Warum der 1. Mai in NRW nicht "Tag der Arbeit" heißt

Stand: 30.04.2025, 16:00 Uhr

Dort, wo die Maloche zuhause ist, ist der 1.Mai nicht der "Tag der Arbeit". Echt jetzt? Die Geschichte einer NRW-Enthüllung.

Von Thomas Drescher

"Weißt Du eigentlich, dass es in NRW gar keinen Tag der Arbeit gibt?" Meine Kollegin steht strahlend in der Tür. "Ich bin gespannt, ob die DGB-Vorsitzende das weiß", sagt sie noch.

Anja Weber ist in unseren Podcast "18 Millionen" eingeladen. "Der 1. Mai ist immer der Tag der Arbeit", beharrt die Gewerkschafterin ungläubig.

Der unbekannte Feiertag

Zu den Eigenheiten des deutschen Föderalismus gehört es, dass die Regelung von Feiertagen Sache der Bundesländer ist. Und so gibt es auch in Nordrhein-Westfalen ein Feiertagsgesetz. Zwar ist der Maifeiertag in ganz Deutschland ein gesetzlicher Feiertag, wie übrigens auch in Österreich, der Schweiz, in Belgien und Luxemburg, aber bei der Benennung gibt es offenbar Freiheiten.

Im Feiertagsgesetz heißt der 1. Mai:

"Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde" Gesetz über die Sonn- und Feiertage in Nordrhein-Westfalen

DBG-Chefin Weber sagt dazu nur: "Hammer!"

Maximal flexibel oder einfach ausgenutzt? 18 Millionen. Der Podcast für Politik in NRW 25.04.2025 29:20 Min. Verfügbar bis 24.04.2030 WDR Online

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Wie kam der Tag der Arbeit, der Kampftag der Arbeiterklasse, ausgerechnet in NRW abhanden, dem Land der Malocher, wo Ministerpräsidenten gerne mal des Jacket ausziehen und den Teilzeit-Arbeiterführer mimen? Die Frage führt zur Staatskanzlei des Landes, dem Sitz des Regierungschefs.

Zu viel Arbeit

"Wie bitte?", fragt eine entgeisterte Mitarbeiterin der Pressestelle. "Das habe ich ja noch nie gehört". Die Frage soll bitte schriftlich eingereicht werden, man wolle das klären. Die Frage lautet: Was war die Begründung dafür, den Maifeiertag in NRW umzubenennen? Und wann ist das passiert?

Einige Tage später ruft der Sprecher des Innenministeriums an. Es tue ihm leid, entschuldigt er sich, dass er sich erst jetzt melde. Es gebe zu viel Arbeit. Immerhin habe er ermitteln können, dass die Formulierung seit mindestens 1954 im Feiertagsgesetz von NRW steht. Warum wisse er auch nicht. Die Akten darüber seien wohl längst im Landesarchiv in Duisburg.

Vergilbte Akten

Die Mitarbeiterin des Landesarchivs reagiert deutlich flotter und schickt mir den vergilbten Scan einer Akte aus der Staatskanzlei. Sie zeigt das "Gesetz über die Sonn- und Feiertage" vom 16. Oktober 1951. Und schon damals heißt der 1. Mai nicht Tag der Arbeit.

Der 1. Mai im NRW-Feiertags-Gesetz | Bildquelle: Landesarchiv NRW

Ministerpräsident war damals Karl Arnold von der CDU. Neben Christdemokraten saßen auch ein paar Minister des Zentrums in seinem Kabinett. Sollte diese Regierung den Maifeiertag umbenannt haben? Einzelheiten über die Debatte im Landtag, die normalerweise jeder Verabschiedung eines Gesetzes vorausgeht: Fehlanzeige.

Doch auch ein tieferer Blick in Akten und Gesetzblätter bringt keine endgültige Klarheit. Nur so viel: Schon im Entwurf des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage vom 23.10.1950 hieß der 1. Mai, so wie er heute noch immer heißt. Warum denen, die das Gesetz schrieben, das Bekenntnis zu Freiheit und Frieden usw. wichtiger war, als die Errungenschaften der Arbeiterbewegung, könnte vielleicht mal eine historische Examensarbeit beleuchten. Wir konnten es nicht ergründen.

Lauman hat's gecheckt

Am vergangenen Montag hatte übrigens Ministerpräsident Wüst zum jährlichen Arbeitnehmerempfang der Landesregierung eingeladen und dabei mehrfach vom bevorstehenden Tag der Arbeit gesprochen. Ob er wohl wusste, was im Feiertagsgesetz steht?

Einzig der Landesminister für Arbeit, Karl-Josef Laumann (CDU), kennt offenbar die Gesetzesformulierung, die andere vor ein Rätsel stellt. In einer Pressemitteilung zum 1. Mai 2019 ruft er zu reger Teilnahme an den Maikundgebungen auf.

"Der 1. Mai ist nicht nur ein Feiertag für die Arbeitnehmer", lässt sich Laumann zitieren. "Er steht auch für den Kampf für universelle Werte, die alle Menschen verbinden.“ Nicht umsonst spreche das Feiertagsgesetz vom 1. Mai als "Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde". Der Mann ist scheinbar zu Recht Arbeitsminister.