Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Rahmedetalbrücke haben Landtags-Abgeordnete am Montag den früheren Leiter der A45-Projektgruppe befragt. Diese Projektgruppe sollte sich von 2015 bis 2020 beim Landesbetrieb Straßen.NRW um die Autobahn mit ihren vielen maroden Brücken kümmern. Auch für den Neubau der Rahmedetalbrücke - neben vielen anderen - war die Gruppe zuständig. Inzwischen ist die Brücke gesprengt, der Neubau hat begonnen - Mitte 2026 soll er fertig sein.
Im Untersuchungsausschuss geht es um die Frage, wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass der bereits 2014 beschlossene Neubau der Rahmedetalbrücke immer weiter aufgeschoben wurde - bis im Dezember 2021 plötzlich auffiel, dass die alte Brücke so kaputt ist, dass sie sofort gesperrt werden musste. Der am Montag vernommene Zeuge, Karl-Hermann Metz, leitete die A45-Projektgruppe von 2014 bis 2020.
Projektgruppe konnte sich nur um drängendste Probleme kümmern
Er zeichnete das Bild einer Gruppe, die zwar zuständig, aber massiv unterbesetzt war. Mit 25 bis 28 Kolleginnen und Kollegen sollte er den sechsstreifigen Ausbau der A45 ebenso koordinieren wie zahlreiche Brückenneubauten. Man habe mit dieser Personalausstattung mit großem Einsatz so gerade eben sicherstellen können, dass die drängendsten Projekte - die "Sorgenkinder" - rechtzeitig bearbeitet wurden, schilderte Metz.
Mehr habe man aber nicht geschafft, alles andere sei praktisch liegen geblieben. Diesen Personalmangel habe er immer wieder bei Vorgesetzten angesprochen - Abhilfe habe es nicht gegeben, so Metz.
Mit Blick auf die vielen kaputten Brücken der A45 hatte eine Mitarbeiterin der Projektgruppe im Juni im Untersuchungsausschuss mitgeteilt: "Wie und ob priorisiert worden ist, kann ich Ihnen nicht sagen". Ihr damaliger Vorgesetzter schilderte nun, dass die Berichte der regelmäßig vorgeschriebenen Brückenprüfungen maßgeblich für die Priorisierung waren.
"Gab keinen Grund, Rahmedetalbrücke vorrangig zu behandeln"
Die Rahmedetalbrücke bekam in den Prüfberichten von 2017 und 2020 jeweils die Zustandsnote 3, Probleme mit der Standsicherheit wurden nicht festgestellt. "Es gab keinen Grund, dass die Rahmedetalbrücke vorrangig zu bearbeiten war", argumentierte Metz deshalb. Dieser Logik folgend wurden andere Brücken mit höherer Priorität behandelt als die Rahmedetalbrücke.
SPD: Verkehrsministerium ließ Verantwortliche im Regen stehen
Die Opposition nutzte die Zeugenaussage als Grund für Kritik: "Das Verkehrsministerium hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offenbar im Regen stehen lassen. Klar wurde auch, dass im Laufe der Zeit immer weitere Aufgaben hinzukamen, der Personalansatz aber gleichblieb", kommentierte Gordan Dudas, der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss. Das Land habe zu wenig Personal zur Verfügung gestellt, "um die anstehenden enormen Aufgaben bewältigen zu können."
Neubau-Verschiebung in Amtszeit von Hendrik Wüst
Die für Siegerland und Sauerland enorm wichtige A45 wurde wegen der maroden Rahmedetalbrücke im Dezember 2021 von heute auf morgen bei Lüdenscheid gesperrt. Der wirtschaftliche Schaden durch die gekappte Autobahnverbindung beträgt Schätzungen zufolge 1,8 Milliarden Euro.
Brisant: Das fatale Aufschieben des Brücken-Neubaus fällt vollständig in die Amtszeit von Hendrik Wüst (CDU) als Verkehrsminister. Inzwischen ist Wüst NRW-Ministerpräsident. Dass der Neubau in seiner Amtszeit immer weiter aufgeschoben wurde, darauf habe er keinen Einfluss gehabt - das ist sinngemäß die Darstellung, die Hendrik Wüst seit knapp drei Jahren gegenüber dem Landtag vertritt.
Zeuge: Keine Vorgaben aus dem Ministerium
Projektgruppenleiter Metz schilderte nun, dass er regelmäßig Kontakt mit Verantwortlichen des Ministeriums hatte, um über den Stand der Brückensanierung an der A45 zu beraten. Er wurde deshalb auch gefragt: "Gab es unmittelbare Vorgaben aus dem Verkehrsministerium, die Sie zu beachten hatten?"
Seine knappe, aber klare Antwort lautete: "Nein". Ihm sei definitiv keine Weisung aus dem Ministerium bekannt, bestimmte Projekte aufzuschieben oder vorzuziehen. Das Ministerium sei jedoch immer genau im Bild gewesen über die geplanten und auch verzögerten Neubaupläne an der A45. "Das war hinsichtlich der Informationen schon sehr reichhaltig", so Metz.
Bereits seit Frühjahr 2023 ist bekannt, dass sich die Projektgruppe über die Jahre immer seltener traf. Einen Grund dafür konnte Metz am Montag nicht nennen: Man habe sich immer "anlassbezogen" getroffen. Dass man sich 2020 nicht mehr traf, habe keinen bestimmten Grund - die Anlässe hätten schlicht gefehlt. Auch dass die Verantwortung für die Sanierung von Autobahnbrücken Anfang 2021 vom Land an den Bund überging, sei kein Grund für seltenere Treffen gewesen.
Planfeststellung statt schnellerem Verfahren
Seitdem bekannt ist, dass sich in der Amtszeit von Hendrik Wüst als Verkehrsminister der Neubau der Rahmedetalbrücke immer weiter verzögerte, wird im politischen Düsseldorf über die Gründe dafür diskutiert. Der ehemalige Projektgruppenleiter Metz lieferte dafür am Montag einen möglichen Ansatz: So habe man seit 2016 zunächst versucht, den Neubau zu beschleunigen, indem man den Brückenneubau als "Fall unwesentlicher Bedeutung" behandelte.
Im Laufe der Zeit sei dann jedoch deutlich geworden, dass das wohl nicht funktionieren würde - wegen der "extremen Topografie" im Rahmedetal und wegen der Nähe der Brücke zur Wohnbebauung. Deshalb habe man ab 2018 ein langwierigeres Planfeststellungsverfahren angestrengt. Wer genau diese Entscheidung schließlich traf wurde in der Befragung am Montag jedoch nicht klar.