Social-Media-Kontrolle: NRW drängt auf schärfere Regeln

Stand: 26.01.2025, 07:19 Uhr

Hetze, Lügen, Manipulation: Die EU versucht, die großen Tech-Konzerne zu zwingen, auf ihren Plattformen selbst dagegen vorzugehen. Die NRW-Landesregierung möchte die Regulierung jetzt noch verschärfen.

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Hendrik Wüst wird grundsätzlich: Auf seiner jährlichen Jahresauftaktpressekonferenz in Düsseldorf spricht der NRW-Ministerpräsident am Freitag über das, "was Demokratien prägt". Dazu zählt er die sachliche Auseinandersetzung, auch mal eine längere Argumentation von anderen zu ertragen: "Das ist das Gegenteil von Social Media."

Faktenchecks gelten als "Zensur"

Doch die großen Tech-Konzerne vor allem aus den USA zeigen mehr und mehr, dass sie kein großes Interesse daran haben, ihre Social-Media-Plattformen von Hetze, Falschinformationen und Manipulationen zu befreien. Im Gegenteil: Sie profitieren davon. Es bringt ihnen Klicks und Einnahmen. Jede Einflussnahme und sogar Faktenchecks werden als "Zensur" dargestellt. Ganz im Sinne des wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump.

Die Chefs von Facebook und Instagram, Amazon, Google und X bei Trumps Amtseinführung | Bildquelle: wdr

Die große Frage ist nur: Wie genau sollen die europäischen Staaten darauf reagieren? Die EU versucht es seit Ende 2023 mit einer neuen Verordnung, dem "Digital Services Act" (DSA). Der soll die Plattformen zwingen, strafbare Inhalte zu entfernen und die technischen Instrumente offenzulegen, die für Nutzerinnen und Nutzer die angezeigten Postings auswählen. Wer nicht kooperiert, dem drohen hohe Geldstrafen.

Zehn Verfahren - bisher keine Bußgelder

Insgesamt zehn Verfahren hat die EU-Kommission seitdem gegen verschiedene Plattformen eröffnet, unter anderem gegen Elon Musks "X". Doch diese Untersuchungen ziehen sich hin. Im Fall von "X" sei man bisher nicht über die "technische Ebene" hinaus gekommen, räumte ein Sprecher der EU-Kommission ein.

Facebook und Co.: Soll der Staat stärker eingreifen? WDR 5 Westblick - aktuell 20.01.2025 06:45 Min. Verfügbar bis 20.01.2026 WDR 5

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"Richtig ist, dass wir das scharfe Schwert bisher nicht wirklich genutzt haben", sagt Landesmedienminister Liminksi (CDU), der für die Umsetzung der Regeln in NRW verantwortlich ist. "Wir haben eher gepiekt und wir werden künftig schneiden müssen." Er lässt keinen Zweifel daran, dass die bestehenden Regeln schon jetzt nicht mehr ausreichen und spricht von "Dreck", den die Plattformen "ungestraft in Herz und Hirn unserer Kinder und Jugendlichen schütten".

Liminski fordert Verbot bestimmter Algorithmen

Nathanael Liminski, Minister für Medien NRW | Bildquelle: WDR

Im Interview mit dem WDR-Magazin Westpol macht Liminski öffentlich, dass er die zuständige EU-Kommissarin Henna Virkkunen angeschrieben hat. In die Regeln für die Social-Media-Plattformen müsse ein zusätzliches Verbot aufgenommen werden: Algorithmen, die Postings alleine deswegen pushen, weil sie z.B. demokratiefeindlich oder volksverhetzend sind, sollen ausdrücklich nicht erlaubt sein.

Auch die SPD im Landtag fordert, bei den Regeln nachzuschärfen. SPD-Fraktionschef Jochen Ott sagte schon Mitte Januar mit Blick auf die Einflussnahme Trumps auf die Tech-Bosse: "Die vergangenen Tage und Wochen sind nur ein Vorgeschmack dessen, was noch blüht, wenn die großen Plattformen noch mehr Einfluss und damit auch Macht auf sich vereinen."

Landesanstalt für Medien nutzt KI - aber nicht für Facebook und Instagram

Bisher läuft die Medienaufsicht in NRW aber hinterher. Bei der Landesanstalt für Medien (LFM) in Düsseldorf suchen mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach strafbaren Inhalten, vor allem nach Volksverhetzung, Antisemitismus und Rassismus. Etwa 1500 Postings melden sie pro Quartal bei den Plattformen. Die allermeisten würden dann gelöscht.

Inzwischen nutzt die LFM dabei auch ein KI-gestütztes Programm. Damit würden deutlich mehr problematische Inhalte gefunden als früher. Auf Westpol-Nachfrage räumt die Behörde aber ein, dass diese Suchsoftware ausgerechnet bei Facebook und Instagram nicht funktioniert, also bei Plattformen des Meta-Konzerns von Mark Zuckerberg. Das sind in Deutschland mit großem Abstand die meistgenutzten Social-Media-Anbieter.

Forderung: Plattformen sollen direkt haften

Prof. Martin Andree, Medienwissenschaftler Uni Köln | Bildquelle: IMAGO/Horst Galuschka

Der Kölner Medienwissenschaftler Prof. Martin Andree fordert darum, die Plattformen nicht länger nur nachträglich auf strafbare Postings hinzuweisen, sondern sie in die Haftung zu nehmen: "Sie dürfen mit strafbaren Inhalten Geld verdienen, also Diskriminierung, Rassismus, Verleumdung oder Holocaust-Leugnung. Und da liegt in meinen Augen der Fehler im System."

Außerdem sieht Andree noch andere Möglichkeiten, die auch die Landesregierung nutzen könnte, vor allem mit Hilfe des Kartellrechts. Das verbietet zu hohe Marktkonzentration im Medienbereich: "Das müsste man eins zu eins auf die digitalen Medien übertragen. Seit 12 Jahren wird darüber diskutiert. Nichts ist passiert."

NRW Trend Aktuelle Stunde 19.01.2025 33:57 Min. UT Verfügbar bis 19.01.2027 WDR Von Andrea Miosga

Bundesländer sprechen auch über Medienkonzentration

Festschreiben könnten das alle deutschen Bundesländer gemeinsam im Medienstaatsvertrag. NRW-Medienminister Liminski räumt ein, dass bei den vergangenen Neufassungen des Vertrages darauf noch nicht der Fokus lag. Aber: „Die aktuellen Herausforderungen zeigen, dass die Frage nach Medienkonzentration eine neue Dringlichkeit erfährt.“

Unsere Quellen:

  • Minister für Medien NRW
  • Landesanstalt für Medien NRW
  • EU-Kommission
  • Prof. Martin Andree

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen bei Westpol am 26.01.2025, 19.30 Uhr.