Heiß gehandelt wie Tipps beim Pferderennen werden derzeit Prognosen, woran eine Regierungsbildung von CDU und Grünen in NRW wohl scheitern könnte. Immer dabei im Knackpunkte-Potpourri: Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Im Kampf um Windräder und Sonnendächer könnten sich Christdemokraten und Grünen übel aufreiben, so die vorherrschende Meinung.
Putins Krieg und Habecks Reaktion
Ich halte das für wenig wahrscheinlich. Denn Putins Krieg und Habecks Reaktion darauf, haben die alten Fronten zwischen Klimaschützern und Industrie-Bewahrern auf wundersame Weise aufgelöst.
Schon im NRW-Landtagswahlkampf überraschte das Unternehmer-Lager mit einer Kehrtwende: Die neue Landesregierung müsse beim Ausbau von Wind- und Sonnenkraft gewaltig aufs Tempo drücken, teilten die Wirtschaftsverbände mit. Die Energie intensiven NRW-Betriebe wollen ganz dringend ganz viel Öko-Strom und grünen Wasserstoff. Die plötzliche Eile hat einen Grund: Durch den Ukraine-Krieg verschwindet Russland als zuverlässiger Gas- und Öllieferant in absehbarer Zeit von der Landkarte. Die NRW-Wirtschaft braucht schnell Ersatz, viel Energie aus Sonne und Wind, wenn sie überleben will. Putins Einmarsch in die Ukraine hat die Industriellen und Gewerbetreibenden aus der fossilen Wohlfühlzone vertrieben. Jetzt sind alle Klimaschützer.
Und auf der anderen Seite hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck alte Öko-Denkmuster in Bewegung gebracht. Zur Not müssten in Deutschland alte Kohle- und Ölkraftwerke wieder hochgefahren werden, stellte er nüchtern fest. Solange nicht genug Wind- und Solar-Anlagen aufgebaut sind, gehe es nun mal nicht anders.
CDU überwindet Abneigung gegen Windräder
Damit sind zwei wichtige Blockaden im Ringen um Schwarz-Grün in gelöst: Die CDU überwindet ihre Abneigung gegen Windräder in den ländlichen Rückzugsgebieten ihrer Wählerschaft. Die Grünen erdulden etwas länger als geplant, dass weiter Flüssiggas, Kohle und Öl verbrannt werden.
Hendrik Wüst und Mona Neubaur könnten sich also eigentlich schnell einig werden. Angesichts der Größe der gemeinsamen Aufgabe sollte ihnen der Streit um Windrad-Abstände zur Wohnbebauung und Flugzonen von Rotmilanen ziemlich klein vorkommen. Mag sein, dass sie sich trotzdem im Kleingedruckten verbeißen. Aber anders als noch vor ein paar Monaten würde ich jetzt nicht mehr darauf wetten.