Bei der parlamentarischen Aufarbeitung der Kölner Silvesternacht hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die politische Offensive gesucht. Als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags forderte de Maizière am Montag (31.10.2016) in Düsseldorf mehr Videoüberwachung, mehr Licht auf öffentlichen Plätzen, Bodycams bei der Polizei sowie eine konsequentere Abschiebung straffälliger Asylbewerber. Seine Kritik an dem Polizeieinsatz ("So kann die Polizei nicht arbeiten") aus dem Januar nahm er nicht zurück, doch bekundete der Minister den eingesetzten Beamten gegenüber seinen Respekt. Die Zeugenbefragung im Ausschuss stand streckenweise bereits im Zeichen des nahenden Wahlkampfs.
Wortkarg bei der internen Fehleranalyse
Die massenhaften Übergriffe verlangen nach Überzeugung von de Maizière nach einer harten Antwort des Rechtsstaates. Die Taten seien "erschreckend" und "nicht zu tolerieren", so der Minister. Zur konkreten internen Fehleranalyse des Bundespolizeieinsatzes sagte de Maizière auf Nachfrage der rot-grünen Abgeordneten nichts, sondern erwähnte nur, dass er mit Polizeibeamten persönlich über ihre Erfahrungen gesprochen habe. Hart kritisierte de Maizière den Bundesrat, der bislang nicht zugestimmt habe, Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. So könnten mutmaßliche Täter ihre Asylverfahren weitertreiben, um ihren Aufenthalt zu verlängern.
Anruf von Ralf Jäger
"So kann die Polizei nicht arbeiten", hatte er das Vorgehen der Beamten in der Silvesternacht Anfang Januar in einem TV-Interview kritisiert. Eine Kritik, die er im Ausschuss verteidigte. Er betonte aber, dass die Ereignisse nicht vorhersehbar gewesen seien. Wegen der Vielzahl an Taten habe "Vorrang von Gefahrenabwehr vor der Strafverfolgung" gegolten, so der Innenminister. Auf Nachfragen von SPD- und Grünen-Abgeordneten, wie er denn genau die Kritik an der Polizei gemeint habe, ließ sich de Maizière entlocken, dass er den Polizeieinsatz insgesamt angesprochen habe – also Landes- und Bundespolizei. Der Minister ist oberster Dienstherr der Bundespolizei. Der Bundesminister merkte an, dass NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ihn Anfang Januar nach dem TV-Interview angerufen habe, um sich wegen der Kritik an der Polizei zu beschweren. Später aber habe Jäger die Polizei ja noch "viel härter" kritisiert, sagte de Maizière süffisant.
Bundespolizei: Chaotische Einsatzlage
Bundespolizei-Präsident Dieter Romann verlas vor dem Ausschuss eine Erklärung. Der "Brennpunkt" der Straftaten rund um den Kölner Hauptbahnhof habe im Zuständigkeitsbereich der Landespolizei gelegen, betonte Romann. Trotz einer teils "chaotischen" Einsatzlage habe die Bundespolizei in der Tatnacht 114 Straftaten festgestellt. 35 Tatverdächtige seien ermittelt worden – 28 von ihnen hätten einen Migrationshintergrund gehabt. Romann schilderte eine "enthemmte" Menge. Er erklärte, dass die Bundespolizei 67 Beamte in der Nacht in Köln eingesetzt habe. Das seien "nahezu doppelt" so viele gewesen wie in den Vorjahren.
Hintergrund für die erhöhte Personalzahl sei die latente Terrorgefahr gewesen. Insgesamt sei die Personallage bei der Bundespolizei wegen der Flüchtlingssituation an den Grenzen sowie aufgrund einer Terrorwarnung in München um die Jahreswende sehr angespannt gewesen. Der Bundespolizeipräsident erfuhr nach eigenen Angaben erst am 4. Januar durch die Lektüre eines Pressespiegels von der Dimension der schweren Straftaten in Köln. Da habe er sich gedacht, "da muss was gewesen sein", sagte Romann im Ausschuss. Ebenfalls befragt wurde Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU).
Insgesamt rund 1.200 Strafanzeigen
Am Kölner Hauptbahnhof waren hunderte Frauen drangsaliert, ausgeraubt, sexuell belästigt oder sogar vergewaltigt worden. Rund 1.200 Anzeigen liegen vor, davon etwa 500 wegen Sexualdelikten. Zahlreiche Zeugenaussagen der vergangenen Monate offenbarten ein Zuständigkeits-Chaos zwischen Landes- und Bundespolizei, städtischen Behörden und Bahn-Verantwortlichen. Kommunikation und Sicherheit waren dabei auf der Strecke geblieben.