Der tödliche Messerangriff eines mutmaßlichen Islamisten in Solingen soll politisch vom Landtag aufgeklärt werden. Am Donnerstag ist eine gemeinsame Sondersitzung des Innen- und Integrationsausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf geplant. SPD, FDP und AfD hatten jeweils Anträge gestellt, um Sondersitzungen anzuberaumen.
Die Sondersitzung soll nach Informationen aus dem Landtag am Donnerstag um 12 Uhr beginnen. Die Sozialdemokraten hatten in ihrem Antrag auf den Anschlag selbst sowie auf die Vorgeschichte des mutmaßlichen Täters verwiesen, der "in einer Flüchtlingseinrichtung lebte und eigentlich ausreisepflichtig war".
Es wird erwartet, dass Innenminister Herbert Reul (CDU) und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) den Abgeordneten in der Sondersitzung Rede und Antwort stehen.
Wie am Dienstag aus Regierungskreisen verlautete, wird die Landesregierung zudem eine Sondersitzung des Landtags zur Terrorattacke in Solingen beantragen. Die Sitzung soll noch in dieser Woche stattfinden. Es wird erwartet, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei der Sitzung eine Rede hält.
SPD hat kritische Fragen an NRW-Regierung
Politisch zuständig für Abschiebungen ist in Nordrhein-Westfalen die grüne Ministerin Paul. Innenminister Reul betonte in Interviews, dass er dafür nicht zuständig sei. Aber die schwarz-grüne Landesregierung insgesamt steht in der politischen Verantwortung. Am Sonntag hielt sie wegen Solingen eine außerordentliche Kabinettssitzung ab.
Man müsse sich jetzt anschauen, warum die Rückführung des mutmaßlichen Täters nach Bulgarien nicht geklappt habe, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Montagmorgen in der ARD. Bulgarien sei nach allem, was man wisse, bereit gewesen, ihn zurückzunehmen. "Zuständig sind für Abschiebungen in Deutschland die Länder, das wäre in diesem Fall Nordrhein-Westfalen gewesen." NRW müsse jetzt die Fakten auf den Tisch legen, warum nicht gehandelt worden sei.
Das NRW-Fluchtministerium befinde sich "im akuten Aufklärungsprozess", teilte Ministerin Paul mit. "Wir durchleuchten aktuell die Hintergründe zum Verfahren und zur gescheiterten Rückführung mit aller gebotenen Dringlichkeit und notwendiger Gründlichkeit und Konsequenz." Ein Rückführungsprozess sei ein "äußerst komplexer Vorgang". Wenn hier Fehler im Prozess aufgetreten seien, "müssen wir sie lückenlos aufklären, benennen und die nötigen Maßnahmen einleiten", sagte die Grünen-Politikerin.
"Ich will, dass sich die furchtbaren Geschehnisse in Solingen nicht wiederholen und wir tun alles Notwendige dafür, dass so etwas künftig nicht mehr möglich sein wird", betonte die Ministerin.
Der SPD-Fraktionschef im Landtag, Jochen Ott, forderte von der Landesregierung, neben der möglichen Abschiebung nach Bulgarien "jedes weitere Detail von der Einreise bis zur Tat lückenlos" offenzulegen. Das Land müsse zudem den grundsätzlichen Umgang mit Sicherheit und Migration hinterfragen. "In allen anderen Bundesländern liegt die Verantwortung für Migration und Abschiebung beim Innenministerium. Nur NRW wählt einen Sonderweg. Wir sehen aber, dass Migration und innere Sicherheit eng miteinander verbunden sind", sagte Ott.
FDP: Schluss mit "Wir schaffen das"
FDP-Landes- und Fraktionschef Henning Höne sagte: "Es ist an der Zeit, offen und schonungslos über die Konsequenzen zu sprechen. Der Satz 'Wir schaffen das', geprägt von Bundeskanzlerin Angela Merkel und übernommen von Ministerpräsident Hendrik Wüst, gilt so schon lange nicht mehr." Es müsse Schluss sein mit "Wir schaffen das". Höne forderte "eine Zeitenwende in der Asylpolitik".
Zugleich kommt unter anderem aus den Unionsparteien Kritik am Kurs der Ampelkoalition im Bund in der Migrations- und Flüchtlingspolitik. Über Verschärfungen im Waffenrecht wird ebenfalls debattiert. Aber es gibt in der öffentlichen Debatte auch Warnungen vor voreiligen politischen Schlüssen.
Am Freitagabend waren bei einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Mutmaßlicher Täter ist ein 26-jähriger Syrer.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der Tatverdächtige sitzt seit Sonntagabend in Untersuchungshaft.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- eigene Recherchen
- SPD und FDP laut Mitteilungen