Die Polizei in NRW hat in den vergangenen sieben Jahren rund 80 Rechtsextreme in den eigenen Reihen identifiziert und ihr Verhalten bestraft. Das geht aus aktuellen Zahlen des Innenministeriums hervor, die dem WDR vorliegen.
In 17 Fällen Beamtenverhältnis beendet
"Von den 83 Hinweisen, die nach abgeschlossener strafrechtlicher und/oder arbeits-/disziplinar-/beamtenrechtlicher Prüfung eine Ahndung nach sich zogen, wurde in 17 Fällen das Beamtenverhältnis beendet", teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Darüber hinaus wurden acht Geldstrafen und eine Freiheitsstrafe verhängt. Es kam dienstrechtlich zu 14 Verweisen, 17 Geldbußen, drei Kürzungen der Dienstbezüge oder des Ruhegehalts sowie arbeitsrechtlich zu drei Abmahnungen und drei Kündigungen.
Seit Anfang 2017 bis zum Stichtag 29.02.2024 gab es insgesamt 370 Hinweisfälle auf eine rechtsextreme Gesinnung bei Polizistinnen und Polizisten. Davon dauert in 101 Fällen die Prüfung noch an. "Die Hinweiserfassung erfolgt ganz bewusst sehr niedrigschwellig und schließt auch anonyme und vage Hinweise ein", betonte der Sprecher. Wenn ein dienst- oder arbeitsrechtliches Verfahren gegen Beschäftigte der Polizei eingeleitet wird, werden die Betroffenen in der Regel sofort darüber informiert. Falls jedoch verdeckte Ermittlungen eingeleitet werden, passiert dies nicht.
Darüber seien "seit dem Jahr 2016 insgesamt acht Polizeivollzugsbeamte wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zur sogenannten Reichsbürgerbewegung bekannt geworden", heißt es.
Laut einem Bericht des Stern vom Donnerstag werden bundesweit gegen mindestens 400 Polizeibeamte Disziplinar- oder Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Gesinnung oder Unterstützung einer Verschwörungsideologie geführt.
388 Hinweise auf extremistische Bestrebungen
Seit 2017 erfasst die Polizei Verdachtsfälle über rechtsextremistisches Verhalten in den eigenen Reihen fortlaufend statistisch.
Darüber hinaus werden seit dem 1. Januar 2024 auch weitere politisch-kriminelle Bestrebungen innerhalb der Polizei erfasst und gemeldet. Sie stammen aus den Bereichen Linksextremismus, ausländische Ideologien, religiöse Ideologien und aus "sonstigen" Zusammenhängen. Letztere sind keinem Bereich zuzuordnen. NRW richtet sich hierbei nach den Vorgaben aus dem bundesweiten "Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität".
Bis zum Stichtag 29.02.2024 gab es insgesamt 388 Hinweise, die sich gegen 383 Polizei-Beschäftigte richteten. Davon betrafen 370 Hinweise den Bereich Rechtsextremismus, ein Hinweis den Bereich "religiöse Ideologie" und 17 Hinweise den Bereich "Sonstiges". Von den 388 Hinweisen ließen sich nach Prüfung durch die Polizei 204 Fälle nicht erhärten. Insgesamt arbeiteten im betreffenden Zeitraum durchschnittlich rund 56.500 Beschäftigte bei der Polizei.
Hakenkreuz aus Dienstmunition
Seit dem Jahr 2020 waren verstärkt rechtsextreme Vorfälle in der NRW-Polizei bekannt geworden. Unter anderem tauschten sich die Polizeibeschäftigten dabei in Chatgruppen aus. In den verstörenden Nachrichten fanden sich beispielsweise Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und "Sieg Heil"-Beschriftung oder Fotos von einem Hakenkreuz, das aus Dienstmunition gelegt wurde.
Im November 2020 ließ Innenminister Herbert Reul (CDU) deshalb die Stabsstelle "Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW" gründen. Sie soll verhindern, dass Polizeibeamte ein rechtsextremes Weltbild entwickeln und sich entsprechend vernetzen. Die Stabsstelle ist im Ministerium angesiedelt, in ihr arbeiten aktuelle oder ehemalige Polizei-Mitarbeiter.
Hinweis: Ursprünglich hatte das Innenministerium mitgeteilt, dass die rund 80 bestätigten Fälle von Rechtsextremismus in der Zeit seit 2020 identifiziert wurden. Inzwischen hat das Ministerium diese Angabe auf "seit 2017" korrigiert. Wir haben die entsprechende Passage angepasst.