neu angebotene Leseraum Online ("LeOn") und die Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien zur Stärkung von Basiskompetenzen.
Details der IQB-Studie: Bessere Leistungen in Englisch als in Deutsch
Das Ministerium stellte danach ausgewählte Ergebnisse des IQB-Bildungstrends vor. Im Fach Englisch habe es "eine äußerst positive Entwicklung" gegeben, in Deutsch hingegen "eine äußerst negative". Dirk Schnelle, Abteilungsleiter aus dem Ministerium, erklärte diese Diskrepanz damit, dass es für Englisch "sehr viel stärker außerschulische Lerngelegenheiten" gegeben habe, wie Gaming oder Online-Nutzung.
Auch habe es ein größeres Interesse der Schülerinnen und Schüler am Englisch- als am Deutsch-Unterricht gegeben. Das könne daran liegen, dass Zugewanderte erste Kenntnisse im Englischen mitbringen und es ihnen leichter falle, mit anderen zusammen eine neue Fremdsprache zu lernen.
Opposition nennt Ergebnisse "desaströs" und "erschreckend"
Für Dilek Engin (SPD) sind die Ergebnisse "desaströs", sie sprach von einer "absoluten Bildungskatastrophe" und forderte einen Bildungspakt für NRW. Das Drehen an "winzigen Stellschrauben" werde dem Problem nicht gerecht. Ihr Fraktionskollege Frank Müller fragte: "Wie können wir Schulen von Ballast befreien?" Das Beispiel Finnland zeige, dass sich "mit sehr dünnen und reduzierten Lehrplänen gute Ergebnisse erzielen lassen".
Der AfD-Abgeordnete Carlo Clemens sah einen "erschreckenden Niveauabfall im Fach Deutsch" und hielt fest, dass NRW neben Bremen und Berlin "klarer Verlierer" des Ländervergleichs sei. Insbesondere Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten würden schlecht abschneiden.
Franziska Müller-Rech (FDP) sprach schließlich einen anderen Punkt an: Dass die Hauptursache für die Verschlechterung der IQB-Ergebnisse im Vergleich zur letzten Erhebung, in der Corona-Pandemie zu sehen seien, "teilen wir hier alle". Aber das Grundproblem müsse entschiedener bekämpft werden.
Zum Abschluss ergriff Ministerin Feller noch einmal das Wort und gab einen Ausblick, was sie mit einem langen Weg zur Verbesserung der Lage meint. Sie verwies auf Hamburg, dort habe man zehn Jahre gebraucht, um die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler deutlich zu verbessern.
Über den IQB-Bildungstrend
Das "Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen" (IQB) hatte zum dritten Mal im Auftrag der Kultusministerkonferenz eine deutschlandweite Vergleichsuntersuchung durchgeführt. Die ersten Untersuchungen stammen aus den Jahren 2009 und 2015. Für den aktuellen Bildungstrend wurden die Daten zwischen April und Juli 2022 erhoben. Im Fach Deutsch wurden die Kompetenzbereiche Lesen, Zuhören und Orthografie überprüft, im Fach Englisch und Französisch die Kompetenzbereiche Leseverstehen und Hörverstehen.