Umfragen sagen ein knappes Rennen bei der Landtagswahl am Sonntag voraus: Beim TV-Duell zwischen Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seinem Herausforderer Thomas Kutschaty (SPD) am Donnerstagabend im WDR-Fernsehen schenkten sich beide nichts im Streit um zentrale landespolitische Themen: Von der inneren Sicherheit bis zur Schulpolitik. Auffällig dabei: Anders als zuweilen im Landtag in Düsseldorf wurde es nicht laut und hitzig. Es war ein Schlagabtausch der leisen Töne.
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Sach-Diskussion in uriger Atmosphäre
Die altehrwürdigen Gemäuer der "Alten Schlossfabrik" in Solingen sind eigentlich eine Location, wo ausgelassen gefeiert wird - zum Beispiel Hochzeiten. Ganz anders war die Atmosphäre am Donnerstag, denn beim TV-Duell ging es in einem ruhigen und konzentrierten Setting um die inhaltlichen Differenzen zwischen Amtsinhaber und Herausforderer. Das Ganze hatte stellenweise die Atmosphäre eines landespolitischen Kamingesprächs – dazu trug auch die warm ausgeleuchtete Fabrik bei.
Beide Politiker antworteten in einem meist sachlichen Tonfall, argumentierten fakten- und zahlenreich. Insbesondere Thomas Kutschaty agierte im Landtag als Oppositionsführer in den letzten Jahren öfter deutlich angriffslustiger, rhetorisch zugespitzter und gestisch ausladender. Aber hier hatten sich beide wohl vorgenommen, mit Sachlichkeit zu punkten. Immer wieder blieb so – trotz der inhaltlichen Differenzen, die durchaus bestehen – der Eindruck einer großen Einigkeit zurück.
Die kontrollierte Körpersprache
Stefan Verra, Experte für Körpersprache, sagte vor dem Duell im WDR-Livestream, die Kontrahenten müssten Themen nicht benennen, sondern emotionalisieren. Wüst und Kutschaty traten hingegen so auf, dass Verra hinterher meinte: "Sie haben es den Unentschlossenen nicht leicht gemacht."
Als Experte hat er jedoch viele Details wahrgenommen, wie zum Beispiel, dass Wüst mit häufig eng verschlossenen Lippen "relativ steif und relativ kontrolliert" wirkte, während Kutschaty mit zeitweise hochgezogener Augenbraue und zugleich hängenden Augenlidern die Menschen nicht erreicht habe. Feinheiten für Feinschmecker.
Unterschiedliche Schwerpunkte
Ganz anders die Sachebene, hier wurden die Kernthemen der beiden Politiker deutlich: Der erst seit Oktober 2021 amtierende Ministerpräsident Wüst (damals trat er die Nachfolge von Armin Laschet an) versuchte, mit dem klassischen Unionsthema Innere Sicherheit zu punkten. Er sprach sich unter anderem für eine verstärkte Videoüberwachung von Kriminalitäts-Brennpunkten aus. NRW sei in der Regierungszeit von Schwarz-Gelb vor fünf Jahren sicherer geworden.
Der ehemalige NRW-Justizminister Kutschaty kritisierte, es fehlten trotz Versprechungen vielerorts Polizeikräfte. Er betonte vor allem das Soziale, warnte unter anderem vor Kürzungen bei Krankenhäusern. Er sprach sich für bezahlbare Mietwohnungen und staatlichen Wohnungsbau aus - ein zentrales Thema der SPD im Wahlkampf. In der Schulpolitik kritisierte er den Unterrichtsausfall.
Wahlversprechen beim Aufreger-Thema Schule
Die Schulpolitik galt 2017 als ein Hauptgrund für die Abwahl der damaligen rot-grünen Landesregierung. In diesem Wahlkampf steht regelmäßig Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in der Kritik wegen ihres Corona-Krisenmanagements. SPD und CDU versprachen beide wesentliche Verbesserungen für die Schulen, falls sie die Wahl gewinnen sollten. Er würde die Angleichung der Eingangsbesoldung für alle Lehrer in den ersten 100 Tagen der neuen Legislaturperiode angehen, sagte Wüst.
Der Ministerpräsident räumte ein, dass dieses Versprechen in der laufenden Wahlperiode offen geblieben sei. Priorität habe die Aufstockung der Lehrerstellen gehabt. Er wolle auch in der neuen Wahlperiode 10.000 zusätzliche Lehrer einstellen - wie schon in der laufenden Amtszeit. Die SPD will ab dem Schuljahr 2023 die Eingangsbesoldung A 13 für alle einführen. Bisher werden in NRW Lehrkräfte an Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschulen schlechter bezahlt als Lehrer der gymnasialen Oberstufe.
Zu Beginn der Sendung zeigten sich beide Politiker betroffen über den verhinderten möglichen Anschlag an zwei Essener Schulen. "Bei dem Jugendlichen handelt es sich wohl auch um jemanden mit einem rechtsextremistischen Hintergrund", sagte Wüst. "Unser ältester Sohn hat vor einigen Jahren seinem Schulabschluss an einer der beiden Schulen gemacht", sagte der Essener Kutschaty. Es sei ein erschütterndes Ereignis. Beide Spitzenkandidaten lobten den Mitschüler des Tatverdächtigen, der sich bei der Polizei gemeldet haben soll.
Nach diesem TV-Duell ohne persönliche Attacken geht der Wahlkampf in NRW weiter. Der Wahlausgang gilt als völlig offen. Zahlreiche Koalitionsoptionen von Schwarz-Grün bis zur Ampel erscheinen möglich. Es bleibt spannend in NRW.