Vieles ist falsch gelaufen in der Kölner Silvesternacht. Mittlerweile ist klar, dass die Behörden bereits bei der Vorbereitung des Einsatzes grobe Fehler machten. Dieser Eindruck bestätigt sich auch am Freitag (08.04.2016), als die Einsatzleiterin des Kölner Ordnungsamtes vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages aussagen muss.
Frage 1: Warum wurde die Brücke nicht gesperrt?
Die erste drängende Frage: Warum ist die Hohenzollernbrücke hinter dem Kölner Hauptbahnhof nicht von vornherein für Fußgänger gesperrt worden? Schließlich hatte es bereits im Vorjahr erhebliche Sicherheitsprobleme auf der Brücke gegeben. Von chaotischen Zuständen war die Rede. Dasselbe passierte dann auch in der jüngsten Silvesternacht. Der Einsatzleiter der Bundespolizei sprach von einer drangvollen Enge, verglich die Situation sogar mit der Loveparade 2010. Er selbst habe panische Menschen auf die Gleise gehen lassen. "Rettet meinen Sohn", habe ein Mann dem Einsatzleiter zugerufen. Es kam zu etlichen Gleisüberquerungen, der Bahnverkehr musste über eine Stunde eingestellt werden. Das wiederum verschärfte die Lage im Bahnhof erheblich. Die Menschen konnten nicht mit Zügen wegfahren und wurden in der Enge leichter Opfer von Straftätern.
Hätte man das verhindern können? Die Einsatzleiterin des Ordnungsamtes berichtet, dass in einer Vorbesprechung zwar über eine komplette Sperrung diskutiert worden sei. Vereinbart wurde aber stattdessen, den Rheinboulevard zu sperren. Diese Treppenanlage neben der Brücke auf der rechtsrheinischen Seite war noch nicht vollständig fertiggestellt. Die Brücke sollte offen bleiben, um den Feiernden die Möglichkeit zu geben, das Feuerwerk zu sehen. Außerdem sei die Brücke als Verbindung der beiden Rheinseiten wichtig gewesen, sagt die Einsatzleiterin. Im "Bedarfsfall" – bei zu großer Enge beispielsweise oder einer Bedrohungslage – hätte man die Brücke sperren können.
Frage 2: Warum war niemand in der Mitte der Brücke postiert?
Die Verantwortung für eine mögliche Sperrung hatte das Ordnungsamt. Nur – und das ist die zweite wichtige Frage – wie hätten die Mitarbeiter des Amtes davon erfahren sollen, dass eine Sperrung wichtig ist? Wie die Zeugin bestätigt, waren die Mitarbeiter nur an den Brückenzugängen postiert. Auf der Brücke selbst war niemand. Die Einsatzleiterin sagt im Ausschuss, es sei möglich, vom Zu- und Ablauf an den Zugängen auf die Situation auf der Brücke zu schließen. Eine Aussage, die mehrere Ausschussmitglieder bezweifeln.
Dass Personen die Gleise überquerten, will die Zeugin nicht bemerkt haben, das sei aber üblich in solchen Nächten. Überhaupt scheint die Zeugin von der offenbar dramatischen Lage auf der Brücke kaum etwas mitbekommen zu haben. Auch dass lange Zeit keine Züge mehr fuhren, habe sie nicht bemerkt, sagt sie. Eine kurze Sperrung für Fußgänger habe es erst weit nach Mitternacht auf Bitte einer Polizistin gegeben.
Frage 3: Warum keine Funkgeräte für die Bundespolizei?
Wie kann all das sein? Und hat sich die Polizei nicht sehr viel eher bei der Einsatzleiterin des Ordnungsamtes gemeldet? Das ist die dritte spannende Frage. Die Antwort lautet: Offenbar hat die Bundespolizei im Bahnhof versucht, die Einsatzleiterin zu erreichen. Doch vergeblich. Denn auch an dieser Stelle gab es offenbar eine Planungspanne.
Weil an Silvester das Mobilfunknetz in der Regel überlastet ist, hatte das Ordnungsamt Funkgeräte an die eigenen Mitarbeiter und die Landespolizei verteilt. Die Bundespolizei – die für den Bahnhof zuständig ist und mindestens ein ebenso wichtiger Partner gewesen wäre – hatte keine Funkgeräte bekommen. Der Grund: "Ich habe angenommen, dass die Landespolizei mit der Bundespolizei eng zusammenarbeitet", sagt die Einsatzleiterin.
Diese Annahme scheint falsch gewesen zu sein. Denn offenbar versuchte die Bundespolizei, die Einsatzleiterin per Handy zu erreichen. Sie habe einen Anruf auf ihrer Mobilbox gehabt, sagt sie. Als sie zurückgerufen habe, sei niemand rangegangen.
"Unglaublich", ist das Wort, das nach der Vernehmung am häufigsten zu hören ist.